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Geht Hashimoto von selbst wieder weg?
Hashimoto gehört zu den Autoimmunerkrankungen, die verschiedene Verläufe nehmen können. Die Entzündung kann schleichend sein und bis zur Selbstauflösung der Schilddrüse gehen, sich in Schüben äußern, bei denen zwischendurch eine Erholung der Schilddrüse stattfindet, und es gibt auch Heilungen, bei denen die Krankheit ganz zum Stillstand kommt. Letzteres ist der häufigste Fall. Tritt die Heilung so spät auf, dass die Schilddrüse schon zu klein und vernarbt ist, um eine gute Eigenleistung zu haben, zielt die Behandlung auf erneutes Wachstum und Regeneration der Schilddrüse ab.
Die Schilddrüse und ihre Funktion im Körper
Die Schilddrüse ist mit einem Volumen von 12–30ml und einem Gewicht von 18–60g die größte Hormondrüse des menschlichen Körpers. Sie dient der Nebenniere und den Geschlechtsorganen als Leitdrüse und bestimmt deren Aktivität. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, das elementare Jod, das mit der Nahrung aufgenommen wird, an Aminosäurenreste zu koppeln und dadurch für den Energiestoffwechsel zu aktivieren.
Die Schilddrüse liegt vorn am Hals etwa 1,5cm oberhalb des Grübchens über dem Brustbein. Etwa 1,5cm seitlich der Mittellinie kann man beidseits ihre Lappen tasten. Deren Spitzen reichen etwa bis zum oberen Kehlkopf. Ein Großteil der Schilddrüse besteht aus Thyreozyten, das sind Zellen, in denen jodhaltige Hormone gebildet werden. Diese beeinflussen den Stoffwechsel und den Funktionszustand aller Organe. Sie erhöhen über die Steigerung der Energieproduktion und des Grundumsatzes des Körpers die Leistungsbereitschaft aller Zellen, steigern die Kreislaufaktivität und Erregbarkeit der Zellen.
In der Schilddrüse finden sich auch zahlreiche sogenannte parafollikuläre Zellen (C-Zellen), die über die Produktion von Calcitonin den Kalziumhaushalt mitsteuern. Letztlich hemmen sie den Knochenabbau und begünstigen den Einbau von Kalzium und Phosphat in Knochen und Bindegewebe. Das geschieht im Verbund mit den 3–4 erbsgroßen Nebenschilddrüsen, die sich auf der Rückseite der Schilddrüse befinden und in denen neben Calcitonin auch Parathormon gebildet wird.
Der Aufbau der Schilddrüse
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Wieso habe ich eigentlich Hashimoto bekommen?
Als direkter Auslöser für eine Hashimoto-Thyreoiditis gilt heute eine Fehlregulation des Immunsystems. Dabei wird der Teil des Immunsystems, der sich vor allem der Bekämpfung intrazellulärer Erreger widmet (TH1-Weg), überaktiv, während der sogenannte TH2-Weg, der vor allem der Bekämpfung von Krankheitserregern von außen dient, geschwächt wird und seine Aktivität einschränkt. Das Immunsystem beginnt, gegen eigene Körperstrukturen zu kämpfen, und die Abwehr gegen Schädlinge, die von außen auf den Körper einwirken, geht zurück. Warum dieses Phänomen entsteht, kann man noch nicht genau sagen, doch sind mehrere Einflussfaktoren wirksam, die sich gegenseitig verstärken:
- Genetik: Es gibt mehrere bekannte Erbanlagen, die das Auftreten von Hashimoto im frühen Erwachsenenalter wahrscheinlich machen. Vor allem Menschen mit dem HLA-Typ (HLA = Humane Leukozyten-Antigene) DR3 und DR4 sind betroffen.
- Stress: Die starke Forderung und Überforderung des Hormonsystems durch mentalen und emotionalen Stress spielt ebenso eine Rolle.
- Hormonelle Dysbalancen: Ein Östrogenüberschuss, z.B. wenn man die Pille einnimmt, kann eine Hashimoto auslösen, aber auch der Progesteronmangel, den viele Frauen in den Wechseljahren haben, und letztlich auch der hohe Prolaktinspiegel bei stillenden Frauen. Prolaktin ist ein entzündungsförderndes Hormon. Menschen mit einem gutartigen Tumor der Hypophyse, einem Prolaktinom, haben ebenfalls eine erhöhte Hashimoto-Aktivität.
- Schadstoffbelastung: Die Schilddrüse nimmt neben Jod auch andere Halogene (Fluor, Chlor, Brom) sowie Schwermetalle (Quecksilber) auf, die Entzündungen auslösen können.
- Vitalstoffmangel: Ein Mangel an Vitaminen und Spurenelementen behindert die Hormonbildung wie auch Stoffwechselprozesse und hemmt die Funktion des Immunsystems. Einen Sonderfall stellt die Stoffwechselstörung Kryptopyrrolurie, kurz KPU, dar: Menschen mit erblichem Mangel an Vitamin B6, B12, Zink, Kupfer, Mangan und anderen Vitalstoffen bekommen eher eine Hashimoto.
- Schwächung des Immunsystems: Eine ungünstige Besiedlung des Körpers mit Bakterien oder Infektionen greifen das Immunsystem an. Besonders Herpesviren wie das Epstein-Barr-Virus lösen als Nachfolgekrankheit häufig eine Hashimoto-Thyreoiditis aus.
- Jodüberlastung: Unnatürlich hohe Mengen von Jod führen zu Entzündungsschüben der Schilddrüse und können die Ausbildung einer Hashimoto begünstigen.
- Radioaktive Strahlen/elektromagnetische Belastung: Nach Bestrahlungen oder nach Zufuhr von Radionukliden, etwa im Rahmen medizinischer Untersuchungen, entzündet sich häufig die Schilddrüse. Strahlensensible Menschen spüren auch die Einwirkung von elektromagnetischen Strahlen, insbesondere von Handys, an der Schilddrüse.
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Ich habe Hashimoto. Bekommt mein Kind das jetzt auch?
Es gibt Gene, die das Ausbrechen einer Hashimoto begünstigen. In »Schilddrüsenfamilien« mit ähnlichen Erbanlagen drückt sich das dadurch aus, dass Schilddrüsenentzündungen hier häufiger vorkommen als im Vergleich zur übrigen Bevölkerung und manche der mit diesen Genen ausgestatteten Menschen dann auch eher eine Hashimoto oder einen Basedow entwickeln können. Die Gene allein sind aber keine Auslöser von Hashimoto, weshalb ein Großteil der Menschen, die diese Gene haben, auch schilddrüsengesund bleiben.
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Gibt es Gentests, um das Risiko für Hashimoto zu bestimmen?
Im Prinzip ja. Sie können feststellen lassen, welchen HLA-Typ Sie haben. HLA-DR3 und HLA-DR4 würden hier eine Belastung anzeigen. Allerdings gibt es auch viele Faktoren außerhalb der Genetik, die das Auftreten einer Hashimoto bedingen können.
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Geht Hashimoto mit anderen Autoimmunerkrankungen einher?
Nach der Fachliteratur soll Hashimoto häufig mit einer oder mehreren Autoimmunkrankheiten in Wechselbeziehung stehen. In meiner eigenen Praxis habe ich allerdings etwa 5000 Menschen mit Hashimoto gesehen und dabei nur eine Handvoll erlebt, die darüber hinaus einen Morbus Crohn, eine Multiple Sklerose oder eine Kollagenose hatten. Ich habe nicht den Eindruck, dass es sich hier um einen kausalen Zusammenhang handelt. Etwa 5% der Menschen mit Hashimoto weisen die Weißfleckenkrankheit (Vitiligo) auf, von der man vermutet, dass sie ein Autoimmunphänomen ist. In manchen Fällen kommt es zu einem Rückgang der Fleckenbildung.
Manche Menschen vermischen auch Nahrungsunverträglichkeiten und Allergien, die aus einer Dysfunktion des Darms entstehen, mit dieser Thematik. Tatsächlich haben Menschen mit Hashimoto häufiger Allergien, allerdings wirkt sich bei ihnen eine Heilung des Darms heilsam auf beide Zustände aus. So gesehen gibt es auch hier keine kausale Verknüpfung mit Hashimoto.
Extrem selten ist eine erweiterte Form der Hashimoto, bei der es Antikörper gegen alle hormonellen Strukturen gibt, die mit der Schilddrüse in Verbindung stehen. Diese Autoimmunkrankheit spricht eine deutliche Sprache der Autoaggressivität: Der Organismus scheint sich dagegen zu wehren, dass Hormone entstehen und den Körper beleben können.
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In welchem Lebensalter tritt eine Hashimoto auf?
Das kann schon früh beginnen. Sehr selten kommt es vor, dass Menschen mit Hashimoto geboren werden, die Schilddrüse aufgrund der Entzündung eine schwache Aktivität hat und das Kind schlecht gedeiht. Es scheint sich dann um ein angeborenes Leiden zu handeln mit ebenfalls verminderter Ausbildung der Nebenniere.
Die überwiegende Mehrzahl der Menschen mit Hashimoto entwickelt die Entzündungsaktivität erst beim Eintritt in die Pubertät – in einer Zeit, in der die Hypophyse verstärkt Hormone bildet, die das Wachstum anregen und die Geschlechtsreife einleiten, also Wachstumshormon (GH), Follikelstimulierendes Hormon (FSH) und Luteinisierendes Hormon (LH). Nachdem nur Mädchen von dieser Frühform der Hashimoto betroffen sind, vermutet man, dass der FSH-Anstieg einen relativen Östrogenüberschuss bewirkt. Dieses Hormon wiederum erhöht die Entzündungsbereitschaft im Körper. Ist diese Reaktion sehr stark, kommt es mitunter zu spürbarer Schilddrüsenunterfunktion mit Erschöpfbarkeit, Schwäche und Problemen in der Schule. Wenn dann als Ausdruck dieser Störung das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) angestiegen ist, erhalten die Mädchen oft schon einen Hormonersatz.
Wissen aus der Praxis
Frauen, die Kinder geboren haben und stillen, erleben nicht selten einen Hashimoto-Schub, der auch wahrnehmbar ist als depressive Verstimmung (Baby Blues), Schwäche und Erschöpfung. Wieder ist hier die Ursache vor allem hormonell: in Form eines Überschusses an entzündungsförderndem Prolaktin und eines relativen Mangels an Progesteron nach der Geburt.
Ein Großteil der Menschen merkt eine Hashimoto erst später, in den mittleren Jahren. Das ist eine Zeit, in der die Entzündung schon so weit fortgeschritten ist, dass eine dauerhafte Schilddrüsenunterfunktion besteht – mit entsprechenden Beschwerden, da die kritische Größe unterschritten wurde, die die Schilddrüse braucht, um ausreichend Hormone zu bilden.
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Sind meine Beschwerden ein Ausdruck von Hormonmangel?
So ist es. Im Gegensatz zu anderen Formen der...