T lohmarkt-Tipps & -Tricks
Mythos Flohmarkt
So manch einer wird sich schon gefragt haben, was eigentlich den Reiz des Trödelns ausmacht. Als Verkäufer auf dem Flohmarkt hat es niemand leicht. Es ist ermüdend und anstrengend. Du kämpfst gegen Hitze, Kälte, Regen, Langeweile – und natürlich gegen die Konkurrenz.
Die Ausbeute dabei ist oft sehr mager, erst recht bei zu schlechtem oder zu gutem Wetter. In der Mittagshitze bei 35 Grad im Schatten haben Flohmärkte gegen Schwimmbäder nur sehr schlechte Karten. Von Schneeregen und Hagel mal ganz zu schweigen. Auch als Käufer sind die Besuche oft ernüchternd. Viel Ramsch ist dabei, von brauchbaren Schnäppchen oft keine Spur. Falls doch etwas entdeckt wird, scheitert es oftmals am Preis. Wer nämlich glaubt, dass alles auf dem Flohmarkt billig zu haben ist, der wird schnell eines Besseren belehrt. Schließlich fragt man sich am Ende des Tages bei dem einen oder anderen Teil, warum man es überhaupt gekauft hat. Klar, es hat nur 1,50 Euro gekostet. Doch gebraucht wird die Neuerwerbung eigentlich nicht ...
Und trotzdem – nicht nur wir lieben das Trödeln. Der Gang auf den Flohmarkt hat etwas von einer Schatzsuche, und so drängeln die »Schatz-Käufer« beim nächsten Flohmarkt-Termin wieder Seite an Seite durch die engen Gänge, vorbei an den überfüllten Ständen der »Schatz-Verkäufer«, stets mit hochgerecktem Hals und großen, neugierigen Augen. Das kann durchaus stressig sein. Was also macht den Flohmarkt trotzdem so attraktiv? Die Antworten sind so vielfältig wie die Gegenstände, die man auf dem Trödelmarkt finden kann.
Eines vorneweg: Trödel hat bei uns in Deutschland eine lange Tradition. Trödel ist Kult. Trödel ist eine Lebensweise. Laut Angaben der Fachzeitschrift »Trödler« gibt es bei uns jedes Jahr über 40 000 Flohmärkte, das sind rund 110 Märkte pro Tag! Über zwei Millionen Menschen leben mittlerweile sogar vom Geschäft mit dem Trödel – Tendenz steigend. Der erste Flohmarkt fand hierzulande 1967 in der Altstadt von Hannover unter der Regie des Aktionskünstlers Reinhard Schamuhn statt. Seit 1973 gibt es zudem den berühmten Berliner Trödelmarkt, der heute zu einem städtischen Wirtschaftsfaktor mit Millionenumsätzen geworden ist. »In Berlin geht das nicht«, hatte man damals Michael J. Wewerka geantwortet, als er 1972 im Gewerbeamt Charlottenburg eine Genehmigung für einen Trödelmarkt wie in Hannover erbat. Wewerka brachte damals den Sperrmüll von der Spree nach Niedersachsen, kam stets mit einem leeren Wagen und einem vollen Geldbeutel zurück.
Ein Jahr später bekam der Flohmarkt-König schließlich die Genehmigung. Der Rest ist Geschichte. Bereits Mitte der 1970er-Jahren wurden Flohmärkte in der ganzen Republik abgehalten. Manche Flohmärkte haben sich neben dem Berliner Markt am Mauerpark längst überregional einen Namen gemacht. Dazu zählen der Frankfurter Flohmarkt am Mainufer, der Trempelmarkt in Nürnberg, der Vohwinkeler Flohmarkt in Wuppertal oder auch der Naschmarkt in Wien.
Der Trend hat sich bis heute kaum geändert. 10 Prozent der Bevölkerung, also rund acht Millionen Deutsche, gehen zwei bis drei Mal pro Monat auf den Flohmarkt. Dabei ist der Trödelmarkt gar keine deutsche Erfindung, sondern fand seinen Ursprung bei unseren französischen Nachbarn.
Es gibt zwei Legenden darüber, wie die Märkte einst in Frankreich entstanden sind. Die erste Überlieferung geht auf die Lumpenhändler im alten Paris zurück. Im späten Mittelalter wurde die Kleidung der oberen Zehntausend an Straßenhändler veräußert, die ihre Ware wiederum auf kleinen Märkten an das einfache Volk weiterverkauften. Da es mit der Hygiene damals nicht so genau genommen wurde und die Menschen von allerlei Ungeziefer geplagt wurden, machten es sich häufig Flöhe in der abgelegten Kleidung gemütlich. Mit dem Kauf eines »neuen« Kleidungsstückes wurde man nicht selten stolzer Besitzer einer kompletten Flohfamilie. Mama Floh, Papa Floh, Junior Floh samt hüpfender Verwandtschaft. Als Paris im Jahr 1890 von einer besonders großen Flohplage heimgesucht wurde, verbannte die Stadtverwaltung die Lumpenhändler schließlich an den Stadtrand.
Die zweite Überlieferung über die Entstehung der Flohmärkte geht auf eine andere Begebenheit zurück. Wie erzählt wurde, war 1880 ein unbekannter Mann durch die Straßen von Paris unterwegs. Angesichts der unzähligen Stände, der herumwuselnden Menschen und des vielen Trödels, der auf den Straßen angeboten wurde, rief er: »Das sieht ja aus wie auf dem Markt der Flöhe!« Voilà, der Flohmarkt war geboren. Tatsächlich stammt der Begriff aus dem Französischen, denn dort heißt der Trödelmarkt schlicht »Marché aux Puces«, was übersetzt nichts anderes heißt als »Flohmarkt«.
Aller Flöhe zum Trotz: Um 1900 wandelten sich das Image und die Trödelmärkte. Weil sich die Märkte immer größerer Beliebtheit erfreuten, wurden den Trödlern 1885 von der Pariser Stadtverwaltung schließlich feste Plätze zugewiesen, darunter der »Les Puces de Paris Saint-Quen«, der bis heute zu den größten Flohmärkten seiner Art zählt. Seit dieser Zeit gehören Flohmärkte zum städtischen Flair und prägen vielerorts das Straßenbild. Neben Frankreich gilt ebenso Belgien als Ursprungsland der Flohmärkte. Die Märkte der »brocanteurs« (Trödler) gaben dabei den Startschuss. Den täglichen Trödelmarkt auf dem Place du Jeu de Balle gibt es bereits seit 1873. Er wird nach wie vor im einstigen Armenviertel Brüssels, den Marollen, ausgerichtet.
Zurück zur Faszination der Flohmärkte. Was steckt dahinter?
Worin liegt die andauernde, bereits über ein Jahrhundert währende Begeisterung für den Floh- und Trödelmarkt? Weil es einer modernen Schatzsuche gleicht. Weil es den antiken Jäger und Sammler in uns wieder auferstehen lässt. Wo sonst können wir zwischen Tausenden von Gegenständen nach unserem ganz persönlichen Juwel »jagen«. Außerdem sind Trödelmärkte wie eine kostenlose, romantische Zeitreise zurück zu den Ursprüngen des Handels. Wie einst auf dem mittelalterlichen Wochenmarkt kommt es hier zu einem direkten Austausch zwischen Händler und Käufer. Die Ware kann unmittelbar begutachtet werden, und Handeln ist hier im Gegensatz zum normalen Laden nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Beim Feilschen um den Preis kommt das älteste Marktprinzip der Welt zum Einsatz: Angebot und Nachfrage. Es ist wie ein Spiel um das beste Schnäppchen, und Spielen macht Spaß.
Viele Flohmarktfans grenzen sich dabei bewusst von der allgemeinen Konsum- und Kaufhauskultur ab. Sie ziehen Gegenstände vor, die eine Geschichte, eine individuelle Note haben. Für sie ist der Flohmarkt das Gegenteil zur Wegwerfkultur, die kategorisch abgelehnt wird. Entstanden ist diese Geisteshaltung aus der Ökobewegung der 1970er- und 1980er-Jahre: »Recycling« hieß damals das große Stichwort. Die auf dem Flohmarkt erstandenen Dinge waren nicht nur günstiger, sondern auch ökologisch gut vertretbar. Was heute für viele Käufer vielleicht noch wichtiger ist: Sie ermöglichen einen individuellen und originellen Lifestyle.
Auch einsame Single-Herzen zieht es auf den Flohmarkt. Bei ihnen steht allerdings weniger die Ware im Fokus, oftmals gilt das Interesse vielmehr der Verkäuferin oder dem Verkäufer dahinter. Glaubt man den Umfragen von Dating-Portalen, gelten Flohmärkte als Geheim-Tipp für alle Solisten. Tatsächlich ist die entspannte Atmosphäre ideal zum Flirten. Die meisten haben an diesen Tagen frei, haben somit keinen Terminstress und daher Zeit. Wenn dann noch die Sonne scheint, ist der relaxte Tag perfekt, um mit netten Menschen zu plaudern. In einem Café jemand Fremdes anzusprechen, ist eine Herausforderung, auf dem Flohmarkt dagegen ein Kinderspiel. Ein kurzes »Warum willst du denn diesen tollen Hocker verkaufen« ist ein super Eisbrecher. Außerdem lässt sich so schnell herausbekommen, ob das »Objekt der Begierde« noch zu haben ist. Wer dann noch ein charmantes »Ich gebe dir zehn Euro für den Hocker und lege noch eine Tasse Kaffee obendrauf« auf den Lippen hat, ist schon mittendrin – im Flirten.
Wer wie wir regelmäßig auf dem Flohmarkt ist, der weiß, dass jede Tageszeit auf dem Trödelmarkt ihr ganz spezielles Publikum anzieht. Wir unterscheiden die Flohmarkt-Gänger in Jäger, Sammler und Flaneure. Die Jäger sind ganz klar die »Early Birds« auf den Märkten. Frühes Aufstehen ist für sie kein Hindernis: Sie warten bereits um 5 Uhr morgens, wenn die ersten Verkäufer kommen, und können es kaum erwarten, bis alle Waren ausgepackt sind. Die zweite Gruppe, die sich zeitig auf den Weg macht, sind die Sammler. Sie sind meist auf bestimmte Objekte spezialisiert. Mit fachmännischem Blick eilen sie durch die Reihen und machen schnell die Stände aus, die für ihr Sammelgebiet von Interesse sind. Jetzt wird gefeilscht, was das Zeug hält: Ob Porzellan, Blechspielzeug oder Möbel – der Sammler kennt die Preise für die Objekte seiner Begierde ziemlich genau. Für ihn sind dabei Spezialmärkte von noch größerer Bedeutung als der gemeine Flohmarkt. Auf diesen Spezialmärkten ist das Angebot konsequent auf ein bestimmtes Zielpublikum ausgerichtet. Hierbei reicht das Spektrum von Antiquitäten- und Antikmärkten, über Briefmarken- und Münzbörsen, Computer- und Musikbasare bis zu speziellen Flohmärkten für Kindersachen. Nicht nur die Flohmarktszene ist dadurch gewachsen. Auch die Anzahl der Händler, die sich auf eine Warengruppe spezialisiert haben und hauptberuflich vom Handel mit dem Trödel leben, ist gestiegen.
Zuletzt kommen die Leute, die einfach nur aus Spaß über den Trödelmarkt flanieren wollen. Sie genießen das Flair, bestaunen das bunte Treiben, treffen...