Das verdrängte »Haupt« – vom Aleph zum heutigen Alpha
Im Nachfolgenden wird auf die Art eingegangen, wie das Aleph, das »Haupt«, enthauptet werden kann. Anders als die Medien berichten, können Ent-Hauptungen leichtfüßig, gezielt-absichtlich und lustvoll geschehen.
Das bereits erwähnte Aleph, verstanden als »Haupt« und »Herz«, erhält mit dem Alpha ein Geschwister, das in die gegenwärtige Welt eine andere Bedeutung bringt. Dieses Alpha hat mit dem Aleph nicht mehr gemein, als dass beide der erste Buchstabe im griechischen respektive im hebräischen Alphabet sind. »Alpha« taucht heute oft als Bezeichnung von »Spitzenleuten« in Wirtschaft und Politik auf, Menschen, die führen, etwas voranbringen, die vorangehen. Man spricht von ihnen als »Alphatiere«. Es sind potente, ernstzunehmende Leader egal welcher Couleur. (Im Übrigen dient das Wort »Alpha« inflationär als Bezeichnung für Putzdienste, Geldinstitute, Limousinen-Services, Investitionsfirmen, Stil- und Image -Beratungen, Wirtschaftsbeilagen, Headhunter, Umzugsfirmen, Lehranstalten, Sicherheitsdienste, Kaderberatungen, Reiseunternehmen...)
Dass im Zusammenhang mit Alpha von »Tier« gesprochen wird, verweist auf eine Veränderung der Bewusstseinsebene. Offenbar hat eine Trennung von Aleph als »Haupt« und »Herz« stattgefunden. Alpha wird hier zum Synonym für die Abspaltung von der unsichtbaren, ursächlichen Heimat und für das Sicheinrichten in der Welt der Materie. Es ist der Weg des »Baumes der Erkenntnis«. Alphatiere haben das Zepter übernommen, versprechen Sicherheit, Erfüllung und Glück. Es ist ein Leichtes, ihnen zu folgen und zu glauben, denn ihre Versprechen sind groß und verlockend. Ständig werden neue und immer noch spannendere Ziele gesetzt und erreicht. Nie aber führt eines dieser Ziele zur wirklichen Beruhigung, zu einem endgültigen Ziel. Die Jagd nach Neuem, noch nicht Erforschtem, noch nicht Erreichtem, nach noch mehr Wohlstand muss fortgesetzt werden – und: Man will immer zu den Ersten und Besten gehören. Alles scheint möglich. Das »verlorene Paradies« wird wie es scheint machbar gemacht. Hingenommen wird dabei, dass Macht, Kontrolle und Ansehen den »Führern« wichtiger sind als das echte Wohlergehen der Menschen. Der Mensch ist jedoch frei und kann wählen, ob er dieser oder jener Führung folgen will oder nicht – mit allen Konsequenzen, die damit verbunden sind.
Selbstbewusstsein, Selbstwahrnehmung, Selbstwert verlagern sich unter dem Einfluss äußerer Wertvorstellungen auf die materielle Ebene. Status, Besitz, Position, Funktion, Ansehen, Beziehungen sind überlebenswichtig und werden zu Werten, die innere Werte verdrängen.
Eine Art Lähmung des Verantwortungsgefühls, der Kreativität und Eigeninitiative hat sich lautlos eingeschlichen, eine Art Hypnotisierung und Verwirrung, die den Menschen mit »lässigen« Angeboten auf Abwege geraten lassen. Fast unbemerkt stellt sich die Angst vor jenen, die nicht haben, aber auch wollen, als Begleiterin zur Seite. Daraus ergeben sich eine Opfer-Täter-Dynamik, Wertungen und Urteile, die zu Ausschlüssen und Isolation führen.
Auf subtile und lustvolle Art wird Abhängigkeit angestrebt und Sicherheit angeboten. Die gegenwärtige verunsichernde Weltlage, die von potenten »Alphas« mitverursacht wird, beutet das Sicherheitsbedürfnis der Menschen aus, führt zu immer mehr Kontrolle und Verwaltung des Bewusstseins und der Freiheit unter dem irreleitenden Versprechen, »für das Volk zu sorgen« (Kontrollen, Überwachung, Datensammlung, Sicherheitsvorkehrungen...). Dem Menschen drohen Entpersönlichung und Verlust des inneren Wegweisers, ohne dass er in der äußeren Welt einen zuverlässigen Ersatz oder Partner findet.
Es wird nicht gezögert, das spirituelle Bedürfnis der Menschen nach Ganzheit schamlos kommerziell auszuschlachten. Damit werden Aberglaube und neue Abhängigkeiten von Äußerlichkeiten gefördert, die an Magie grenzen. Es erinnert an die Erzählung vom Goldenen Kalb (aus der Moses-Geschichte). Die Menschen opfern ihre Schätze in der Hoffnung, dass ein Führer sie ins »gelobte Land« bringt. Als der Führer (Moses) nicht zu gegebener Zeit erscheint, verlieren sie den Glauben, beten das Goldene Kalb an und tanzen wie hypnotisiert darum herum. Statt des befreienden geistigen Führers, der sehr wohl erscheint, verschreiben sie sich weltlichen Werten, an das, was sichtbar und zählbar ist. In ihrer Hoffnung auf Befreiung geben sie alles auf. Es wird teuer bezahlt und nicht nur mit Geld, sondern vor allem mit dem Verlust der Verbindung zum »Haupt«-Sächlichen, zum Sinngebenden.
Das Paradies scheint machbar! “We can do it” ist ein weltweit gereister, motivierender, Selbstbewusstsein schaffender Slogan...
Der propagierte Erfolg, Glück, Liebe, Zufriedenheit, Erfüllung, das Abenteuer versprechende Paradies können nur die materielle Ebene des Menschen befriedigen. Die emotionalen, mentalen, seelischgeistigen Bedürfnisse werden damit nicht beruhigt. Sie werden vielmehr übergangen (Näheres dazu im Kapitel »Die Welt des Materiebewusstseins«, Seite →).
Die tagtäglichen Versuchungen, diesem verlockenden »Haben«-Paradies zu erliegen, zeigen magische Wirkung. Die Magie wird zur Hypnose und Verwirrung, wenn die eigenen Ideen, Visionen, die nicht dem materiellen, renditeorientierten und trendbestimmenden Markt entsprechen, aufgegeben, unbemerkt vereinnahmt oder abgebogen werden. Hier ist eine Grenze, ein Übergang, bei dem das eigene Wesen, das individuelle wie auch das kollektive, »geopfert« wird. Das »Haupt« wird abgegeben oder unbemerkt enthauptet.
Wie Materie ad absurdum zelebriert werden kann, tragen Persönlichkeiten wie das provozierende High-Society-Paar Irina und Walter Beller, zur Schau: »Man wird sehen, wie geil ich es finde, Walters Geld auszugeben. Wer behauptet, Geld mache nicht glücklich, weiß einfach nicht, wo man einkaufen gehen muss.« Das erinnert an den indischen Guru Bhagwan, der in den 1980 er Jahren mit seinen 100 goldenen Rolls Royces die westliche Haben-Kultur auf den Arm nahm.
»Vorteils«-Denken hat sich lautlos in jedem auf seine Art etabliert. Ein Beispiel soll illustrieren, wie Widersprüche innerhalb des eigenen Landes unbesehen auf »andere«, auf »Fremde« abgeschoben werden: Viele Schweizer fürchten mit dem Zuzug von Ausländern um ihre Identität, ihr Land, ihre Wohnungen, ihre Arbeit, ihre Frauen... Vor allem aber wird befürchtet, dass diese Zuziehenden nur von unserem Sozialstaat profitieren und ihn ausnützen wollen.
Schauen wir diese vermeintliche Profitgier näher an, so stellt sich heraus, dass das Geld, das die Flüchtlinge vom Sozialstaat oder durch ihre Arbeit erhalten, in diesem Land auch wieder ausgeben wird. Die Wirtschaft sieht dadurch aufatmend einer Ankurbelung entgegen. Die einen fühlen sich betrogen, die andern wittern Aufschwung. Beide bangen um ihren Profit.
Die gleichen Schweizer profitieren von Einkäufen im billigen Frankreich, Deutschland und Österreich. Selbstbewusst tragen sie den Schweizerfranken über die Grenze, schwächen und bedrohen damit die Existenz von einheimischen Läden und die eigene Wirtschaft. Für 11 Milliarden Franken wurde 2015 jenseits der Grenze eingekauft. Darin sind weder Autokäufe noch Ferien, noch Möbel mitgerechnet. Die Möbelbranche allein schätzt, dass 800 Millionen Franken für Anschaffungen im Ausland der Schweizer Branche verloren gingen. Wer nützt wen aus? Wer ist gierig? Die Gier und das Gefühl des »Zukurzkommens« ziehen sich wie ein grauer Nebel durch alle Schichten. Oder kennen wir nicht auch das Drängeln beim Anstehen in einer Warteschlange?
Werbung: ein Blick auf die Hypnose
Bekannt ist, dass Werbung ein sensibles gesellschaftliches Organ ist, das den Zeitgeist einerseits und die urewigen menschlichen Bedürfnisse andererseits aufnimmt. Werbung vermag diese tiefen Bedürfnisse geschickt und kreativ im Dienst des Profits auf die materielle Ebene zu reduzieren. Der Zeitgeist kann sich sehr schnell ändern und damit auch die Werbeversprechen mit ihren käuflichen Angeboten.
Ein Teil der Werber scheut sich nicht, das, was die Menschheit bewegt und erschüttert, herunterzuspielen. Gewalt, Zerstörung, Chaos, das Virtuelle, Identitätssuche, der Kick... werden auf den Weg der »Normalität« geschickt und so in den Konsum integriert. Eine ungeheure Ent-Hauptung.
»Ich bin«-Botschaften als trendige Identität: Ähnlich geschickt wird das Bedürfnis nach Identität, nach Orientierung und Zugehörigkeit in die Werbung integriert.
Es werden Identitäten geschaffen, die nichts mehr mit dem realen Wesen des Menschen zu tun haben. So heißt es bei einer Versicherung: »Ich bin vaudois.« Die Stadt Zürich wirbt im Frühsommer 2015 mit der Aktion »Ich bin Zürich«, um die Angebundenheit und...
