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Der Islamismus und die westliche Welt - reziproke Einflüsse im Rahmen zunehmender globaler Verflechtungen

reziproke Einflüsse im Rahmen zunehmender globaler Verflechtungen

AutorKatharina Friederich
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl106 Seiten
ISBN9783638592024
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Politik - Internationale Politik - Thema: Frieden und Konflikte, Sicherheit, Note: 1,5, Hochschule Bremen, 135 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Das Thema 'Islamismus' ist heutzutage mehr denn je aktuell. Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 beherrschen islamistische Terroristen einerseits und der 'Krieg gegen den Terror' andererseits die Medien und die öffentlichen Diskussionen auf jeglichem Niveau. Allzu oft wird die Thematik jedoch sträflich oberflächlich behandelt, insbesondere in zweierlei Hinsicht: zum einen dahingehend, dass die islamistische Bewegung auf das Terrornetzwerk al-Qaida reduziert und damit zum Erfüllungsgehilfen eines herbeigeredeten 'Kampfes der Kulturen' apostrophiert wird; zum anderen im Hinblick auf die viel zu selten gestellte Frage nach den Hintergründen für die Popularität der islamistischen Strömung in all ihren Facetten. An diesen Punkten setzt die hier vorliegende Arbeit an. Es soll ein Blick hinter die Kulissen dessen geworfen werden, was landläufig oft völlig unreflektiert mit dem Begriff Islamismus assoziiert wird: Terrorismus, Anschläge, Irakkrieg, Palästinakonflikt, al-Qaida und vielerlei Schlagworte mehr. Der Leser soll in die Lage versetzt werden, tieferliegende Ursachen und Hintergründe rund um die Entwicklung und den Ist-Zustand des Islamismus zu erfassen und zu verstehen. Essentiell ist dafür die Erkenntnis, dass sich die islamistische Bewegung keinesfalls im luftleeren Raum bewegt, sondern seit ihren Ursprüngen immer wieder mit globalen Entwicklungen interagiert hat. In besonderem Maße gilt dies für Einflüsse aus der 'westlichen Welt', die die Entwicklung der islamistischen Strömung direkt und indirekt wesentlich mitgeprägt und in vielerlei Hinsicht Rahmenbedingungen geschaffen haben, die die Ausbreitung des Islamismus gefördert haben und nach wie vor fördern. Doch zunächst soll im an die Einleitung anschließenden zweiten Kapitel das Phänomen Islamismus genauer definiert und seine historische Entwicklung dargelegt werden, von den Ursprüngen im 19. Jahrhundert bis hin zum Zustand der islamistischen Bewegung zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Dieses Kapitel ist wichtig, um zu wissen, worüber man spricht, wenn man über Islamismus spricht. Hier wird ein erster Überblick gegeben, die Basis für eine weitere Beschäftigung mit dem Thema Islamismus gelegt.

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Leseprobe

2.2.3 Aufstieg des Islamismus zum weltpolitischen Faktor


und zunehmendem Einfluss des politisch-ideologischen Islamismus, nationalistische Gruppierungen und Parteien die politischen Systeme in den direkt nach dem Zweiten Weltkrieg oder in den folgenden Jahren unabhängig gewordenen arabischen Staaten, so zum Beispiel unter Gamal Abd an-Nasser in Ägypten. Die Nationalisten und Panarabisten mussten sich auch schon vor 1967 mit dem erstarkenden Islamismus auseinandersetzen, doch durch die verheerende und demütigende Niederlage Ägyptens, Syriens und Jordaniens im Sechstagekrieg 1967 gegen Israel, die für die arabischislamische Welt weit mehr war als eine bloße militärische Niederlage, wurde zuerst der nasseristischen linksnationalistischen Bewegung der Boden unter den Füßen weggezogen, und in der Folge traf diese Schwächung auch die anderen panarabischen und nationalistischen Strömungen im Nahen Osten. Der „Traum von einer arabischen Moderne“ 64 scheiterte und ein „ideologisches Vakuum“ 65 entstand, in das die ohnehin schon starke islamistische Bewegung eindrang und verstand, es auszufüllen. Gleichzeitig hatten die islamischen Staaten bedeutende soziale Umwälzungen zu bewältigen, wobei verschiedene Faktoren aufeinander trafen: Zum einen explodierte das Bevölkerungswachstum regelrecht (mit Zunahmen von 40-50% zwischen 1955 und 1970 überall in der islamischen Welt 66 ) und schuf so „die Generationen, die heute die personelle Basis der islamistischen Bewegungen bilden“ 67 . Zum anderen stieg die Ur-

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niert, nun gab es plötzlich eine Menge junger Leute, die in der Stadt wohnten, gebildet oder zumindest des Lesens fähig waren. Diese waren sich aufgrund ihres bildungstechnischen Hintergrundes ihrer Chancen sehr viel eher bewusst als ihre Eltern, waren aber andererseits oft genug in der Situation, diese Chance nicht nutzen zu können - in beengten und ärmlichen Verhältnissen zu wohnen, keine angemessene oder gar keine Arbeit zu finden, keine soziale Reputation zu haben. Die steigenden Erwartungen dieser Generation konnten weder in gesellschaftlicher, noch in politischer und vor allem auch nicht in wirtschaftlicher Hinsicht erfüllt werden und die Unzufriedenheit wuchs 69 - ein überaus geeigneter Nährboden für eine strikt ablehnende Haltung gegenüber den herrschenden (und somit formal für die Zustände verantwortlichen) Regierungen und eine Zuwendung hin zum Islamismus, der Lösungen verspricht. Die islamistische Bewegung speiste sich seit Anfang der 70er Jahre deshalb im Wesentlichen aus zwei „Anhänger-Quellen“: dem frommen islamischen Mittelschichten-Bürgertum und der mittellosen Jugend in den Städten, die, im Gegensatz zum frommen Bürgertum, im Islamismus auch eine starke sozialrevolutionäre Komponente sah. Dass diese beiden Gruppen letztendlich im Detail divergierende Interessen hatten, verkomplizierte die Lage der islamistischen Bewegung, da Erfolg eigentlich nur möglich war, wenn sie beiden Seiten gerecht wurde. 70 Über die von der Bevölkerung getragene „Islamisierung von unten“ hinaus entwickelte sich in Teilen der islamischen Welt auch eine „Islamisierung von oben“ durch in die jeweilige Staatsideologie übergegangene islamistische Elemente 71 , die man auch versuchte zu exportieren. Das beste Beispiel in dieser Hinsicht bot wohl lange Zeit Saudi-Arabien. Wie schon in Kapitel 2.2.1 erwähnt, basierte die saudi-arabische Ordnung von Beginn an auf einem Bündnis, mehr noch einer Symbiose, zwischen der Familie Saud und der Lehre des Muhammad ibn Abd al-Wahhab, dem Wahhabismus. Dieses Bündnis, das Mitte des 18. Jahrhunderts begründet wurde, hat auch heute, über 250 Jahre später, nichts von seiner Aktualität verloren - im Gegenteil, es ist zu einem grundlegenden Merkmal des saudischen Systems geworden. Der Unterschied liegt allerdings darin, dass sich der Einfluss der Saud mittlerweile nicht mehr nur auf den Najd 72 oder die arabische Halbinsel beschränkt wie im 18. und 19. Jahrhundert, sondern seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts durch den Umstand weltweite Bedeutung erlangt hat, dass sich unter dem Gebiet, das heute innerhalb der Grenzen des Staates Saudi-Arabien liegt, mehr als ein Viertel der Weltölreserven befinden: ein

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in der gesamten islamischen Welt den nationalistischen Strömungen entgegenzusetzen und ihn darüber hinaus auch auf internationaler Ebene zu einem bedeutenden Faktor zu machen. Allerdings ging es nicht um den Islam an sich in seinen verschiedenen Ausprägungen, sondern explizit und ausschließlich um die wahhabitische Interpretation des Islam. Saudi-Arabien hatte den Anspruch, die führende Macht in der islamischen Welt zu sein, und der Wahhabismus in seiner Totalität sollte sich zur einzig legitimen Auslegung des Islam entwickeln - die oben erwähnte „Islamisierung von oben“. Um das zu erreichen, arbeiteten die Saudis mit mehreren Methoden. So machten sie ihre umfangreiche finanzielle Hilfe für Muslime weltweit weitgehend von deren „Rechtgläubigkeit“ abhängig. Des Weiteren finanzierten sie den Bau von 1500 Moscheen weltweit und sorgten mit der 1969 gegründeten „Islamischen Konferenz“, die ihren Hauptsitz in Jidda hat und in der sich Saudi-Arabien von Anfang an stark einbrachte, für einen institutionellen Rahmen zur Ausbreitung des Wahhabismus. Weitere Machtmittel, die den Saudis quasi in den Schoß fielen, waren die Wahhabitisierung der Haj, eine der „fünf Säulen“ des Islam und für jeden Muslim im Normalfall wenigstens einmal im Leben Pflicht, und die große Anzahl an Gastarbeitern, die oft in den Golfstaaten, besonders in Saudi-Arabien, reich wurden und die wahhabitische Auslegung des Islam übernahmen - häufig weil sie darin einen Grund für ihren plötzlichen Wohlstand sahen. 74 Die so geschaffene Vormachtstellung Saudi-Arabiens in der islamischen Welt sollte jedoch Ende der 70er Jahre von den Geschehnissen im Iran bedroht werden. Im Februar 1979 kehrte Ayatollah Khomeini triumphal aus seinem 15jährigen Exil in den Iran zurück; die Islamische Republik Iran wurde ausgerufen und es kam zum ersten Mal in der Geschichte zur „revolutionären Ersetzung eines westlich orientierten säkularen Regimes durch eine politische Ordnung auf dem Boden des Islamismus“ 75 . Diese Ereignisse spielten sich zwar nicht in der arabischen Welt ab; sie sollen dennoch nicht unerwähnt bleiben, da sie zum einen Islamisten in der ganzen Welt zeigten, dass die Errichtung eines islamischen Systems keinesfalls Utopie bleiben muss, und zum ande-

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Mit dem Sturz des Schahs wurde „der Feind im eigenen Land, der den Islam von innen zerstören will“ 77 eliminiert und somit die „Wiederherstellung einer wahrhaft islamischen Gesellschaft, regiert von islamischem Recht“ 78 ermöglicht - das erste Mal in der Geschichte der islamistischen Bewegung. Und zum ersten Mal traten auch die „Islamisierung von unten“ und die „Islamisierung von oben“ unmittelbar und zunächst wechselseitig in Kontakt und bedingten einander - ein wertvolles, weil überzeugendes Pfund, mit dem Saudi-Arabien zum Beispiel nicht wuchern konnte. Die Saudis mussten also andere Wege finden, um den Entwicklungen im Iran etwas entgegenzusetzen, und eine Möglichkeit dazu fand sich östlich des Iran, in Afghanistan. Dort marschierte Ende des Jahres 1979 die Sowjetunion ein, um das in Not geratene afghanische kommunistische Regime zu unterstützen. Dies provozierte heftigen Protest von sowohl westlichen als auch islamischen Staaten und löste in der Folge die Gründung einer islamisch begründeten militanten Widerstandsbewegung aus, die ab 1980 gegen die Kommunisten und die Sowjets kämpften und diesen Kampf religiös als Jihad legitimierten - dementsprechend nannten die Kämpfer sich selbst Mujahidin, ein Ausdruck, der mit dem Afghanistankrieg das erste Mal internationale Bedeutung erlangte. Sie wurden dabei von verschiedenen ausländischen Mächten unterstützt: in erster Linie von Saudi-Arabien, das sich von den sunnitischen Mujahidin ein Gegengewicht zur erfolgreichen schiitischen Revolution im Iran und damit ein Zurückerlangen der saudischen Vorrangstellung in der islamischen und islamistischen Welt erhoffte, und ganz besonders von den USA, die unter allen Umständen eine Expansion des sowjetischen Einflussbereiches verhindern wollte und die muslimischen Kämpfer finanziell unterstützte, mit Waffen belieferte und durch die CIA von amerikanischer Geheimdienstarbeit profitieren ließ. Die Sowjets zogen 1989 gedemütigt aus Afghanistan ab, doch die Folgen dieser zehn Jahre waren und sind weit einschneidender - für die Region, den Islam, die muslimischen Länder, die islamistische Bewegung und letztendlich für die gesamte Welt. Zwar hatten radikale islamistische Gruppen auch schon vor Afghanistan gewalttätige

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