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E-Book

Denk nicht an Morgen

AutorBernd Kersch
Verlagneobooks Self-Publishing
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl82 Seiten
ISBN9783847630913
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,49 EUR
Wie schlimm eine Kindheit sein kann, wenn ein kleiner Junge zu Gott betet, er möchte sterben, das ist in diesem Buch beschrieben. Genauso, wie all die vielen Sorgen und Nöte, die ein Kind empfindet, wenn es sich alleingelassen und ungeliebt fühlt. Dies ist die wahre Geschichte meines Lebens. Ich könnte an dieser Stelle viele Worte machen, aber stattdessen werde ich einfach einen kurzen Ausschnitt aus dem Buch präsentieren. Was nun in dieser Klinik geschah, wurde für mich zu einem traumatischen Erlebnis, über das ich wohl niemals hinwegkommen werde. Sie sagten mir, wenn ich nicht essen würde, dann müssten sie mich künstlich ernähren. Damit konnte ich als kleines Kind natürlich nichts anfangen, was sollte das auch schon heißen. Also aß ich genauso viel wie sonst auch. Es war nicht viel, was ich aß, aber ganz bestimmt auch nicht so wenig das Ich verhungert wäre. Schließlich gingen in meinem Kopf viel wichtigere Dinge vor. Warum war ich hier? Warum sagte mir niemand, was ich hatte, und warum besuchte mich niemand außer meinem Vater? Eines Tages passierte es dann vollkommen unvorbereitet. Sie packten mich mit fünf Leuten, legten mich auf einen Behandlungstisch und hielten mich mit eisernem Griff fest. Ich konnte ihre Gesichter nicht erkennen, denn sie trugen alle einen Mundschutz. Ihr Glück, denn hätte ich mir ihre Gesichter merken können, ich würde sie noch heute alle aufsuchen, und dafür sorgen das Sie dass, was sie mir an diesem Tage antaten, niemals wieder einem Menschen antun könnten. Ich weiß, dass dies nicht richtig ist, und ich bin mir bewusst, dass es das Gegenteil von dem ist, was ich hier versuche herüberzubringen, aber wenn ich auch nur einem einzigen Menschen das damit ersparen könnte, was ich damals erleben musste, ich würde es tun! Ich lag also auf diesem Tisch und wurde festgehalten, und bekam eine richtige Panikattacke. Aber so sehr ich auch versuchte mich loszureißen oder mich zu bewegen, ich konnte es nicht. Sie waren einfach viel zu stark für mich.

Eines gleich vorweg, in diesem Buch steckt ein Stück Seele von mir. Geprägt durch eine lieblose Kindheit, habe ich mich in meinem Leben sehr oft zurückgezogen und mich ganz dem Schreiben und Malen hingegeben. Ich schreibe nicht um mich zu bereichern, sondern um anderen Menschen zu helfen. Niemand soll einfach wegsehen wenn in seinem Umfeld ein Unrecht geschieht. Das ist es, was man Menschlichkeit nennt.

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Leseprobe

Das Kindergartenalter


Drei Jahre ist ein seltsames Alter, und für die meisten Kinder beginnt damit ein ganz neuer Lebensabschnitt. Ich kam in einen Kindergarten, wenn auch nur für kurze Zeit. Dort war ich aber nur wenige Wochen. Warum? Ich kann es nicht genau sagen, vielleicht war ich ungeeignet oder noch nicht reif genug dafür. Ob ich noch nicht soweit war, oder ein gesundheitliches Problem bestand, ich habe es niemals erfahren. Damals war ich noch viel zu jung um mich um solcherlei Dinge zu sorgen, oder mir überhaupt Gedanken darüber zu machen.

Heute nach so langer Zeit gibt es leider keine Unterlagen mehr über diese Zeit. Es hat viele Jahre gedauert, bis ich soweit war, dieses Buch zu schreiben. Viele Jahre meines Lebens habe ich gebraucht, bis ich genug Mut gesammelt hatte, um diese Schauplätze wieder aufzusuchen, mich mit meiner Vergangenheit so intensiv zu beschäftigen und der Wahrheit ins Gesicht zu blicken. Wie schwer es ist sich an diese Orte zu begeben, an die man teilweise so schreckliche Erinnerungen hat, das alles kann man aufschreiben, aber niemals ganz erklären oder gar vergessen, und ohne meine Frau, die mir immer den Rücken gestärkt und frei gehalten hat, hätte ich dies Buch sicherlich niemals schreiben können. Ihr Verständnis und ihr fester Glauben an mich haben mir die Kraft gegeben, die nötig dazu war.

Meine Mutter wohnte jedenfalls damals mit ihrem zweiten Ehemann in einem Hochhaus in einer großen Neubausiedlung. Zu dieser Zeit galt es als schick, in einem Hochhaus zu wohnen. Dieser Mann hatte einen riesigen Umfang und konnte eine komplette Scheibe Brot auf einmal in den Mund stecken, und mit einem Bissen herrunterschlucken. Ich erinnere mich noch genau an eine Mahlzeit. Wir saßen zu Tisch und es gab Brathähnchen. An diesem Wochenende war meine Schwester für einen Nachmittag zu Besuch. Meine Mutter, meine Schwester und ich teilten uns ein halbes Hähnchen. Er selbst aß anderthalb. Er tat das in einer Geschwindigkeit, wie ich sie seitdem nie mehr gesehen habe, außer in Filmen.

Einige Dinge sind für immer in meinem Gedächtnis hängen geblieben. So musste ich jeden Morgen vor dem Frühstück eine Tablette nehmen. Wogegen, oder wofür sie war, kann ich nicht sagen. Ich denke meine Mutter hatte eine Krankheit oder ich musste krank sein und sie sollten mich heilen. Da ich als Dreijähriger aber, wie alle Kinder in diesem Alter, meiner Mutter grenzenlos vertraute, schluckte ich sie wortlos herunter und fragte nicht weiter danach. Bis zum heutigen Tag habe ich es niemals in Erfahrung bringen können, warum ich diese Tabletten nehmen musste oder gar nehmen sollte. Niemand hatte sich die Mühe gemacht es mir zu sagen, oder zu erklären. Warum dies niemand, auch in späteren Jahren, für nötig hielt, kann ich nicht genau erklären.

Auch habe ich damals nicht danach gefragt, warum meine Schwester nur für einen Nachmittag kommen durfte, oder ich meinen Vater nur so selten sehen durfte. Für mich war dies alles vollkommen selbstverständlich, ich kannte es nicht anders.

Die Vorkommnisse dieser Zeit sind leider nur zum Teil in meinem Gedächtnis, aber dafür sind jene Einzelheiten mehr als klar. Noch heute, nach über dreißig Jahren kann ich von allen Wohnungen, in denen ich mal gelebt habe, alles genau beschreiben. So passierte es, das ihr damaliger Mann, sie hatte zwischenzeitlich erneut geheiratet, meiner Mutter in einem Streit mit der Rückseite seiner Hand ins Gesicht schlug, sodass sie quer über das Ehebett flog. Ich hatte in der Tür gestanden, da ich das laute Streitgespräch, dass sie vorher geführt hatten, mitgehört hatte.

Es war noch recht früh am Morgen und draußen war es bitterkalt. Sie wollte ihre Koffer packen und ihn verlassen. So stritten sie sehr lautstark, bis er sie dann schlug. Verschreckt ging ich zurück in mein Zimmer. Jemand hatte gerade meine Mutter geschlagen, ich hatte doch sonst niemanden. Das war schlimmer, als wenn er mir den Hintern gehauen hätte, was er auch immer reichlich getan hatte. Sie war meine einzige Bezugsperson dort, wie hätte es auch anders sein können, denn meinen eigenen Vater sah ich schließlich nur alle vierzehn Tage für einen Nachmittag. Dieser Schlag hatte mir mehr geschadet, als wenn er mich selbst geschlagen hätte, und ich weiß das genau, denn dies hatte er sehr oft getan.

Es dauerte eine kleine Ewigkeit bis meine Mutter zu mir in das Kinderzimmer kam. Sie hatte vorher auf dem Bett gelegen und geweint. Ich wusste das ganz genau, ich hatte es nicht gesehen, aber ein Kind merkt und spürt so etwas genau. Ich saß in einer Ecke auf dem Boden und verstand die Welt nicht mehr, und ich hatte auch keine Ahnung, wie ich mich jetzt verhalten sollte. Sie kam also in mein Zimmer und packte hastig eine Tasche mit Kleidung. Dann nahm sie mich an die Hand und wir gingen rasch hinaus, während sie sich immer noch laut mit ihm stritt.

Da es draußen Winter war, lag auch etwas Schnee und es war sehr kalt. Wir standen eine kleine Ewigkeit an der Bushaltestelle, die nur etwa zweihundert Meter von der Wohnung entfernt war. Ich fror fürchterlich und die Zeit, bis der Bus kam, schien sich für mich wie eine Ewigkeit hinzuziehen. Sie wollte zu ihren Eltern fahren. Dies hatte sie noch zu ihm gesagt, kurz bevor sie die Wohnung verlassen hatte. An diesem Tag verstand ich die Welt nicht mehr, aber dafür bekam ich eine neue Erkenntnis, Erwachsene streiten sich und sie schlagen auch ihre Partner und nicht nur ihre Kinder. Für mich als Dreijähriger war dies eine furchtbare Sache, denn ich dachte doch immer, dass Erwachsene genau wissen was sie tun, dass sie immer und überall das Richtige machen. Ich hatte mich bisher immer darauf verlassen.

Überhaupt habe ich an diesen dicken Mann, wie meine Schwester und ich ihn heimlich nannten, keine guten Erinnerungen. Er hat gern und viel geschlagen, mehr als einmal habe ich den Hintern verhauen bekommen. Es ist mir an dieser Stelle auch sehr wichtig zu erwähnen, dass ich die Bezeichnung dicker Mann nicht benutze um ihn zu beleidigen, oder mich gar über dicke Menschen lustig zu machen. Nein, dies will ich ganz sicher nicht. Da er für mich als Kind immer nur der dicke Mann gewesen war, ich hatte verständlicherweise keinerlei Beziehung mit ihm und kannte daher nicht mal seinen richtigen Namen, habe ich diese Bezeichnung der Einfachheit halber hier beibehalten. Ich habe meine zweite Frau, mit der ich verheiratet bin, kennengelernt, als sie noch über zweihundert Kilogramm wog. Dies hat mich niemals gestört, den ich habe von Anfang an den Menschen geliebt. Ich erzähle das an dieser Stelle auch nur, um ganz sicher zu gehen, dass niemand auch nur im entferntesten daran denkt, ich könnte einen anderen Menschen wegen seines Gewichts diskriminieren. Da ich schon in sehr jungen Jahren erfahren durfte, was es heißt ein Außenseiter zu sein, würde ich dies niemals einem anderen antun wollen.

Manchmal habe ich den dicken Mann einfach nur gehasst, besonders dann, wenn ich mal wieder den Hintern verhauen bekommen hatte. Es ist keine Übertreibung, wenn ich hier schreibe, dass ich ein pflegeleichtes Kind war, umso mehr überlege ich immer wieder, warum er mir so oft den Hintern gehauen hatte. Fest steht, hätte er mich ab und zu mal geschlagen, es wäre mir nicht so tief im Gedächtnis hängen geblieben. Es ist erstaunlich, aber die schlechten Dinge bleiben meistens am besten in Erinnerung, und davon habe ich wohl mehr als genug. Auf jeden Fall war ich froh, als ich mit ihm irgendwann nichts mehr zu tun hatte.

Er hatte noch einen Sohn aus erster Ehe. Dieser war derart verzogen, dass alle Kinder der Siedlung nichts mit ihm zu tun haben wollten. Wahrscheinlich gibt es überall auf der Welt in jeder Siedlung ein Kind, das frech zu anderen Kindern ist, schlimme Dinge sagt, und auch tut, hier war es eben jener Junge, und die anderen Kinder mieden ihn, wo sie konnten. Dumm nur, das jener Junge ausgerechnet mit mir zusammen in einer Wohnung lebte. Mit meiner Schwester oder mit mir spielten die Kinder in der Siedlung allerdings gerne, nur wollten sie eben nichts mit ihm zu tun haben. Als der dicke Mann das herausbekam, sein Sohn hatte es ihm natürlich sofort erzählt, durften wir nicht mehr mit den anderen Kindern spielen. Ein anderes Mal stritt er mit mir alleine, auch wenn ich heute nicht mehr weiß, worum es ging. Ich muss dazu sagen er war gut und gern vier bis fünf Jahre älter, und dementsprechend auch größer und stärker. Jedenfalls drückte er mir die Luft mit seinen Händen am Hals ab. Ich lief dunkelrot an und wäre fast erstickt. Er ließ nach einiger Zeit zum Glück wieder los und ich lief schnell ins Wohnzimmer zu meiner Mutter. Aber diese lachte nur zusammen mit dem dicken Mann. Es muss wohl furchtbar lustig ausgesehen haben, wie ich kreidebleich hereinkam und alles keuchend erzählte. Ich werde dieses Lachen niemals vergessen. In diesem Augenblick fühlte ich mich herabgesetzt und gedemütigt, wahrscheinlich war ich ihnen nicht so viel wert wie dieser Junge. Wäre ich nicht so klein gewesen, ich wäre an diesem Tag sicher weggelaufen. Aber wohin kann ein Dreijähriger schon alleine laufen? Die Stadt war für mich riesig, und ich wäre sicher nirgendwo angekommen. Also blieb mir nichts anderes übrig als mich hart und unnachgiebig zu geben, und abends alleine in meinem Bettchen zu liegen und zu weinen. Weinen aus Verzweiflung darüber, dass meine Mutter es nicht einmal für nötig empfunden hatte, nachzufragen, was eigentlich passiert war, entweder aus Desinteresse oder auch aus Angst vor diesem Mann. Noch heute denke ich oft daran, und warum dieser Junge niemals eine Strafe bekommen hatte. Niemand fragte, warum er das getan hatte, und niemand interessierte sich anschließend dafür, ob es mir gut ging.

Zu dieser Zeit hatte ich auch meine erste richtige Krankheit, die...

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