Persönlichkeitsschlüssel Nr. 2
Selbstvertrauen
Unser zweiter Schlüssel, bei dem wir mal überprüfen müssen, ob er noch in das Schlüsselloch passt, heißt Selbstvertrauen. Aber was bedeutet eigentlich Selbstvertrauen? Nehmen wir auch hier das Wort mal auseinander: Wer diesen Schlüssel besitzt, der vertraut sich selbst, vertraut seinen eigenen Kräften und Fähigkeiten und steht zu dem, was er tut. Dass man anderen nicht immer vertrauen kann oder auch nicht immer vertrauen sollte, das, glaube ich, hat jeder von uns schon mal erlebt. Selbst in unserer Tierwelt musste man schon Erfahrung mit Vertrauen machen.
Sicherlich kennen Sie die Geschichte von dem kleinen Vogel, der hoch oben durch die Lüfte flog. Es war ein ganz eisiger Winter und der kleine Vogel erfror auf einmal, mitten im Flug, und stürzte zu Boden. Da kam eine Kuh vorbei und ließ einen Fladen auf diesen kleinen Vogel fallen. Der warme Dung taute den kleinen Kerl wieder auf. Vor Freude begann der zu zwitschern. Das hörte eine Katze und die grub den kleinen Kerl aus und verspeiste ihn.
Und nun die Moral von der Geschichte:
Nicht jeder, der dich bescheißt, ist dein Feind. Nicht jeder, der dich aus der Scheiße holt, ist dein Freund. Und wenn du tief in der Scheiße steckst, dann halt am besten den Schnabel.
Tja, Sie sehen also, Vertrauen ist schon so eine Sache. Aber wie sieht es denn mit uns selbst aus? Vertrauen wir eigentlich uns selbst? Vertrauen Sie sich selbst?
Sie werden jetzt unsere erste kleine Mentalübung kennenlernen. Diese Übung heißt „Der Fremde bin ich“. Ich erkläre Ihnen aber den Ablauf der Mentalübung erst einmal. Jede Mentalübung umfasst einen Entspannungsteil, einen Aufgabenteil und zum Schluss einen Munterwerd-Teil. Der Entspannungsteil und der Munterwerd-Teil sind bei allen Mentalübungen gleich. Lediglich der Aufgabenteil ändert sich.
Der Entspannungsteil:
Nehmen Sie bitte zu jeder Übung auf einem Stuhl oder einem Sessel eine bequeme aufrechte Sitzhaltung ein und lockern Sie dazu bitte einengende Kleidungsstücke wie zum Beispiel Ihren Gürtel oder die Krawatte. Stellen Sie bitte Ihre beiden Füße auf den Boden, Ihre Hände liegen bequem auf den Oberschenkeln oder in Ihrem Schoß. Ziehen Sie Ihre Schultern nicht hoch, sondern lassen Sie sie einfach ganz entspannt nach unten fallen. Ihr Kopf ist aufrecht, sodass der Nackenbereich sich ganz entspannen kann. Richten Sie Ihre Augen leicht nach oben und suchen Sie sich einen Punkt an der Decke oder an der Wand, konzentrieren Sie sich auf ihn und versuchen Sie, so lange wie möglich nicht zu blinzeln.
Wenn Sie merken, dass Ihre Augen schwer werden und zufallen wollen, dann schließen Sie Ihre Augen, entspannen Sie sich und halten Sie Ihre Augen bis zum Ende der Übung geschlossen. Obwohl Ihre Augen geschlossen sind, bleiben Sie voll aktionsfähig. Wenn es erforderlich ist, können Sie ganz einfach die Augen öffnen, Sie sind dann hellwach und zufrieden und können angemessen handeln.
Atmen Sie dann 3 x tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus und bei jedem Atemzug stellen Sie sich im Geiste vor, wie eine wunderschöne weiße Feder ganz langsam aus der Höhe zu Boden gleitet. Stellen Sie sich vor, wie mit jedem Ausatmen verbrauchte Energie aus Ihrem Körper hinausströmt und mit jedem Einatmen frische, gesunde Energie hereinfließt. Wichtig ist immer wieder, dass Sie tief durch die Nase einatmen und durch den Mund wieder ausatmen.
Der Munterwerd-Teil:
Nach dem Aufgabenteil gewöhnen Sie Ihren Körper und Geist bitte langsam daran, wieder aktiv zu werden. Sie begeben sich in diesem Teil der Übung wieder auf den Weg nach oben in Ihr Bewusstsein. Dazu zählen Sie langsam von 1 bis 10. Bei 10 werden Sie die Augen öffnen, Sie werden sich gut und total entspannt fühlen.
Der Aufgabenteil:
Bei dieser Übung läuft der Aufgabenteil wie folgt ab: Sie stellen sich bitte nach Ihrem Entspannungsteil einen typischen Alltagsablauf von Ihnen selbst vor. Vielleicht sind Sie in einem Büro, dann könnten Sie sich ein Telefonat mit einem Lieferanten vorstellen. Oder Sie sind Verkäufer(in), dann stellen Sie sich ein Kundenverkaufsgespräch vor. Oder Sie sind Hausfrau oder Hausmann, dann könnten Sie sich vorstellen, wie Sie Ihre Gäste bewirten, z. B. bei einer Geburtstagsparty. Stellen Sie sich diese Tätigkeit auf Ihrer geistigen Leinwand einen Moment vor und schlüpfen Sie dann, im Geiste natürlich nur, aus Ihrer Haut heraus, stellen Sie sich direkt neben sich und dann beobachten Sie sich einmal selbst. Also, es gibt Sie in diesem Moment zweimal, einmal als herausgeschlüpfte Person und die andere Person ist das Fremde Ich. Sie stehen direkt neben sich, wie ein Fremder, und beobachten sich selbst, wie Sie aussehen, wie Sie arbeiten und wie Sie sich verhalten. Wenn Sie denken, Sie haben sich nun genug beobachtet, dann schlüpfen Sie wieder in Ihren Körper zurück. Danach machen Sie Ihren Munterwerd-Teil und zählen dazu langsam von 1 bis 10.
Wenn Sie Lust haben, dann machen Sie jetzt ruhig mal diese Übung. Wenn Sie möchten, können Sie dazu auch eine schöne Entspannungsmusik auflegen.
Haben Sie die Übung gemacht? Wie fanden Sie es? War es mal interessant, neben sich zu stehen und sich zu beobachten? Versuchen Sie nun, die daraus gewonnenen Eindrücke aufzuschreiben. Notieren Sie das, was Sie gut fanden, aber auch das, was Sie nicht so gut fanden. Wenn Ihnen keine Zweifel gekommen sind, dann ist es okay, dann haben Sie ein gesundes Selbstvertrauen, und zwar auf diese Situation bezogen, die Sie sich eben vorgestellt haben. Wenn Ihnen jetzt aber Zweifel gekommen sind, ist Ihr Selbstvertrauen nicht ganz abgerundet. Dann sollten Sie sich fragen, warum Sie dieser anderen Person, also diesem Fremden Ich (was ja eigentlich Ihr Spiegelbild war), nicht vertrauen? Woran liegt es?
Vielleicht hielt der Fremde nicht das, was er sagte, vielleicht war er auch sehr unordentlich oder ungepflegt, oder war er gar zu aufdringlich?
Wenn Sie die Antwort gefunden haben, dann fragen Sie sich selbst ganz ehrlich, ob Sie selbst denken, dass diese Antworten auch auf Sie persönlich zutreffen. Wenn Ihnen das Aussehen, die Arbeitsweise oder das Verhalten dieses Fremden Ichs missfallen hat, dann gefällt Ihnen ja Ihr eigenes Aussehen, Ihre eigene Arbeitsweise oder Ihr eigenes Verhalten nicht.
Beispiel: Ihnen hat missfallen, dass dieses Fremde Ich im Verkaufsgespräch oder am Telefon sehr aufdringlich war. Dann sollten Sie sich fragen: Bin ich auch etwas aufdringlich gegenüber meinen Kunden? Wenn ja, dann schreiben Sie auf, wie Sie das Verkaufsgespräch führen könnten, ohne aufdringlich zu wirken. Hierzu könnten Sie sich diese Situation mit dem Fremden Ich nochmals positiv vorstellen, also so, wie sich das Fremde Ich hätte verhalten sollen, damit Sie von ihm total begeistert gewesen wären. Wenn Sie dann die erste Situation, wo Sie nicht so begeistert waren, mit der nun positiven Situation vergleichen, erkennen Sie genau, was Sie ändern müssten.
Solange Sie mit dem, was Sie sind, was Sie tun und wie Sie es tun, nicht hundertprozentig zufrieden sind, können Sie auch kein aufrichtiges Vertrauen zu sich aufbauen.
Bedenken Sie, dass Sie so, wie Sie sich jetzt in dem Spiel gesehen haben, auch von anderen Personen gesehen werden.
Mein TIPP: Machen Sie öfter mal dieses Spiel, das Fremde Ich, und zwar immer mal mit einer anderen Situation. Anschließend fragen Sie sich selbst, ob Sie all das, was der andere (Fremde Ich/Ihr Spiegelbild) machte, gut und korrekt fanden. Ist es nicht der Fall, dann sollten Sie an diesem Punkt arbeiten, indem Sie sich die gleiche Situation noch einmal vorstellen, allerdings mit einem positiven Verlauf.
Oft bekommt unser Selbstvertrauen auch einen kleinen Dämpfer dadurch, dass wir Dinge über andere Personen hören, die uns im ersten Moment innerlich sehr negativ berühren. Oft stellt sich aber nachher heraus, dass an der Geschichte überhaupt nichts Wahres dran ist. Über dieses Problem diskutierte ich einmal mit einer Mandantin, die mir daraufhin, einige Zeit nach unserem Gespräch, die Geschichte der „drei Siebe“ von Sokrates erzählte. Ursprung nach Äsop - nacherzählt.
Eines Tages kam ein Bekannter zum griechischen Philosophen Sokrates gelaufen.
„Höre, Sokrates, ich muss dir etwas erzählen, wie dein Freund ...“
„Halt“, unterbrach ihn der Philosoph.
„Hast du das, was du mir jetzt sagen willst, schon durch drei Siebe gesiebt?“
„Drei Siebe? Wie? Welche drei Siebe?“, fragte der andere verwundert.
„Ja, die drei Siebe! Das erste ist das Sieb der Wahrheit. Hast du das, was du mir erzählen möchtest, schon geprüft, ob es auch wahr ist?“
„Nein, ich hörte es nur von jemandem und ...“
„Moment, du hast aber doch sicher mit dem zweiten Sieb, dem Sieb der Güte, geprüft. Ist das, was du mir erzählen willst, wenn es schon nicht wahr ist, wenigstens gut?“
Der andere zögerte. „Nein, das ist es eigentlich nicht. Ganz im Gegenteil, es ...“
„Halt“, unterbrach ihn Sokrates wieder, „nehmen wir noch das dritte Sieb und fragen uns, ob es notwendig ist, dass du mir das erzählst, was dich so zu erregen scheint.“
„Na ja, notwendig ist es eigentlich auch nicht ...“
„Also“, lächelte der Weise, „wenn das, was du mir eben erzählen wolltest, weder wahr noch gut noch notwendig ist, so vergiss es einfach und belaste weder mich noch dich damit.“
Haben Sie schon mal eine Situation erlebt, wo Sie mit...