KAPITEL 2
Was für Probleme, was für Bilder, und wer ist überhaupt »wir«?
Was Sie hoffentlich aus diesem Buch lernen können
nfang des Jahres arbeitete ich innerhalb von nur zehn Wochen mit vier sehr unterschiedlichen Unternehmen zusammen – Google, eBay, Wells Fargo und Peet’s Coffee and Tea –, um sie in vier sehr unterschiedlichen geschäftlichen Fragestellungen zu beraten: Festlegen einer Geschäftsstrategie, Einführung eines neuen Produkts, Entwerfen einer Technologieplattform und Start einer neuen Verkaufsinitiative. Oberflächlich gesehen hatten die vier Unternehmen und ihre vier Probleme nichts gemeinsam: Suche, Verkauf, Bankenwesen und Getränkeherstellung. Normalerweise hätte jedes von ihnen eines anderen Problemlösungsansatzes bedurft.
Aber unter der Oberfläche hatten sie alle etwas gemeinsam: Die Probleme waren schwer zu erkennen und ihre Lösungen nahezu unsichtbar. Das war der Punkt, an dem visuelles Denken ins Spiel kam: Jedes Problem kann mit einem Bild deutlicher gemacht werden, und jedes Bild kann mithilfe derselben Werkzeuge und Regeln erstellt werden.
Das ist es, was Sie hoffentlich aus diesem Buch mitnehmen werden – eine neue Sichtweise von Problemen und eine neue Sichtweise von Lösungen. Ich möchte, dass Sie dieses Buch in derselben Zeit lesen können, die Sie brauchen, um von einer Küste zur anderen zu fliegen, damit Sie am nächsten Tag Ihren Konferenzraum, Ihren Hörsaal oder Ihr Büro betreten und unverzüglich anfangen können, Probleme anhand von Bildern zu lösen.
Probleme? Was für Probleme?
Wenn ich mich sagen höre: »Wir können Probleme mithilfe von Bildern lösen«, kommen mir immer sofort drei Fragen in den Sinn: Erstens, was für Probleme? Zweitens, was für Bilder? Und drittens, wer ist »wir«?
Fangen wir mit den Problemen an. Welche davon können mithilfe von Bildern gelöst werden? Die Antwort lautet: praktisch alle. Denn Bilder können komplexe Konzepte darstellen und riesige Mengen an Informationen zusammenfassen, und zwar so, dass es für uns leicht zu erkennen und zu begreifen ist, sie sind hilfreich beim Verdeutlichen und Lösen von Problemen aller Art: geschäftliche Belange, politische Sackgassen, technische Vielschichtigkeiten, organisatorische Zwickmühlen, planerische Konflikte, sogar persönliche Herausforderungen.
Da ich nun mal ein Geschäftsmann bin und mit anderen Geschäftsleuten zusammenarbeite, haben die Probleme, mit denen ich normalerweise konfrontiert werde, etwas mit Geschäften zu tun: Teammitgliedern beibringen, wie ein System funktioniert und welche Position sie darin innehaben, Entscheidungsträgern beim Sortieren ihrer Gedanken und beim Vermitteln ihrer Ideen an andere helfen, einen Markt beurteilen und die potenziellen Auswirkungen von Veränderungen auf ein Produkt einschätzen.
Da es bei diesen Problemen typischerweise um viel Geld geht und sie Auswirkungen auf die Arbeitsplätze vieler Menschen haben – und da das Verständnis ihrer entscheidenden Nuancen typischerweise jahrelanges Lernen und persönliche Erfahrung erfordert –, ist es leicht, diese Probleme als spezifisch geschäftlich zu betrachten. Aber das sind sie gar nicht. Für eine Einführung in das visuelle Denken ist es viel erhellender, diese Probleme als repräsentativ für eine größere Anzahl häufiger Herausforderungen zu sehen, denen wir alle täglich gegenüberstehen, sowohl im geschäftlichen als auch im privaten Leben.
Wenn wir das große Ganze betrachten, bündele ich die meisten Probleme zu den folgenden grundlegenden (und vertrauten) Kategorien.
DIE SECHS PROBLEM-»BÜNDEL« (DIE 6 W)
| 1. Wer- und Was-Probleme. Herausforderungen in Bezug auf Dinge, Menschen und Rollen. - Was geschieht um mich herum, und wohin gehöre ich?
- Wer hat die Leitung, und wer gehört noch dazu? Wo liegt die Verantwortung?
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| 2. Wie-viel-Probleme. Herausforderungen in Bezug auf Messen und Zählen. - Haben wir genug X, um damit auszukommen, solange wir es brauchen?
- Wie viel X werden wir brauchen, um weitermachen zu können? Wenn wir dies hier erhöhen, können wir dann jenes dort senken?
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| 3. Wann-Probleme. Herausforderungen in Bezug auf Planung und Zeitablauf. - Was kommt als Erstes, und was kommt danach?
- Wir haben eine Menge zu erledigen: Wann sollen wir das alles machen?
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| 4. Wo-Probleme. Herausforderungen in Bezug auf Richtung und Zugehörigkeit. - Wohin gehen wir? Zielen wir in die richtige Richtung, oder sollten wir einen anderen Weg einschlagen?
- Wie passen all diese Teile zusammen? Was ist am wichtigsten, was ist weniger wichtig?
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| 5. Wie-Probleme. Herausforderungen in Bezug auf gegenseitige Beeinflussung. - Was passiert, wenn wir dies tun? Oder jenes?
- Können wir die Ergebnisse ändern, wenn wir unsere Handlungen verändern?
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| 6. Warum-Probleme. Herausforderungen in Bezug auf das Erkennen des großen Ganzen. - Was tun wir eigentlich und warum? Ist es das Richtige, oder sollten wir etwas anderes tun?
- Wenn wir etwas ändern müssen, welche Optionen haben wir? Wie können wir entscheiden, welche dieser Optionen die besten sind?
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Im Laufe der Jahre habe ich Bilder gesehen oder erschaffen, die Probleme aller sechs Kategorien lösen konnten. Da dieses simple 6-W-Modell praktisch jedes Problem abdeckt, mit dem ich meines Wissens jemals zu tun hatte, wird es uns im Verlauf dieses Buches immer wieder begegnen. Vor einiger Zeit, zu Anfang meiner Initialzündung in Richtung visuelle Problemlösung, habe ich sogar ein kleines Mantra dazu erfunden: »Jedes Problem kann mit einem Bild gelöst werden.« Ich habe das so oft gesagt, dass ich meine Kollegen in den Wahnsinn getrieben habe, besonders bei Projekten wie dem folgenden.
Problembeispiel Nummer eins: Daphne und die Informationsüberflutung
Ein paar Jahre nach meiner London-Reise erhielt unsere Beratungsfirma einen Telefonanruf von einer potenziellen Kundin. Die Anruferin – nennen wir sie Daphnea – war die stellvertretende Leiterin der Kommunikationsabteilung eines großen Verlags, und Daphne hatte eine Identitätskrise. Ihr Unternehmen, ein Konzern mit 10 Milliarden Dollar Jahresumsatz, der Fachleute weltweit mit Business-Informationen versorgte, hatte bei einer Branchenumfrage soeben erschreckend niedrige Werte erzielt. Es war nicht so, dass die Fachleute das Unternehmen negativ beurteilten – das Problem war, dass trotz der Größe der Firma niemand je von ihr gehört hatte.
Das war nicht nur ein Problem der Wahrnehmung; dieser Mangel an Anerkennung warf ein noch viel größeres finanzielles Problem auf. Das Unternehmen wollte in ein paar Jahren an die New Yorker Börse gehen, und wenn keiner wusste, wer es war, würde auch keiner seine Aktien kaufen. Was Daphne also brauchte, war eine Möglichkeit, um dem Namen ihrer Firma bei den Investoren zu mehr Bekanntheit zu verhelfen, und dabei musste sie strategisch vorgehen. Wenn sie Millionen Dollar ausgab, um die Marke zu bewerben, brauchte sie schon einen wasserfesten Plan in der Tasche und eine kristallklare Vision vor Augen. Selbst nachdem das Wann (in zwei Jahren), das Wo (USA, besonders New York) und das Warum (Aufmerksamkeit der Investoren wecken) festgezurrt waren, musste Daphne immer noch die Fragen nach dem Wer, dem Was und dem Wie beantworten.
Um zu erfahren, was Investoren und Kunden über ihr Unternehmen und über die Konkurrenz wussten, beauftragte Daphne eine Firma für Markenforschung, in alle Welt auszuschwärmen und es herauszufinden.
Über einen Zeitraum von drei Monaten führte die Firma persönliche Interviews mit Hunderten von Entscheidungsträgern in Unternehmen und telefonierte mit weiteren Hunderten. Es war ein umfangreiches und teures Unterfangen und erbrachte, wie erhofft, eine enorme Menge an Daten.
Das Problem war, es erbrachte zu viel, und deshalb rief Daphne uns an. Ihr Ziel war es nicht, alles über das Verlagswesen zu wissen; sie wollte nur die richtigen Dinge wissen, die ihr helfen würden, ihren Plan und ihre Vision zu verwirklichen. Am meisten wollte Daphne letztlich, dass wir ihr zu erkennen halfen, was diese Daten tatsächlich aussagten.
Daphne mailte uns alle Dokumente der Umfrage. Es gab Dutzende davon, eins dicker und ausführlicher als das andere. Selbst die Datei »Kurzfassung« war 60 Seiten stark und zum Bersten voll mit mehr Informationen, als wir in den zwei Wochen, die Daphne uns eingeräumt hatte, verarbeiten konnten. Dies ist nur ein Ausschnitt aus einem der Dokumente, die Daphne uns weitergeleitet hat.
Es war ein sprudelnder Quell von Stichpunkten und Charts. Die ersten paar Tage brachten wir damit zu herauszufinden, was am wichtigsten war...