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Der Beginn der Hexenverfolgung durch die Inquisition im 15. Jahrhundert

AutorDoreen Fricke
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl88 Seiten
ISBN9783638587273
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis49,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Geschichte Europa - and. Länder - Mittelalter, Frühe Neuzeit, Note: 1,0, Universität Kassel, 41 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Das Denken und Handeln vieler Europäer des Mittelalters war beherrscht von der Vorstellung, man könne durch Zauberei Einfluss auf den Alltag nehmen. So glaubten vor allem die ungebildeten Schichten, man könne mit Hilfe von magischen Riten z. B. Nachbarn aus Neid Schaden zufügen oder sich selbst vor derartigen Angriffen schützen. Derartige Vorstellungen hatte die mittelalterliche Christianisierung der europäischen Länder nicht ausrotten können. Da jedoch das Christentum die offiziell ausgeübte Religion war, duldete die katholische Kirche lange den heidnischen Aberglauben, der unter der Oberfläche erhalten geblieben war. Die Kleriker predigten, dass Zauberei keine Wirkung hätte und dass Menschen, die diese dennoch praktizierten, mit Kirchenbußen zu bestrafen sein, weil sie an die Effizienz der Magie glaubten. Mit dem Beginn des 15. Jahrhunderts wandelte sich in einigen europäischen Regionen die Einstellung der katholischen Kirche zur Ausübung nicht-christlicher Rituale. Immer stärker sahen sich christliche Geistliche die Erhaltung des von ihnen praktizierten Glaubens bedroht. Somit galt es, etwas gegen den erhalten gebliebenen heidnischen Aberglauben zu unternehmen. Auf der Suche nach jenen, die Zauberei betrieben, meinten Theologen, eine neue Gemeinschaft von Teufelsbündnern entdeckt zu haben, die nämlich die Hexensekte. Den Mitgliedern dieser vermeintlichen Sekte wurde vorgeworfen, einen Pakt mit dem Teufel eingegangen zu sein, um seine Hilfe bei der Schädigung von Mitmenschen beanspruchen und mit ihm Unzucht treiben zu können. Für die Bekämpfung der Hexen war die Inquisition zuständig. Diese mittelalterliche Institution war vom Papst geschaffen worden, um alle Häretiker, die den christlichen Glauben anders auslegten, als es die katholische Kirche wünschte, zurück zu schlagen. Aufgabe der Kirchenmänner, die das Amt des Inquisitors ausübten, war es, die ketzerischen Sekten, also seit dem 15. Jahrhundert auch die Hexen, zu verfolgen und mittels eines Prozessverfahrens wegen ihrer Abtrünnigkeit von der katholischen Kirche unschädlich machen. Diese Arbeit setzt sich speziell mit dem Beginn der Hexenverfolgung durch die Inquisition im 15. Jahrhundert auseinander. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die spätmittelalterlichen Hexenverfolgungen entstehen konnten. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt dabei auf dem Einfluss der päpstlichen Inquisition bei der Umgestaltung des Hexereibegriffs und dem daraus resultierenden Umgang mit den vermeintlichen Hexen.

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Leseprobe

2. Die Hexen


 

Bei der Betrachtung der einzelnen Bestandteile des Hexenbegriffs, der im 15. Jahrhundert durch den Einfluss von Theologen und Juristen entstanden war, fällt auf, dass es sich um einen Sammelbegriff handelt, der verschiedene Elemente in sich vereint. Mehrere Gruppen von Vorstellungen fließen in ihm zusammen, die zuvor getrennt voneinander in den germanischen und orientalischen Völkern existiert  haben[56], zum Teil aber auch Gemeinsamkeiten aufweisen.

 

2.1. Antike und germanische Ursprünge der Hexereivorstellungen


 

Die Grundkomponenten des gelehrten Hexenglaubens der Kleriker des 15. Jahrhunderts, zu denen Schadenszauber, Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft und Zusammenkünfte mit dem Teufel bei kultischen Orgien zählen, sind in verschiedenen frühen Kulturstufen anzutreffen. Derartige Elemente weisen überall Ähnlichkeiten auf[57]. Wichtig ist jedoch, dass die Verbindung mit dem Teufel und die Fähigkeiten, die der Fürst der Dunkelheit seinen Getreuen verleihen konnte, nicht von Beginn an zum Hexenbegriff synthetisiert wurden, im Gegenteil, der volkstümliche Hexenbegriff kannte keine Mitwirkung des Teufels[58].

 

Im Volk existierte in der Zeit vor der Christianisierung Europas im Mittelalter der Glaube an verschiedenartige heidnische Gottheiten. Nicht die Figur des Teufels spielte die zentrale Rolle, man unterschied vielmehr zwischen weißer und schwarzer Magie[59], die die Gegensätze von gut und böse symbolisierten. Diese konnten die verschiedenen Zauberwesen in sich vereinen. Dementsprechend galten Personen, die in der Lage waren, zu zaubern, in der Antike und bis ins hohe Mittelalter hinein als ambivalent, was bedeutete, dass sie in der Lage waren, sowohl negativen als auch positiven Einfluss auszuüben[60]. Den Vorstellungen nach standen diejenigen, die Magie ausübten, in Verbindung mit geheimen Naturkräften. Sie konnten Trost bringen, Ratschläge geben und hilfreich zur Seite stehen, aber ebenso auch verderbend und vernichtend in den Alltag eingreifen. Aus diesem Grund wurden sie zugleich geachtet und gefürchtet[61].

 

Die Figuren, denen derartiges nachgesagt wurde, unterschieden sich in den verschiedenen Gebieten Europas oftmals nur in ihren Namen, die ihnen zugeschriebenen Eigenschaften ähnelten sich stark. So kannte die griechisch-römische Antike unter anderem eine vampirhafte Gestalt, die als Nachteule oder Raubvogel Säuglinge mit giftiger Milch stillte oder sie aus der Wiege raubte, um ihnen das Blut auszusaugen oder sie auf nächtlichen Gelagen zu verspeisen[62]. Sie nannte man hauptsächlich striga, aber auch Begriffe wie lamia oder furia tauchen auf. Eine furia verführte dem Volksglauben einiger Regionen nach zusätzlich Jünglinge[63]. Damit diese Gestalten in der Lage waren, zu fliegen, mussten sie sich erst mittels einer Zaubersalbe in Vögel verwandeln. Neben ihnen gab es maleficae genannte Schadenszauberinnen und herbariae, die für das Brauen von Zaubertränken zuständig waren.

 

Diese Zauberinnen bildeten den Gegensatz zu den in der griechisch-römischen Antike und von den germanischen Stämmen verehrten Göttinnen Diana, Holda oder Herodias, die nachts ebenfalls durch die Lüfte flogen, oder Frauen auf ihrem Rücken über den Himmel trugen. Sie taten dies dem Volksglauben nach allerdings, um die Familien zu schützen und bei Krankheiten und Geburten zu helfen bzw. helfen zu lassen[64]. Heidnische Religionen kannten außerdem weise Frauen, Schicksalsfrauen und andere nachts umhergehende Gestalten, deren Tätigkeitsbereich auch im Liebeszauber und der Kuppelei lag. Eines hatten jedoch alle diese magischen Wesen gemeinsam: Sie lebten abgeschieden von den Menschen[65].

 

Doch nicht nur die in der Tradition der griechisch-römische Antike lebenden Menschen und die Germanen, sondern auch altindische, altpersische und altägyptische sowie keltische und slawische Völker hatten einen Hexen- und Geisterglauben, der Einfluss auf das Hexenbild, das sich im Laufe des Mittelalters entwickeln sollte, hatte. Besonders den nordischen Zauber- und Hexenwesen wurden die Fähigkeiten zum Flug durch die Lüfte, zur Tierverwandlung und zur Seelenwanderung[66] nachgesagt. Ebenso sollten sie die Kraft haben, Stürme und Unwetter herbeizuführen[67]. In jedem Fall war allen Völkern dabei der Glaube an die Wirksamkeit von Zauberei, egal ob diese schädigen oder den Menschen Hilfe, Heilung und Schutz bringen sollte gemeinsam[68].

 

Neben all diesen fantastischen Vorstellungen waren viele Menschen auch der Meinung, selbst zaubern zu können oder vertrauten sich jemandem an, der magische Rituale betrieb.  Selbst in der mittelalterlichen Gesellschaft war es bis zum 15. Jahrhundert durchaus noch üblich, Zaubersprüche, Segensformeln und magische Praktiken anzuwenden, um böse Einflüsse fern zu halten, zu heilen, jemandes Liebe zu erlangen und Feinde abzuwehren[69]. Zurückzuführen  ist diese Tatsache auf die Erhaltung vieler heidnischer Traditionen trotz der Christianisierung und den von den christlichen Oberhäuptern unter Strafandrohungen verhängten Verboten der Ausübung von Magie.

 

In der Prozesspraxis des 15. Jahrhunderts war die Bezeichnung Hexe den Menschen nicht geläufig, auch wenn sie in der Schweiz seit dem 13. Jh. bereits vereinzelt auftauchte[70]. In manchen Gegenden konnte sie sich überhaupt nicht durchsetzen, so z. B. im heutigen Österreich[71]. Der Begriff der Hexe leitet sich etymologisch ab von der althochdeutschen Bezeichnung hagazussa, was in etwa soviel wie Zaunreiterin bedeutet[72]. Die Silbe hag weist dabei auf einen Grenzbereich für böse Geister hin, zussa spielt auf einen Hausgeist an[73], womit die hagazussa jemand war, der vor Eindringlingen von außen schützen sollte. Die Hexe war demnach ursprünglich eine lokale Gottheit dämonischen Ursprungs, die sowohl schützen als auch schaden konnte.

 

Im Laufe der Zeit kam es zur Überlagerung dieses Hexenbegriffs mit den Vorstellungen der römischen Antike. Gleichzeitig entwickelte sich die Idee von der Existenz der Zauberwesen dahingehend, dass aus den Geisterwesen Menschen wurden[74], die sich vor der Nähe ihrer Mitmenschen nicht scheuten. Im 15. Jahrhundert nannte man diejenigen, die man mit Magie in Verbindung brachte, im Volk nicht Hexen, sondern je nach Region noch Schadensstifterinnen und Unholdinnen, Zaubersche, Trutten oder Teufelshuren, allerdings wurden ihnen alle negativ konnotierten Eigenschaften zugeschrieben, die man bereits in vorchristlicher Zeit gekannt hatte, so auch Nachtfahrten und Dämonenflüge, Tierverwandlungen, das Bringen von Krankheit und Tod von Mensch und Vieh, das Verderben von Ernte und Nahrung, Gotteslästerung und Unzucht mit dem Teufel und seinen Anhängern[75].

 

Um die Anhänger der vermeintlichen Hexensekte zu benennen, behalfen sich auch die geistlichen und weltlichen Gelehrten mit verschiedenen Ausdrücken, zumeist in lateinischer Sprache. Sie nutzten Begriffe wie z.B. maleficae, haeretici fascinarii oder strigimagae[76]. In diesen Bezeichnungen wurden dabei ältere Vorstellungen verschiedener Herkunft in einer Person vereint und gestalteten die christliche Dämonologie. Dennoch blieben die Bezeichnungen für die Hexensekte regional unterschiedlich und es kam erst ab dem 16. Jahrhundert zur Verdrängung solcher Bezeichnungen zugunsten des Hexenbegriffs, der sich  im 17. Jahrhundert nahezu vollständig durchsetzte[77]. Die Gründe für die Vermengung der verschiedenen Vorstellungen und den Glauben an eine Verbindung zum Teufel im frühen 15. Jahrhundert sind dabei unklar[78].

 

Eine möglicherweise durch die Verwendung der verschiedenen Begriffe des 15. Jahrhunderts entstehende Verwirrung soll vermieden werden. Daher wird im Folgenden nur noch die bis heute geläufige Bezeichnung Hexe verwendet werden.

 

2.2.  Der Wandel des Hexenbegriffs im Spätmittelalter durch den Einfluss der mittelalterlichen Kirche


 

Die von den Klerikern betriebene christliche Religion und das Christentum, das die Laien praktizierten, unterschieden sich zwar in der Ernsthaftigkeit, mit der sie ausgeübt wurden, sie basierten aber dennoch auf der selben Grundlage und waren z. B. durch den Gottesdienst und die Beichte miteinander verbunden. Dies ermöglichte es, dass verschiedene Bestandteile des volkstümlichen Hexenglaubens sich mit den gelehrten Vorstellungen vermischten und sich gegenseitig bedingten[79]. Die im Volk sehr lebendige Vorstellung von Schadenszauberinnen, Wettermacherinnen, Wahrsagerinnen, und zaubernden Heilerinnen wurde zwar von der Kirche als sündhaft bekämpft[80], aber sie hatte dennoch soviel Einfluss auf die mittelalterlichen Theologen, dass diese die negativen Eigenschaften der ursprünglich als ambivalent angesehenen Hexenfiguren in das von ihnen entwickelte...

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