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In der Regel bin ich stark

Endometriose: Warum wir unsere Unterleibsschmerzen ernst nehmen müssen.

AutorAnna Wilken
VerlagEden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783959102360
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
»Stell Dich nicht so an!« - das hat Anna Wilken viel zu oft gehört. Sie leidet an Endometriose, einem weit verbreiteten Frauenleiden, welches bis heute oft verharmlost wird - acht Jahre vergehen durchschnittlich bis zur korrekten Diagnose. Der Alltag von Betroffenen ist oft stark eingeschränkt, und es gibt keine Aussicht auf Heilung, nur Linderung der Symptome ist möglich. Die Endometriose nimmt oft einen chronischen Verlauf: Bei bis zu 70 Prozent der Frauen, die wegen Unfruchtbarkeit behandelt werden, wird Endometriose festgestellt. Auch die Autorin brauchte Jahre, bis sie diagnostiziert wurde. Mit ihrem Buch möchte die Autorin Leserinnen ermuntern, ihre Symptome ernst zu nehmen und sich frühzeitig Unterstützung zu holen. Sie gibt einen Überblick über Therapiemöglichkeiten und erzählt, wie sie ihre Schmerzen in den Griff bekommt. Das Buch holt Frauen ab, die schon länger mit der Diagnose leben, spricht aber auch die an, die noch nicht diagnostiziert sind, aber endlich ernstgenommen werden müssen: Denn Endometriose ist nichts für Memmen!

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Leseprobe

Als Frieda mit dem Zickenterror begann


Ich erinnere mich noch genau an den Morgen, an dem ich im Halbschlaf das nasse Laken unter mir spürte. Sofort schlug ich die Bettdecke auf und sah einen riesigen Blutfleck. Erschrocken rief ich nach meiner Großmutter, bei der ich übernachtet hatte. Sie war, wie immer, lange vor mir aufgestanden und kam gleich herbeigeeilt. »Dann hast du jetzt wohl deine Periode, Anna«, sagte sie.

Zugegeben, da hätte ich auch selbst draufkommen können, aber im ersten Moment war ich einfach total überrumpelt gewesen. Meine Oma staunte, dass ich »so früh dran« war. Keine meiner Freundinnen hatte schon ihre Tage. Überhaupt waren wir mit gerade mal zwölf Jahren allesamt noch eher kindlich und beschäftigten uns nicht großartig mit dem, was in unseren Körpern an vorpubertären Prozessen ablief.

Doch wenn ich mich heute mit anderen Endometriosepatientinnen über den Zeitpunkt ihrer ersten Regelblutung unterhalte, reagieren sie oft sogar überrascht: »Was, so alt warst du schon?« Einige Endometrioseerkrankte bekommen ihre Regel sogar noch viel früher. Manche bereits im Alter von acht oder neun Jahren. Was übrigens ein erstes Indiz für eine mögliche Endometriose sein kann. Und ich sage hier bewusst »kann«, denn nicht jedes Mädchen, das schon früh ihre Periode bekommen hat, ist betroffen. Auch ich rannte damals nicht panisch zum Frauenarzt. Meine Oma gab mir einfach eine Binde und damit war »die Gefahr« zunächst gebannt.

Agnieszka M., 26 Jahre:

Als ich zehn Jahre alt war, bekam ich meine Periode. Ich werde diesen Morgen niemals vergessen. Nach dem Aufstehen stellte ich auf der Toilette fest, dass ich blutete. Panisch rief ich meine Mutter an, die bereits das Haus verlassen hatte. Sie sagte mir, wo ich Binden fand und ließ sich dann von der Arbeit befreien – das erste von vielen Malen. In der Grundschule kamen während des Unterrichts ganz starke Schmerzen hinzu, und ich spürte, wie große Mengen Blut aus mir herausschossen. Unter einem Vorwand ging ich wieder nach Hause – ebenfalls das erste von vielen Malen.

Erste Beschwerden


So unbemerkt, wie sich meine erste Regelblutung angeschlichen hatte, verhielt es sich mit den folgenden Zyklen allerdings nicht mehr. Intervallartig tauchten die Beschwerden im Bauchraum auf. Natürlich konnte ich diese weder richtig benennen noch lokalisieren. War es der Magen? Der Darm? Der Unterleib?

Meiner Mutter gegenüber sprach ich immer von »Bauchschmerzen«. Da auch sie an übermäßigen Regelschmerzen leidet, ordneten wir die Ursache zunächst meiner Periode zu. Gerade weil ich wirklich starke Blutungen hatte und die stechenden Krämpfe an den ersten Tagen meiner Menstruation oft so heftig waren, dass ich nicht in die Schule gehen konnte.

Gekrümmt vor Schmerzen lag ich im Bett, konnte mich kaum bewegen. Manchmal half es mir, mich mit einer Wärmflasche unter die Decke zu verziehen, aber es gab auch Tage, da ging ohne Ibuprofen gar nichts mehr. Ab dem dritten Tag ließen die Beschwerden dann meist ein wenig nach, und ich konnte mich unter halbwegs erträglichen Schmerzen zumindest wieder in den Unterricht schleppen.

Trotzdem toppten meine Fehlzeiten in der Schule schon bald die meiner Mitschülerinnen. Auch am Sportunterricht konnte ich nicht regelmäßig teilnehmen, womit ich bei meiner damaligen Sportlehrerin auf totales Unverständnis stieß. Jede Frau hätte schließlich ihre Periode und so schlimm wäre das ja wohl nicht, sagte sie immer.

Selbst wenn ich nicht gerade meine Tage hatte, war ich körperlich nicht sehr belastbar, sodass mir meine Mutter ständig Entschuldigungen schreiben musste. Denn irgendwas war immer. Hatte ich mal keine Unterleibskrämpfe, litt ich unter Rückenschmerzen. War der Rücken wieder okay, dann hatte ich Kopfweh. Das Ganze trieb mich regelrecht in den Wahnsinn! Nicht nur weil ich dadurch Probleme in der Schule bekam, sondern auch weil ich in meiner Freizeit dauernd genervt und eingeschränkt war. Zum Beispiel Freunden absagen musste, da ich mit Krämpfen im Bett lag oder einfach zu erschöpft war, um woanders abzuhängen als auf der Couch.

Um abzuklären, warum ich unabhängig von meinem Zyklus ständig tausend Zipperlein hatte, suchten wir letztendlich unseren Hausarzt auf – nach knapp einem Jahr.

Er tastete meinen Bauch ab und stellte mir viele Fragen. Wo genau ich Schmerzen hätte, wie häufig diese auftreten würden und was ich dagegen täte. Anhand der Symptome und aufgrund der Intensität meiner Schmerzen vermutete er die Ursache tendenziell im Unterleib und überwies mich deshalb zum Gynäkologen. Dort sollte ich nach Zysten und anderen möglichen Auslösern untersucht werden. Bis dato war ich noch nie beim Frauenarzt gewesen. Dementsprechend hatte ich ordentlich Respekt vor »meinem ersten Mal«.

Generell stehe ich Ärzten nicht sonderlich entspannt gegenüber. Seit ich mich erinnern kann, hatte ich Angst vor jedem Arztbesuch. Schon als Kleinkind hatte ich dem Zahnarzt einmal in die Finger gebissen, als er versuchte, in meinen Mund zu schauen. Ich selbst erinnere mich nicht an diesen Vorfall, meine Mutter dafür umso besser. Und weil sie mich nun mal kennt wie niemand sonst, war ihr sofort klar, dass ich nicht gerade scharf darauf war, auf einen gynäkologischen Stuhl zu klettern. Schon gar nicht bei einem fremden Arzt, von dem sie selbst nicht wusste, wie er mit seinen Patientinnen umging. Darum bekniete sie die Sprechstundenhilfe der Frauenarztpraxis, in der sie selbst Patientin war, mich ausnahmsweise noch aufzunehmen. Eigentlich hatte diese nämlich Annahmestopp.

2009 : Mit 13 der erste Besuch bei der Gynäkologin


Frühmorgens, noch vor der Schule, setzte meine Mutter mich dort ab. Während sie das Auto parkte, ging ich schon mal zur Anmeldung und nahm anschließend im Wartezimmer Platz. Ich machte mir fast in die Hosen vor Angst, und das im wahrsten Sinne des Wortes: Ständig musste ich aufs Klo. Ich kannte niemanden, der so eine schwache Blase hatte wie ich. Und wenn meine Blase richtig voll war, tat es beim Wasserlassen auch weh. Also rannte ich noch mal schnell zur Toilette. Nicht dass ich während der Untersuchung plötzlich musste.

Apropos Untersuchung: Musste das Ganze wirklich sein? Ich wollte einfach nur weg hier …

In der Zwischenzeit war meine Mutter eingetroffen. »Du musst keine Angst haben, Anna. Die Ärztin ist wirklich vorsichtig«, versuchte sie, mich zu beruhigen.

Aber was von ihr bloß nett gemeint war, machte mich nur noch nervöser – und meine Mutter musste als Ventil herhalten.

»Hör auf, mir vorzuschreiben, wovor ich Angst haben darf und wovor nicht!«, fuhr ich sie an. Ungerechterweise, wie mir heute klar ist, aber panische Dreizehnjährige sind nun mal selten gerecht.

Wahrscheinlich war mein Zickenterror letztendlich der Grund dafür, dass sie bei der Untersuchung gar nicht dabei war. In meinem Zorn hatte ich behauptet, ich brauche sie nicht – was ich später im Behandlungszimmer schwer bereute. Denn als mein Blick auf diesen Stuhl fiel, der leider sehr an ein Folterinstrument erinnerte, hätte ich sie schon gern dabeigehabt. Dieser Anblick war zu viel für meine Nerven. Genau in dem Augenblick, in dem die Gynäkologin das Zimmer betrat, brach ich in Tränen aus.

Doch gleich wurde mir klar, warum meine Mutter so viel darangesetzt hatte, dass genau diese Frauenärztin mich untersuchen würde. Sie war sehr einfühlsam und schaffte es schnell, mich zu beruhigen, indem sie mir ganz genau erklärte, wie wir gleich vorgehen würden. Sie zeigte mir, welche Instrumente sie bei der Untersuchung benutzen würde und versicherte, dass ich jederzeit Bescheid geben könnte, wenn mir etwas unangenehm wäre.

Ich wiederum erzählte ihr davon, wie oft ich aufgrund der Schmerzen nicht in die Schule gehen konnte oder Treffen mit Freunden absagen musste.

Nachdem wir also ausführlich miteinander gesprochen hatten, stand der gefürchtete Moment der körperlichen Untersuchung an. Den unteren Teil meines Körpers freigemacht, kletterte ich auf den Stuhl, legte meine Beine rechts und links in die dafür vorgesehenen Stützen, sodass die Frauenärztin mit ihrem Hocker genau zwischen meinen Schenkeln Platz nehmen konnte.

Dass es ein Gerät gibt, mit dem man einen inneren Ultraschall macht, war mir völlig neu. In den ganzen Krankenhausserien im Fernsehen zeigen sie einem ja immer nur den süßen Klassiker: ein bisschen Gel auf einen kugelrunden Schwangerschaftsbauch auftragen, fertig. Niemand käme da auf die Idee, der Patientin einen Ultraschallkopf vaginal einzuführen. Doch genau das musste die Ärztin tun, um meinen Uterus, die Eierstöcke und die Eileiter genau untersuchen zu können.

Zu Beginn war es etwas unangenehm, eine Art Druckgefühl, aber weil ich genau wissen wollte, wie mein Körper funktioniert, konzentrierte ich mich darauf, der Frauenärztin aufmerksam zuzuhören, die mir wirklich jeden einzelnen Schritt erklärte – das lenkte mich ab.

Nachdem sie mich noch abgetastet und einen Abstrich genommen hatte, setzten wir uns wieder an ihren Schreibtisch.

»Es gibt da so was …«, begann sie. »Die Krankheit nennt sich Endometriose.«

Endo-was? Durch meinen Kopf tanzten lauter Fragezeichen. Was sollte das denn sein?

Nur bruchstückhaft drang ihre Erklärung zu mir durch. Irgendwas von wucherndem Gewebe außerhalb des Uterus, das stark der Gebärmutterschleimhaut ähnelt. Was auch immer sie mir damit sagen wollte, sie hätte es auch auf Chinesisch tun können, denn ich verstand kein Wort.

Da man diese Erkrankung nicht per Ultraschall...

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