1 Einleitung: Der sicherheitspolitische Diskurs um Umweltgefahren vor dem Hintergrund weltpolitischer Umbruchsituationen
Zwei weltpolitische Entwicklungen bilden den Rahmen für einen beginnenden sicherheitspolitischen Diskurs um Umweltgefahren.
Zum einen änderte sich 1989 die Klarheit und Stabilität der Weltpolitik schlagartig. Der Kalte Krieg mit seiner Ost-West-Konfrontation unter Vorherrschaft der beiden Supermächte USA und Sowjetunion und dem dazugehörigen Blöckedenken hatte eine Welt in klaren Linien geschaffen. So wird 1989 auch als tiefgreifender Wendepunkt in den internationalen Beziehungen bezeichnet. Mit dem Zusammenbruch des ‚real existierenden Sozialismus’ ging eine Epoche gesellschaftlicher Entwicklungsmodelle zu Ende. Was folgte waren neue sich turbulent verändernde und in vielerlei Hinsicht unübersichtliche weltweite politische und ökonomische Verflechtungen. So stehen u.a. Sarajevo und Bagdad für die neuen Konfliktpotentiale. Der rasant voranschreitende Prozess der Globalisierung hat die Welt ökonomisch und medial entgrenzt. Desorientierung und De-Territorialisierung prägen eine Welt der Postmoderne, die sich mit neuen Erfahrungen von Raum und Zeit auseinandersetzen muss. Sicherheitspolitik wurde vor 1989 in festen monolithischen Kategorien gedacht und war ausschließlich auf die Abwehr zwischenstaatlicher militärischer Bedrohungen gerichtet. In der Zeit nach 1989 entstanden vielfältige neue, territorial nicht abgrenzbare, Bedrohungen für die einstmals nationalstaatlich definierte Sicherheit, zu denen auch die Folgen von globalen Umweltveränderungen gezählt werden können.
Zum anderen wurden intensiv nach dem Ende des Kalten Krieges, beginnend aber schon in den 1970ern und 1980ern, ökologische Fragen und Probleme, wie das Ozonloch, der Verlust an Biodiversität und der Klimawandel zu globalen Belangen. Es gibt seit dieser Zeit so etwas wie eine gemeinsame ‚Weltumwelt’, die zum Gegenstand der Analyse, vor allem aber auch einer Art von Problemmanagement durch internationale Agenturen, Verträge und Regime wurde. So kreiert die Politik des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts eine neue macht- und wissensbasierte Form der Regionalisierung der Welt in ökologische Gefahrenherde und weltpolitisch zu managende Zonen. Um die ökologische Dimension der gegenwärtigen politischen Debatte zu verstehen, reicht es aber nicht bloß, das Aufkommen des mittlerweile vielfältig besetzten und deshalb oft wertlos gewordenen Begriffes der nachhaltigen Entwicklung (‚sustainable development’) und seiner internationalen Verankerung in zahlreichen internationalen Konferenzen erklären zu können, sondern ist es vielmehr wichtig, zu zeigen, dass ökologische Themen großes politisches Gewicht haben, weil sie als internationale Gefahrenquelle für Wohlstand und Gesundheit gesehen werden.
In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass Wissen nicht neutral, sondern interessengeleitet genutzt wird, um Macht zu erhalten oder zu gewinnen. Die Arbeit ist interdisziplinär im Überschneidungsbereich zwischen Geographie und Politikwissenschaft angesiedelt. Sie beschäftigt sich mit den Konsequenzen des globalen Umweltwandels für die Sicherheits- und Entwicklungspolitik im nationalen und globalen Maßstab und mit Redefinitionen alter sicherheitspolitischer Paradigmen. Forschungsansätze zur Verbindung von Umweltveränderungen und Konflikten sowie ihre Verankerung in verschiedenen Felder des politischen Prozesses in Deutschland stehen im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses. Schlussendlich beschäftigt sich die Arbeit auch mit alternativen Ansätzen zur Sicht und Gestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert.
Es ist davon auszugehen, dass sich eine Renaissance des sicherheitspolitischen Denkens in unterschiedlichen Forschungsansätzen zur Rolle der Umwelt in Konflikten und Kriegen niedergeschlagen hat. Hierzu soll folgende erste Ausgangshypothese formuliert werden:
‚Umweltbedingter Ressourcenreichtum bzw. deren Knappheit kann bestehende Konfliktlinien verschärfen. Gewalt ist in solchen Fällen als Mittel der Konfliktlösung wahrscheinlich. Es wäre aber irreführend und deterministisch, solche Konflikte als Umweltkonflikte zu bezeichnen. Es handelt sich vielmehr um eine spezifische Art eines machtpolitischen Verteilungsproblems bzw. strukturelle Probleme der internationalen Politischen Ökonomie[1]. Die sozialen, vor allem aber die politischen und ökonomischen Bedingungen sind somit die entscheidenden Determinanten von Gewalt.’
Die Folgen von Kriegen und Konflikten werden als Sicherheitsbedrohung für das internationale System und die weiterhin nationalstaatlich definierte Sicherheit Deutschlands postuliert. Die Politik Deutschlands, auch im Zusammenhang internationaler Regime und Organisationen, hat sich in verschiedenen Feldern, wie der Verteidigungs-, Außen-, Umwelt- und Entwicklungspolitik dieser Forschungsansätze und ihrer Erklärungsmuster angenommen und formuliert daraus Handlungskonzepte. Hieraus ergibt sich folgende zweite zu untersuchende Ausgangshypothese:
‚Politisch ist ökologische Sicherheit nur schwer zu bearbeiten: Veränderungen im Ökosystem erfolgen langfristig und kontinuierlich, politische Veränderungen erfolgen kurzfristig und zuweilen eher abrupt. Diese Spannung verschärft sich dadurch, dass politisch kein Feindbild mit Umweltsicherheit verknüpft ist und dass die Umweltschäden wie deren Folgen geographisch ungleich verteilt sind.’
Leitend sind zu diesen Hypothesen sind Fragen nach der Evolution des Konzeptes ökologische Sicherheit und den daraus erwachsenen Forschungsansätzen des Fokus Umwelt und Konflikt. Welche Ansätze bieten welche Erklärungsmuster und vor allem, welche Forschungsansätze haben sich als politisch durchsetzungsfähig erwiesen und welche keinen Einfluss auf den politischen Prozess gehabt? Welche politischen Maßnahmen sind daraus erwachsen und welche Interessen spiegeln sich darin wider?
Im einzelnen geht es in der Arbeit nach einer kurzen Schilderung der maßgeblichen Meilensteine auf dem Weg zu einem Umweltbewusstsein in Politik und Öffentlichkeit vor allem darum, aufzuzeigen, wie der politische Umgang mit den gewachsenen Umweltgefahren und dem Druck eines öffentlichen Bewusstseins aussieht.
Nachfolgend soll ein ausführlicher Blick auf ein zentrales Thema des politischen Entscheidungsprozesses in Umweltfragen, die Debatte um ein neues Sicherheitsdenken im Konzept der ökologischen Sicherheit geworfen werden. Neben den diversen neuen geopolitischen Antworten auf die Veränderungen und neuen Gefahren für die internationale politische Ordnung, sticht vor allem eine Erweiterung des Sicherheitskonzeptes der Kalten-Kriegs-Ära auf ökologische Gefahren hervor. Gefahren sind heute nicht mehr allein militärischer Art, sondern fundamental verbunden mit dem lokalen und globalen Umweltwandel. Am alarmierendsten für die staatliche politische Stabilität sind ökologische und demographische Wandlungsprozesse, die destabilisierende Bevölkerungsbewegungen oder militärische Konfrontationen nach sich ziehen könnten. Umweltdegradation wird im Sinne dieser Argumentation als Auslöser, Verstärker oder Katalysator für massenhafte Fluchtbewegungen und Kriege gesehen. Politisch einflussreiche Autoren sehen gar direkte Verbindungen zwischen Umweltzerstörungen, Chaos und Staatszerfall (‚failed states’), in deren Folge sich der Westen neuen Sicherheitsgefahren durch Verbrechen, Drogenhandel, ökonomischen Instabilitäten oder Epidemien ausgesetzt sieht. Das Schlüsselkonzept der nationalen Sicherheit wurde vollends neu überdacht und u.a. um wichtige ökologische Faktoren und Managementstrategien, die auch erhöhte militärische Wachsamkeit umfassten, erweitert. Es entstand das Konzept der ökologischen Sicherheit (‚Environmental Security’).
Größte Probleme für die internationale und nationale Sicherheit ergeben sich aus Konflikten über Ressourcen und daraus resultierenden Flüchtlingsbewegungen. Kriege und Konflikte werden als Endstufe von voranschreitender Armut gesehen. Armut wiederum als Folge einer wachsenden ökologischen Zerstörung. Politisch diskursprägende Forschungsergebnisse von vermeintlichen Umweltkonflikten (‚Greenwars’) sehen einen Teufelskreis aus Umweltzerstörung, Auseinandersetzungen über den Ressourcenzugang, Marginalisierung der ländlichen Bevölkerung, Unruhen, Vertreibungen und unkontrollierter Migration. Diese Folgeeffekte führen zu weiteren Konflikten und Kriegen mit weiterer Umweltzerstörung. Zu Friedenszeiten ist das Land ökologisch bankrott, so dass neue Spannungen entstehen. Das Konzept des Umweltkonflikts erscheint aus mehrerlei Gründen, die im einzelnen in dieser Einleitung noch nicht aufgeführt werden sollen, als fragwürdig und gefährlich. Generalisierte Argumente über globalen Umweltwandel sind in ihrer lokalen Anwendung oft zu unpräzise und deshalb wertlos. Groß angelegte quantitative, multivariate Untersuchungen über den Zusammenhang von Ressourcenausstattung und Konflikten bestätigen zwar Teile der Argumentation von der Verfechter von neuen Umweltkonflikten, bestätigen aber auch, dass ökonomische und politische Faktoren einen deutlich größeren Einfluss als konfliktauslösende Faktoren haben. Es zeigt sich, dass das Konzept des Umweltkonflikts, obwohl von großer praktischer politischer Relevanz dringend einer Erweiterung bedarf, um der Wirklichkeit gerecht zu werden.
In den jeweiligen nationalen Politiken der...