KAPITEL 7.4
DIAGNOSE UND ANALYSE – HINSEHEN, BETRACHTEN UND ERFASSEN
Jetzt fehlt noch eine wichtige Säule: Diagnose und Analyse. Dabei werden Faktoren und Bereiche betrachtet, die für eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung Ausschlag gebend sind oder sein können. Es geht hier um das Erfassen der aktuellen Situation und um die Abschätzung der zukünftigen Herausforderungen. Diese Prozesse laufen oft automatisch in unseren Köpfen ab. Ich finde es in meiner Praxis so unglaublich faszinierend, dass kleine Unternehmen mit fünf bis zehn Sätzen die Situation super beschreiben können. Sie wissen, wie es in ihrem Unternehmen aussieht und welche externen Faktoren wichtig sind. In den nächsten Kapiteln schauen wir uns die Struktur für die externe Analyse und die unternehmensinterne Diagnose an. Solch eine Struktur ist wichtig, weil sie dir hilft, bisher blinde Flecken zu finden. Manche Themen wirken dabei sehr komplex. Mach es dir aber nicht zu kompliziert! Vielleicht gibt es nur zwei oder drei Antworten, die für dich völlig logisch sind und dann gehören auch nur sie dahin und sind schon ein großer Teil der Analyse.
Bildlich kann man es sich so vorstellen: Wir arbeiten gerade an deinem ErfolgsTempel, an deinem Unternehmen. Der interne Diagnoseprozess betrachtet die Basisplatte. Dein Unternehmen steht jedoch nicht isoliert da. Also gilt es bei der externen Analyse den Blick auf das zu richten, was dich, dein Unternehmen, deinen Tempel umgibt.
Auf die meisten Bereiche und auf einige der Faktoren haben wir nicht wirklich Einfluss. Aktuelles Beispiel ist die DSGVO (Datenschutzgrundverordnung). Jeder muss sich damit irgendwie auseinandersetzen. Es ist eine gesetzliche Regelung, die in Kraft trat und wir Unternehmerinnen haben sie umzusetzen. Wir haben keinen Einfluss auf die gesetzliche Regelung, aber sie beeinflusst massiv unser Tun, vielleicht auch deine Arbeitszeit im Jahr 2018. Und so gilt es andere Entwicklungen oder gesetzliche Veränderungen zu entdecken, fest im Blick zu behalten und abzuschätzen, was sie mit dir im Unternehmen machen und was sie für dieses bedeuten.
7.4.1 Analyse externer Faktoren – Was um dich herum passiert
Am Anfang des Buches habe ich dich gebeten, dir deinen Tempel als Theater- oder Musiktempel vorzustellen. Lass uns dieses Bild aufgreifen und es in eine Umgebung einbetten. Stell dir vor, dein Tempel liegt an einem wunderschönen großen Marktplatz, auf dem sich die Bewohner der Stadt gerne treffen. Von einer Seite des Platzes geht das Regierungsviertel ab, von der anderen das Shoppingviertel und du bist auf der dritten Seite – dem Kulturviertel. Dir ist sicher schon bewusst, dass du nicht der einzige Tempel im Kulturviertel bist. So stehen rechts und links neben dir weitere Tempel mit Kulturangeboten. Es gibt einen breiten Weg mit Bäumen und Blumen, der vom Markt zum Kulturviertel führt und an jedem Tempel wird gearbeitet und die meisten haben ihren Eingangsbereich geschmückt.
Nun lass uns dieses Bild auf die externe Analyse übertragen. Das Umfeld, in dem dein Tempel steht, ist die Stadt mit all ihren Lebensbereichen und ihren Entwicklungen. Dieses Umfeld gilt es als erstes in der Umfeldanalyse zu betrachten. Dann wird es schon konkreter, denn dein Tempel steht ja im Kulturviertel. Das ist deine Branche. Diese wird in der Branchenstrukturanalyse unter die Lupe genommen. Ein Bestandteil dieser Analyse, den wir im Anschluss intensiver anschauen, ist die Analyse der Mitbewerber. Das sind die anderen Tempel links und rechts neben dir. Danach fällt unser Blick auf den Marktplatz - den wir in der Marktanalyse unter die Lupe nehmen. Und wir stellen uns die Frage, was passiert dort? Der Marktplatz wird von allen Bewohnern der Stadt besucht. Aber nicht alle haben Interesse an deinem Angebot, sodass wir uns zum Schluss der externen Analyse mit der Zielgruppe als eine Auswahl aller Marktbesucher beschäftigen.
Warum ist dieses Vorgehen sinnvoll? Es gilt, die Dinge im Blick zu haben, Baumaßnahmen an anderen Tempeln sozusagen vorauszusehen. Vorauszusehen, ob der breite Weg zum Kulturviertel gesperrt werden wird und vielleicht auch der Parkplatz nicht mehr vorhanden ist, weswegen die Kunden bisher so bequem zu dir gekommen sind. Gutes Beobachten ist gefragt! Es geht um deine Zukunftsfähigkeit!
7.4.1.1 Umfeld – Was ist in der Stadt los?
Eine der wichtigen Untersuchungen, um dein Unternehmen einzuordnen, ist die Umweltanalyse, die sich in die sechs Bereiche Technologie, Umwelt, Gesetzgebung, Politik, Ökonomie und Soziales gliedert.
Beginnen wir mit der technologischen Entwicklung. Wir haben in den letzten Jahren erfahren, wie schnell sich alles um uns verändert und welche gravierenden Auswirkungen dies haben kann. Ein Beispiel? Versuch doch heute mal ohne Internet und Handy einen Tag lang deinem Business nachzugehen. Also stell dir bitte die Fragen: Was passiert gerade in der Forschung in deiner Branche? Welche staatlichen Förderungen gibt es an diesen Stellen? Wo wird sich deine Branche in den nächsten drei bis fünf Jahren hin entwickeln? Was ist mit der Digitalisierung? Welchen Einfluss hat sie auf die Art und Weise, wie du dein Unternehmen steuerst, wie du produzierst, deine Dienstleistungen erbringst?
Ein weiterer Punkt ist Umwelt oder die Ökologie. Wie umweltbewusst arbeitest du? Das Thema rückt auch in der Öffentlichkeit mehr und mehr in den Fokus. Für manche Unternehmen ist es im Bereich der Dienstleistung oder Produktion grundlegend, sich mit ökologischen Qualitätsstandards und dem Umweltschutz auseinanderzusetzen. Für andere ist Ökologie eher ein ethischer Wert und wird beispielsweise bei der Frage, wie viel Papier im Büro verbraucht wird, angewendet. Wie stehst du zu Umwelt und Ökologie und wie setzt du Nachhaltigkeit in deinem Unternehmensalltag um?
Die Gesetzgebung beeinflusst unser Handeln immens. Im Gegenzug haben wir aber nur sehr geringen Einfluss auf sie. Trotzdem gilt es, vorbereitet zu sein. Welche gesetzlichen Änderungen kommen auf dich und dein Unternehmen zu? Datenschutz und Datensicherheit im Zusammenhang mit der DSGVO haben wir schon angesprochen. Ich kenne Einzelunternehmerinnen, die diese kaum beachtet haben und meinen, die Umsetzung beträfe nur Unternehmen mit mindestens zehn Mitarbeitern. Andere Unternehmerinnen haben wochenlang dagesessen und ihren Internetauftritt und die vor wenigen Monaten erstellten AGBs für den Onlineshop wieder und wieder angepasst. Von der Umsetzung der internen Dokumentationen mal ganz abgesehen. Der ganze Prozess hat unglaublich viel Arbeitszeit gekostet und die Folgekosten, z.B. durch Datenschutzbeauftragte, waren schwer abschätzbar, beziehungsweise (zu) lange unter dem Radar. Du siehst, unvorhergesehene äußere Einflussfaktoren können massive Auswirkungen auf dein Unternehmen und Einfluss z.B. auf deine Kosten- und Liquiditätsplanung haben. Was kommt in der nächsten Zeit auf dich zu?
Zusätzlich haben wir das Themenfeld Politik. Hier geht es darum, wie sich gerade die politische Situation entwickelt. Baut sich für dein Unternehmen eher eine Stabilität auf oder gibt es eher Unsicherheiten? Gibt es Förderungen oder Hemmnisse? Wird deine Branche eher anerkannt oder verliert sie vielleicht gerade an Ansehen?
Und wir haben die ökonomischen Faktoren. Wenn du im Jahr 2019 investieren willst, haben wir eine unglaublich günstige Situation, weil die Zinsen noch sehr niedrig sind. Man schaut auch in die Konjunkturentwicklung. Was läuft hier ab? 2018 sind wir in einem Konjunkturhoch, das heißt, es könnte wunderbar so weitergehen. Doch die ersten warnenden Berichte sind bereits da, die darauf hindeuten, dass es sich verändern könnte. Hast du für einen solchen Fall Vorsorge getroffen?
Maria horcht in dem Moment auf, sagt: „Stimmt“. Sie erzählt von ihren Eltern. Denen ging es mit dem Unternehmen super. Sie haben gut verdient, neue Geräte angeschafft. Kredite aufgenommen und dann kam die Euroumstellung. Da brach eine Welt zusammen. Völlig unvorbereitet, geradezu naiv hatten die Eltern diese Katastrophe nicht kommen sehen. Urplötzlich hatten die Kunden weniger Geld in der Tasche. Die Umsätze gingen zurück. Vorher hatten sie jedes Jahr 10 Prozent Umsatzsteigerung verzeichnen können. Plötzlich gab es einen Einbruch von 30 Prozent. Das hatte zur Folge, dass sie Mitarbeiter entlassen und sich völlig neu strukturieren mussten. Ein Notkredit musste her, um laufende Ausgaben zu finanzieren und die Insolvenz abwenden zu können. Es waren große Herausforderungen. Keiner der Eltern war auch nur ansatzweise vorbereitet. Es hatte einen kompletten Einfluss auf alle Bereiche des Unternehmens.
Einen Bereich habe ich noch ausgelassen. Das ist der soziale Bereich, der auch zur externen Umfeldanalyse gehört. Zum sozialen Bereich gehören die Themen Demografie und Lebensstil. Demografie kannst du ganz leicht durchschauen. Nach dem Geburtenknick der 1990er Jahre in Sachsen bzw. Dresden wurden reihenweise Schulen und Kitas geschlossen. Schon ab 2000 gab es wieder viel mehr Geburten. Damit war klar, dass es mehr Schulen und Kitas geben muss. Woher ich das weiß? Nun ja, ich war Betroffene....