Übungen für einen
gesunden Rücken
Jede funktionale Bewegung wird über die Körpermitte stabilisiert und umgelenkt. Bereits bevor die Muskulatur von Armen oder Beinen aktiviert wird, steuert der Körper die tiefe Rumpfmuskulatur an. Es überrascht daher nicht, dass 90 Prozent der Menschen mindestens einmal im Leben wegen Rückeschmerzen zum Arzt gehen, 50 Prozent sogar einmal im Jahr. Daher sind der Rücken und die Körpermitte der ideale Einstieg in therapeutisches Yoga.
Federnde Stabilität
Probleme im unteren Rücken vermeiden oder lindern
Iliosakralgelenk – das klingt ganz schön kompliziert für solch eine unscheinbare v-förmige Naht zwischen Becken und Kreuzbein. Diese Stelle im unteren Rücken macht vielen Menschen Probleme. Mit gezielten Übungen kann man den Bereich kräftigen, sodass Bewegungen wieder geschmeidig und schmerzfrei gelingen.
Eine federnde und schwingende Verbindung
Elastisch und stark reckt sich die Wirbelsäule im Idealfall aus ihrer Basis, dem Becken. Damit sie den Rumpf so mühelos und schmerzfrei stützen kann, braucht die Wirbelsäule einen gleichzeitig stabilen und dennoch weich federnden Ursprung in den Iliosakralgelenken (kurz ISG). An diesen Nahtstellen trifft das Kreuzbein (Sacrum), das den unteren Teil der Wirbelsäule bildet, beidseits auf die hinteren Beckenschaufeln (Ilium). Diese breiten Gelenkflächen links und rechts der Wirbelsäule entstanden im Lauf der Evolution, als vier bis sechs zuvor getrennte Wirbel zum Kreuzbein verschmolzen.
Das Kreuzbein ist mit den Beckenknochen über feste Bänder verbunden, die ihm im ISG nur minimalen Raum für schwingende Bewegung lassen. Zusätzlich wird es ringsum von Muskeln gestützt und gehalten, die sicherstellen, dass es bei einer harmonisch gedämpften Schwingung bleibt und kein loses Schlackern entsteht: Die sogenannten vielgefächerten Muskeln (Musculi multifidi), der Beckenboden (Diaphragma pelvis und Diaphragma urogenitale), die tiefe Bauchmuskulatur (Musculus obliquus externus abdominis, Musculus obliquus internus abdominis und Musculus transversus abdominis), der gerade Bauchmuskel (Musculus rectus abdominis), der Hüftbeuger (Musculus iliopsoas) und der birnenförmige Muskel (Musculus piriformis) überspannen allesamt direkt oder indirekt das ISG. Nur wenn diese Muskeln harmonisch zusammenarbeiten, sind die beiden Iliosakralgelenke gut stabilisiert und ausgerichtet.
Ursachen und Symptome von Beschwerden
Aus meiner Erfahrung als Arzt und Yogatherapeut weiß ich, dass ein Großteil der Patienten mit Rückenschmerzen eigentlich Schwierigkeiten mit einem Iliosakralgelenk haben, möglicherweise auch mit beiden. Da der dort entstehende Schmerz oft nach oben in den Rücken, aber auch nach unten in die Beine ausstrahlt, wird er leicht falsch zugeordnet. ISG-Symptome können unter anderem folgende Ursachen haben:
- »Schlackerndes« Gelenk: Fehlt die nötige muskuläre Führung, beginnt das Iliosakralgelenk zu schlackern. Dadurch entzündet sich der gesamte Bereich und löst einen brennenden Schmerz aus. Diese Schmerzen sind nach körperlicher Aktivität deutlich verstärkt.
- Chronische muskuläre Verkrampfungen: Ist das Zusammenspiel der Muskulatur nicht ausgewogen, werden einige Muskeln nicht aktiv, während andere (vor allem der Musculus piriformis und der Musculus iliopsoas) zu schnell ansprechen. Die Dysbalance verstärkt sich häufig, denn je inaktiver die einen Muskeln werden, desto mehr verkrampfen die anderen. Die Symptomatik zeigt sich in einem chronischen, tief sitzenden Schmerz, etwa auf Höhe einer Hosengesäßtasche.
- Muskuläre Verkrampfung nach Belastung: Vor allem bei sehr beweglichen Menschen kann die bandhafte Führung des Iliosakralgelenks zu elastisch sein. Obwohl die Muskulatur das Gelenk bei vielen Alltagsaktivitäten gut stabilisieren kann, versagt sie dann bei langem Stehen oder aufrechtem Gehen. So stellen sich die Schmerzen bei den betroffenen Patienten typischerweise zum Beispiel nach Museumsbesuchen ein.
- Gelenkblockade: Nach einer ungewohnten Bewegung werden die das Iliosakralgelenk stabilisierenden Muskeln manchmal fehlerhaft angesteuert. Das Gelenk blockiert und verliert dadurch seine weich federnde Qualität. Der Schmerz schießt plötzlich ein und man kann sich kaum noch rühren. Solche Blockaden können häufig wiederkehren.
Vor allem die zuletzt geschilderte Situation ist sehr schmerzhaft. Ein erfahrener Chiropraktiker oder Osteopath kann hier zwar gut helfen, doch kein Therapeut der Welt kann erneute Blockaden verhindern oder gar ein hyperflexibles (schlackerndes) Gelenk stabilisieren – das können Sie nur selbst schaffen: Mit gezielten Yogaübungen bauen Sie eine federnde und zugleich stabile Basis für einen gesunden Rücken auf.
Vier Übungen für ein gesundes Iliosakralgelenk
Die folgende Übungsstrecke hat zum Ziel, die Muskulatur und Bandstruktur rings um die Iliosakralgelenke weich und flexibel zu halten, ihnen aber gleichzeitig die nötige Kraft zu geben, um ihr komplexes Zusammenspiel beim Stehen, Gehen und in der Bewegung zu meistern.
Längsfriktion und Faszienliften – Faszien zum Wohlfühlen
- Legen Sie beide Hände über Ihre Iliosakralgelenke. Die Finger weisen nach unten, die kleinen Finger sind dicht beieinander. Reiben Sie so schnell wie möglich gegenläufig mit den Händen auf und ab, bis sich eine wohlige Wärme in den Händen und im unteren Rücken ausbreitet.
- Kneifen sie anschließend mit Daumen und Fingern in die oberste Hautschicht über den Iliosakralgelenken. Manchmal entsteht ein leicht knackendes aber vollkommen harmloses Geräusch, wenn sich die Faszienschichten lösen. Lassen Sie die entstandene Hautfalte mit krabbelnden Fingern langsam von oben nach unten und wieder zurückrollen. Sollte das Ablösen der Hautfalte schwierig sein, können Sie die Hautschicht auch nur mit sanftem Fingerdruck verschieben.
Effekt
Das Reiben wärmt die das Gelenk umgebenden Faszien- und Bandstrukturen auf. Das anschließende Anheben der oberen Hautschichten erzeugt einen kleinen Unterdruck an der Faszie, wodurch diese mit nährender Gewebeflüssigkeit umspült wird. So können die einzelnen Schichten harmonisch mit der Bewegung mitschwingen und geschmeidig übereinandergleiten. Bereits diese erste Übung bringt oft sehr schnelle Hilfe bei akuten Schmerzen.
Geschmeidige Katze – den Rücken lockern
- Kommen Sie in den Vierfüßlerstand: Die Hände befinden sich unter den Schultern und die Knie unter den Hüften. Runden Sie nun mit der Ausatmung den Rücken vom Hinterkopf bis zum Kreuzbein. Mit der Einatmung finden Sie in eine ausgleichende Rückbeuge, auch hier erfährt die Wirbelsäule eine gleichmäßige Rundung.
- Während Sie diese beiden Bewegungen im Atemrhythmus noch einige Male wiederholen, beobachten Sie, wo sich die Wirbelsäule fest oder steif anfühlt und wo sie weich und beweglich ist. Versuchen Sie, mit leicht schlängelnden oder rotierenden Bewegungen die festen Bereiche zu mobilisieren. In den eher weichen Bereichen achten Sie dagegen auf eine kontrollierte Streckung und verhindern Sie ein zu starkes Abknicken.
- Fahren Sie mit dieser Übung fort, bis sich die gesamte Wirbelsäule locker und beweglich anfühlt.
Effekt
Wenn einzelne Bereiche der Wirbelsäule, etwa die Brustwirbelsäule oder die Lendenwirbelsäule, unbeweglich sind, übernimmt das Iliosakralgelenk übermäßig viel Bewegung und wird so überlastet. Ist die Wirbelsäule dagegen zu instabil, verfestigt sich zum Ausgleich oft der Bereich um das Iliosakralgelenk. Die geschmeidigen Katzenbewegungen schaffen einen Ausgleich zwischen Stabilität und Flexibilität.
Streckende Katze – Länge schaffen
- Bringen Sie Ihre Wirbelsäule im Vierfüßlerstand in eine neutrale, gerade Position. Drücken Sie die linke Hand mit gestrecktem Arm gegen das leicht angehobene rechte Knie. Erhöhen Sie über einige Atemzüge hinweg langsam den Druck und spüren Sie, wie sich die Wirbelsäule von der Basis ausgehend in die Länge streckt.
- Strecken Sie den linken Arm horizontal nach vorn (Daumen nach oben) und das rechte Bein horizontal nach hinten. Machen Sie sich so lang wie möglich. Das verleiht Ihrer Schulter mehr Bewegungsfreiheit.
- Führen Sie nun in dieser gestreckten Haltung kleine schnelle Hackbewegungen mit Handkante und Fuß aus.
- Bevor Sie die Übung mit der anderen Seite wiederholen, lockern Sie die Wirbelsäule über einige Atemzüge mit der Übung »Geschmeidige Katze« (siehe Seite 32).
Effekt
Arbeiten die...