KAPITEL 1
Segen und Fluch – Die Gabe des Heilens
Übrigens:
Für alle, die keine Kosten und keinen Aufwand scheuen, um das Heilen zu erlernen.
Sparen Sie sich die Energie! Zum Heiler wird man geboren.
Seien Sie nicht gar zu enttäuscht darüber! Wer über die Gabe verfügt und damit lebt, würde manchmal keine Kosten und keinen Aufwand scheuen, um sie loszuwerden.
„Geh zum Eddie, der macht es weg!“
Mit etwa fünf Jahren spürte ich es das erste Mal – dieses Kribbeln, Strömen, geräuschlose Rauschen und Fließen in den Handflächen. Es war nicht unangenehm und hat mich als Kind nicht abgestoßen, sondern war einfach nur seltsam. Ich kann mich so gut an die Situation erinnern, weil es damals für mich ein ganz fremdes und neues Empfinden war. Heute gehört es beim Heilvorgang ganz normal dazu und ist für mich nichts Besonderes mehr.
Meine Mutter hatte einst einen Migräneanfall und saß am Tisch, während ich in der Küche spielte. Wir waren allein, was nur selten vorgekommen sein kann, denn das Leben der kleinbürgerlichen Familie spielte sich hauptsächlich in der Wohnküche ab, die nicht einmal sonderlich groß war. Fünf Kinder, meine Eltern und die Mutter meines Vaters, die als Rentnerin aus der ehemaligen DDR zu uns gestoßen war – wir alle verbrachten den größten Teil der Zeit in der Küche.
Es gab einen Tisch, eine Eckbank und drei Stühle. Nach Norden zu lag die Spüle und natürlich war da ein typisches Küchenbuffet, in dem sich alles befand – Töpfe, Teller, Tassen, Besteck. Das Zentrum aber bildete der Herd, der im Winter geschürt wurde. Über die Wintermonate wurde auch auf ihm gekocht und in ihm gebacken. Der Elektroherd war nur für den Sommer da. Ein großes Fenster ging nach Westen und über der Spüle gab es ein kleines Fenster nach Norden. Das war die Welt meiner Kindheit.
Meine Eltern hatten das Haus 1957 im Stil der Nachkriegszeit gebaut und es war alles sehr einfach, schlicht und bescheiden. Der Zweite Weltkrieg war nicht spurlos an meinem Vater vorübergegangen. Er kehrte als Invalide zurück und lebte mit chronischen Schmerzen. Beide Beine und ein Oberarm waren ihm durchschossen worden. Dazu kamen die Folgen eines Streifschusses am Kopf und die wiederkehrenden Symptome mehrerer tropischer Krankheiten, die er sich an der Krim geholt hatte.
Meine Mutter stammte aus einer Weinbauernfamilie und war mit neun Geschwistern aufgewachsen. Sie hatte öfter Migräne, die sich so schlimm auswirken konnte, dass sie erbrechen musste. Manchmal blieb ihr nichts anderes übrig, als einen Tag bei geschlossenen Gardinen im Bett zu liegen. Dann konnte sie sich nicht rühren, weil sie weder Geräusche, Licht noch Gerüche ertrug. Heute weiß ich, dass sich ihr Schlafplatz über einer schlimmen Wasserader befand. Die negativen Strahlungen lösten ihre Beschwerden immer wieder aus.
„Du, ich hab solche Kopfschmerzen! Bitte sei so gut und massier mir ein bisschen das Genick!“ So nannte sie wie jeder rechte Schwabe den Nacken. Ich kletterte auf die Eckbank und sie saß auf dem Stuhl vor mir. Als Fünfjähriger massiert man noch nicht, sondern streichelt. Mit zarten, etwas unbeholfenen Bewegungen strich ich über den Nacken meiner Mutter, und da spürte ich, wie in meinen Händen etwas vor sich ging, was ohne mein Zutun geschah. Etwas strömte durch mich und ich ließ es geschehen. Irgendwann drehte sich meine Mutter überrascht zu mir um.
„Sag mal, was hascht denn du gemacht? Ich hab auf einmal kein Kopfweh mehr.“
„Ich weiß net, ich hab dich halt massiert.“
Gut, die Kopfschmerzen waren vorerst weg, aber sie kamen natürlich irgendwann wieder, da die Ursache nicht behoben war und sie weiterhin über einer starken Wasserader schlief. Meine Mutter blieb bis zu ihrem Lebensende migräneanfällig. „Eddie, kannscht du mich bitte wieder massieren!“, hieß es, wenn der nächste Migräneanfall einsetzte. Ich berührte ihren Nacken mit den Händen und die Schmerzen verschwanden. Sie begriff schnell und stellte den Zusammenhang her.
„Geh zum Eddie, der macht es weg!“ Das wurde zu ihrer Standardanweisung, wenn es einem meiner Geschwister nicht gut ging. Bauchweh, Kopfweh etcetera – dafür war von nun an ich zuständig. Das waren die Anfänge und mir wurde erst nach und nach bewusst, dass bei mir etwas besonders war.
Ich war anders.
Meine Mutter machte kein besonderes Aufheben um meine Gabe und ging ganz praktisch und pragmatisch damit um. Es wurde in der Öffentlichkeit nicht großartig darüber geredet und ich sparte der Familie still und unauffällig manchen Weg zum Arzt. Eddie kann das. Er tut das. Er macht das. Der einzige, dessen Schmerzen ich als Kind und Heranwachsender nie lindern durfte, war mein Vater. Er ließ es schweigend geschehen, dass meine Mutter meine Gabe nutzte, hielt sich selbst aber heraus.
Für ihn war nach dem Krieg die Gemeinschaft der Neuapostolischen eine Art religiöse Heimat geworden. Wie es zu jener Zeit üblich war, gehörten wir daher alle der neuapostolischen Kirche an. Für mich war das schon als Kind eine Tortur. Ich nehme an, meine Mutter breitete nicht zuletzt aus Vorsicht vor dem Urteil der Strenggläubigen ihrer Kirche den Mantel des Schweigens darüber, dass ich über die Gabe des Heilens verfügte. Ich selbst war später nicht so dezent und ich denke, das war auch gut und richtig so. Niemand sollte verbergen müssen, was er ist und kann!
In meiner Jugend waren meine Fähigkeiten für mich lange etwas völlig Natürliches. Ich vermochte Schmerzen zu lindern und zur Heilung beizutragen und betrachtete es schon frühzeitig als eine Art Dienst, der mir auferlegt worden war. In meinem Freundeskreis half ich als Heranwachsender ganz selbstverständlich, wenn es jemandem nicht gut ging. Das war so lange unproblematisch, bis ich eines Tages näheren Kontakt mit einer Spezies Mensch machte, vor der ich heute noch äußersten Respekt habe: die Frommen! Die alles besserwissenden Pietkong! Mein Gott!
„Du bist mit dem Teufel im Bund. Es gibt nur einen wirklichen Heiler, und das ist Jesus Christus“, hielten sie mir vor und eine Hetze begann, die sich auf die eine oder andere Weise durch mein Leben zog. Als Jugendlicher fand ich es schrecklich, vor meinen Freunden in eine solche Ecke geschoben zu werden. Ich schwor mir deshalb, meine Fähigkeiten nie wieder außerhalb der Familie und des engsten Freundeskreises anzuwenden.
Die Jahre zogen ins Land und meinen Schwur konnte ich nicht halten. Ich habe immer wieder Menschen geholfen, wenn sie mich darum gebeten haben. Ich wurde von der Geistigen Welt geführt, habe gelernt und erspürt, wie es geht und was geht, und wurde immer erfahrener. Über die Gabe des Heilens verfüge ich von Kindheit an, aber was sie genau umfasst, wie sie funktioniert und wie sie sich am besten nutzen lässt, musste ich mir erarbeiten. Es war und ist ein kontinuierlicher Wachstumsprozess und es kommen immer wieder neue Aspekte dazu, wenn ich reif dafür bin.
Inzwischen weiß ich, dass ich nicht nur Energien durch mich fließen lassen kann, sondern auch aurafühlig bin. In den äußeren Schichten der menschlichen Geisteshülle kann ich feststellen, wo Schwierigkeiten liegen, wo etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist und nicht mehr stimmt. Ich kann Abweichungen vom ursprünglichen Bauplan wahrnehmen, den wir alle in uns tragen bis zu unserem Tod. Es ist mir gegeben, viele dieser Dinge zu richten und Heilungsimpulse zu geben. Ich werde geführt und kann heilen – nicht alles, aber vieles.
Im Laufe meines Lebens wurde ich immer erfahrener und habe mich intensiv mit dem geistigen Körper des Menschen befasst. Alles, was ich erkläre, beruht immer auf meiner Sicht der Dinge und kann und soll nicht allgemeingültig für alle sprechen. Mir geht es darum weiterzugeben, wie ich es tue und wie ich es sehe.
Ein Aussätziger – Orgelklänge und geistige Bevormundung
Das Kreuz mit der Kirche. Aufgewachsen bin ich als Aussätziger, als Sektenangehöriger. Die da! Die Apostel! So nannte man uns abfällig, weil wir der neuapostolischen Kirche angehörten. Beten die überhaupt richtig? Ich habe diesen neuapostolischen Kirchenclub nie geliebt. Er war eine Zwangsjacke, die mir mein Vater und meine Mutter über meinen Geist gestülpt hatten. In meinen frühesten negativen Kindheitserinnerungen spielt diese religiöse Vereinigung die Hauptrolle. Psychische Gewalt, Unterdrückung, schreiende Prediger, scheinheilige Brüder, falsche Priester und Druck, Druck, Druck.
„Ein Gotteskind macht so etwas nicht!“ Wie oft habe ich das gehört! Einer der Schlimmsten, den ich in meiner Laufbahn dort kennenlernte, war ein Diakon, der im Kindergottesdienst sagte: „Ein Gotteskind...