Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
… besser verstehen
Was versteht man unter chronisch entzündlichen Darmerkrankungen?
Unter dem Begriff chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED; engl. inflammatory bowel disease, IBD) fasst man die beiden Krankheitsbilder Morbus Crohn (M. Crohn) und Colitis ulcerosa (C. ulcerosa) zusammen. Bei beiden Krankheitsbildern kommt es zu einer chronischen Entzündung im Bereich des Verdauungstraktes, die bei den betroffenen Patienten zu Durchfällen, Bauchschmerzen, Fieber oder auch Gewichtsabnahme führen können.
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen befallen vor allem Menschen in jungen Lebensjahren zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, 20 % aller Patienten sind bei Diagnosestellung sogar jünger als 14 Jahre. Derzeit sind in Deutschland schätzungsweise 300 000 Menschen von einem M. Crohn oder einer C. ulcerosa betroffen. Man geht davon aus, dass jährlich etwa 5 von 100 000 Einwohnern neu an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung erkranken. Interessanterweise nimmt die Zahl der Neuerkrankungen in den Industrienationen in den letzten Jahren beständig zu.
Fakten
▶ In Deutschland leiden ca. 300 000 Menschen an Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa.
▶ 20 % aller Patienten sind bei Diagnosestellung jünger als 14 Jahre.
M. Crohn und C. ulcerosa sind zwei verschiedene Erkrankungen, die sich in wichtigen Punkten unterscheiden – so sind unterschiedliche Abschnitte des Verdauungstraktes und der Darmschleimhaut befallen, es kommt zu unterschiedlichen Komplikationen und Risiken und auch die immunologischen und genetischen Ursachen für die Entstehung der chronischen Entzündung scheinen andere zu sein.
Da der genaue Grund für die chronisch entzündlichen Veränderungen im Darm bislang nicht geklärt ist, sind M. Crohn und C. ulcerosa zum jetzigen Zeitpunkt nicht heilbar – diese Erkrankungen verlaufen chronisch mit immer wiederkehrenden Krankheitsschüben, d. h. akute Phasen mit hoher Krankheits- und Entzündungsaktivität wechseln sich mit entzündungsfreien Phasen ohne Beschwerden ab. Die Entzündungsphasen werden als akuter Schub, die entzündungsfreien Phasen als Remission bezeichnet.
Schwere und Häufigkeit der Krankheitsschübe lassen sich jedoch mit modernen und ganzheitlichen Heilmethoden reduzieren, sodass Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen heute eine normale Lebenserwartung und gute Lebensqualität haben können.
Wichtigste Unterschiede zwischen den Krankheitsbildern M. Crohn und C. ulcerosa.
| Morbus Crohn | Colitis ulcerosa |
Welcher Teil des Verdauungstraktes ist betroffen? | gesamter Verdauungstrakt, häufig Entzündungen am Ende des Dünndarms (terminales Ileum) | nur Dickdarm (Kolon) |
Ist der Enddarm (Rektum) betroffen? | bei ca. 20 % der Patienten | bei 100 % der Patienten |
Ist das terminale Ileum betroffen? | bei ca. 80 % der Patienten | sehr selten |
Wie sieht die Darmschleimhaut aus? | entzündete und gesunde Schleimhaut wechseln sich ab | die Schleimhaut ist ausgehend vom Rektum durchgehend entzündet |
Welche Schichten der Darmwand sind betroffen? | alle Wandschichten | nur die obere Schleimhaut (Mukosa) |
Was sind häufige Komplikationen? | Engstellen (Stenosen), Fisteln, Abszesse, Konglomerate (entzündlich verbackene Darmschlingen) | Blutungen, Darmdurchbruch (Perforation) |
Welche Symptome treten häufig auf? | Durchfall, Gewichtsverlust, Bauchschmerzen | blutig-schleimige Durchfälle, Bauchschmerzen |
Was bedeutet Morbus Crohn?
Das Wort „Morbus“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt „Krankheit“. Das Wort „Crohn“ geht auf den Entdecker dieser Darmerkrankung zurück – den amerikanischen Arzt Burrill Crohn, der 1932 gemeinsam mit Kollegen erstmals eine wissenschaftliche Abhandlung über das Krankheitsbild und die dazugehörigen Veränderungen des Darmes veröffentlichte.
Der Morbus Crohn (M. Crohn) ist eine chronische Entzündung des Darmes, die sich bei dem betroffenen Patienten vor allem durch Bauchschmerzen, Durchfälle und Gewichtsverlust bemerkbar macht. Charakteristisch für den M. Crohn ist, dass die Entzündungsherde in allen Abschnitten des Verdauungstraktes auftreten können – besonders oft ist hierbei der letzte Teil des Dünndarms, das sogenannte terminale Ileum, betroffen. Manche Patienten zeigen aber auch einen Befall der Mundschleimhaut, des Magens oder des Dickdarms, siehe Abbildung unten. Insgesamt haben etwa 30–40 % der Patienten mit M. Crohn einen reinen Dünndarmbefall, bei 40–55 % sind sowohl Dünn- als auch Dickdarm betroffen und nur bei 15 % ist alleine der Dickdarm entzündet. Typisch ist ein abschnittsweiser Befall der Darmschleimhaut mit Entzündungsherden, die sämtliche Gewebeschichten des Darms angreifen und zerstören können (Abbildung S. 15). Entzündete Schleimhautareale wechseln sich also mit normaler gesunder Schleimhaut ab.
Foto: The Gustave L. and Janet W. Levy Library
Bei etwa 30–40 % der Patienten kommt es im Krankheitsverlauf zu Komplikationen – hierzu gehören vor allem entzündliche oder narbige Engstellen des Darmes (Stenosen) sowie Abszesse und entzündliche Gangbildungen (Fisteln). Zudem kann es auch zu entzündlichen Veränderungen an den Gelenken, der Haut oder den Augen kommen, die als extraintestinale Manifestationen bezeichnet werden (S. 28 ff.). Durch die veränderte Aufnahme von Nährstoffen über die Darmschleimhaut finden sich häufig auch Blutarmut (Anämie), Gewichtsverlust und Mangelernährung als Begleiterscheinungen des M. Crohn.
Befall des Verdauungstraktes bei M. Crohn und C. ulcerosa.
Montreal-Klassifikation des M. Crohn.
Alter | A1 < 16 Jahre bei Diagnose |
Ort des Befalls | L1 terminales Ileum |
L3 Ileokolon (Dünn- und Dickdarm) |
L4 oberer Verdauungstrakt (z. B. Magen, Speiseröhre) |
Verlauf | B1 nicht strikturierend, nicht penetrierend |
B2 strikturierend (Stenosen) |
B3 penetrierend (Abszesse/Fisteln) |
Klinisch unterteilt man den M. Crohn nach der sogenannten Montreal-Klassifikation nach dem Alter bei der Diagnose (A1–A3), dem Ort der Entzündung im Verdauungstrakt (L1–L4) und dem Krankheitsverhalten (B1–B3). Hierbei wird zwischen einem rein entzündlichen Verlauf (B1: keine Stenosen, Abszesse, Fisteln), einem sogenannten strikturierenden Verlauf mit Einengungen des Darms (B2: häufige Bildung von Stenosen) und einem penetrierenden Verlauf mit einer Entzündung über die Darmwand hinaus (B3: häufige Fisteln und Abszesse) unterschieden.
Stark entzündlich veränderte Darmschleimhaut bei M. Crohn.
Die Krankheitsverläufe bei M. Crohn sind von Patient zu Patient unterschiedlich und leider schwer vorhersagbar: Manche Personen haben nur sehr selten einen akuten Schub, andere dagegen fast ständig. Während manche Patienten vor allem mit Durchfällen zu kämpfen haben, kommt es bei anderen immer wieder zu Engstellen im Darm, die Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Gewichtsabnahme hervorrufen und operiert werden müssen.
M. Crohn hat also viele Gesichter – und stellt daher auch viele Herausforderungen an die Diagnosestellung und Behandlung.
Was bedeutet Colitis ulcerosa?
Das Wort „Colitis“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Entzündung des Dickdarms“ (Colon = griech. für Dickdarm), das Wort „ulcerosa“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „reich an Geschwüren“. Unter einer Colitis ulcerosa (C. ulcerosa) versteht man also eine chronische Entzündung des Dickdarmes, die vor allem durch das Auftreten von Ulzerationen (Geschwüren) gekennzeichnet ist. Im akuten Schub ist die Darmschleimhaut durch die vielen entzündeten Stellen sehr empfindlich und es kommt leicht zu Blutungen. Im Verlauf der chronischen Erkrankung wird die Schleimhaut des Darms...