Widerstandsfähigkeit entsteht im Trotzdem
„Wenn die Wellen über mir zusammenschlagen,
tauche ich tiefer, um nach Perlen zu suchen.“
MASCHA KALEKO
Resilienz – unser Überlebensprogramm
Fallbeispiel
Professor G. ist im Sommer 2010 seit rund 20 Jahren ärztlicher Direktor in einer psychiatrischen Klinik, die noch nicht lange Konzern ist. Der neue Geschäftsführer ist BWLer, die Anforderungen an die ärztlichen Führungskräfte haben sich von Aufgaben eines Arztes immer mehr zu denen eines Managers geändert. Professor G. versteht die Welt nicht mehr. Er ist doch Arzt geworden, um mit Patienten zu arbeiten, und nicht, um Manager zu sein. Schon das Wort „Manager“ bringt ihn in Rage.
In den letzten beiden Jahren wurde er gleich zweimal von seinen Mitarbeitern in der jährlichen Befragung schlecht bewertet. Ich werde als erfahrener Coach aus der Wirtschaft eingekauft, um ihn dabei zu unterstützen, eine bessere Führungskraft zu werden. Er soll in Zukunft wie ein Manager aus einem Wirtschaftsunternehmen agieren.
Im Verlauf des Coachingprozesses macht er gewaltige Schritte. So versteht er beispielsweise mit einem Mal, dass Führung Klarheit und Bestimmtheit braucht, um den Mitarbeitern Sicherheit und Orientierung zu bieten. Aber der Geschäftsführung genügt das nicht. Es geht nicht schnell genug und bald wird klar: Professor G. soll gehen.
Nach seiner jahrzehntelangen Betriebszugehörigkeit ist es nicht ganz einfach, Professor G. zu kündigen. Hinter den Kulissen finden Beratungen mit den Konzernanwälten statt, und ich weiß schon vor dem Professor, was die Stunde geschlagen hat.
Er selbst aber will es nicht wahrhaben. „Da müsste ich schon goldene Löffel gestohlen haben. Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Mir kann niemand etwas.“ Nach Beendigung der vereinbarten Coachingsitzungen bekommt er die Einladung zu einem Gespräch mit der Geschäftsführung. Ein scheinbar ganz gewöhnliches, turnusgemäßes Mitarbeitergespräch. Einige wenige Tage vor dem Termin dann per Mail die Aufforderung: „Bringen Sie einen Anwalt mit.“
Nach dem Gespräch schreibt er einen Brief an mich: „Man setzt alles daran, mich zu ‚entsorgen’, und bietet mir die Aufhebung meines Arbeitsvertrags in beiderseitigem Einvernehmen und eine Abfindung an, was ich natürlich abgelehnt habe. Daraufhin hat man mich vom Dienst freigestellt und versucht nun, in der nächsten Sitzung des Konzernaufsichtsrats meine Kündigung durchzubekommen. Mit der Begründung: Führungsschwäche. Sollte es dazu kommen, werde ich über meinen Anwalt ein Arbeitsgerichtsverfahren anstrengen, das sich über ein bis zwei Jahre hinziehen kann. Ich bin tief erschüttert, wie mit mir nach 21 Jahren ärztlicher Leitungstätigkeit umgesprungen wird. In der freien Wirtschaft ist ein derartiges Vorgehen dem Vernehmen nach im Umgang mit altgedienten Mitarbeitern, die man nicht mehr haben will, gang und gäbe. Meine Welt ist das nicht. Ich weiß jetzt absolut nicht, wie es bei mir beruflich weitergeht. Ich bin 55 Jahre alt, habe also noch knapp zehn Jahre bis zum Rentenalter. Zum Privatisieren zu jung, andererseits auch schon so alt, dass eine neue Leitungsstelle nicht so einfach zu finden sein wird, vor allem weil ich wegen unserer 16-jährigen Tochter örtlich doch gebunden bin. Zu meinen aktuellen Stressoren kommt noch hinzu, dass die Ehe mit meiner Frau kurz vor dem Aus steht. Zurzeit brauche ich wahrhaft Nerven wie Drahtseile.“
Wir haben telefoniert und seine Abschlussworte waren: „Ich hoffe, dass ich alles gut bewältigen kann. Hoffnung geben mir unter anderem mein Glaube, aber auch etliche Verwandte und Bekannte.“
Ein halbes Jahr später hat er eine Chefarztstelle in einer Klinik, die ihm sehr gut gefällt, bekommt 40.000 Euro mehr als zuvor, sein altes Gehalt wird noch zusätzlich bis zum Ende des Jahres gezahlt, obendrauf gibt es noch eine dicke Abfindung – und er kann wieder mehr mit Patienten umgehen, genau das, was er sich gewünscht hat. Er ist zufriedener als zuvor, und selbst die Hierarchiestufe niedriger fällt für ihn nicht ins Gewicht.
Er bekam die ganze Packung und hat diesem niederdrückenden Sturm der Niederlagen nicht nur standgehalten, er ist sogar daran gewachsen. Das ist das, was ich unter der Bambusstrategie verstehe. Der Mann hat seinen Bamboo wahrlich aktiviert! Er wurde resilient.
Das gelingt nicht jedem: In Berlin gibt es schon 20 Prozent Akademiker, die aus ähnlichen Gründen auf der Straße gelandet sind. Frau weg, Job weg, totaler Absturz. Den Unterschied macht Resilienz. Mit der Bambusstrategie werden Sie resilient.
Ein Teil der Arbeit in meinem Coaching mit Professor G. aus dem Fallbeipiel war daher: „Lassen Sie uns trotzdem einen Plan B erarbeiten. Nur mal angenommen, es käme doch zu Ihrer Entlassung, auch wenn Sie sich das jetzt nicht vorstellen können …“ Und wir haben gemeinsam seinen „Leitstern“ gesucht und gefunden: die Arbeit mit den Patienten. Er war gut vorbereitet und konnte recht schnell das Gute im Schlechten sehen.
Aktivieren Sie Ihre innere Kraft
Ihr Bamboo besteht aus elf Teilen:
■ den drei tiefen Wurzeln: Akzeptanz, Verbundenheit und positive innere Einstellung, mit denen er Sie dabei unterstützt, sich fest und dauerhaft zu verwurzeln, so dass nichts Sie wirklich umhauen kann.
■ den vier Bestandteilen seines biegsamen Stammes, den Ich-Stärkern, nämlich: Selbstbewusstsein, einem Leitstern folgen, Selbstliebe und Selbstsicherheit. Sein biegsamer Stamm erinnert Sie daran, selbst wie ein Bambus im Sturm zu sein, sich zu biegen statt zu brechen und auch nach großer Schneelast einfach wieder aufzustehen und weitere Triebe auszubilden.
■ den vier immergrünen Blättern, unseren Energiespendern: Spielräume und Lösungen, Vitalität, souverän durchsetzen und Arbeitsumfeld gestalten. Wie beim Bambus ermöglichen sie Ihnen, sich immer der Sonne zuzuwenden. Ihre „Blätter“ werden sich zwar im Sturm heftig bewegen, aber nicht fallen und auch im härtesten Winter grün bleiben.
Bambusstrategie universell einsetzen
Die resiliente Bambusstärke Ihres Bamboo zu nutzen, ist auch in weniger dramatischen Situationen hilfreich. Immer mehr Aufgaben, verteilt auf immer weniger Köpfe und immer weniger Zeit: Das ist die Realität vieler Menschen.
Bamboo ist Ihre immer greifbare innere Stärke, die Ihre seelische Widerstandskraft speist und damit Ihre Leistungslust und Lebenskraft am Leben erhält. So wie auch der Bambus aus sich selbst heraus seine Kräfte gegen die äußeren Widerstände mobilisiert.
Mit der Bambusstrategie aktivieren Sie Ihren Bamboo. Das nützt Ihnen
■ zur vorbeugenden Stärkung Ihrer Persönlichkeit (man weiß nie, wie es kommt im Leben …).
■ um den Anforderungen aus allen Richtungenn gelassen standzuhalten.
■ für Ihre souveräne Durchsetzungskraft und mehr Gelassenheit im Umgang mit jeder Hierarchieebene.
Die elf Teile Ihres Bamboo
Tatsache ist, dass manche Menschen in der Lage sind, selbst die furchtbarsten Erlebnisse zum Guten zu wenden und nicht nur ihre Ausgangssituation wiederherzustellen, sondern ihre Beziehungen noch zu verbessern, eine höhere Wertschätzung dem Leben gegenüber zu bekommen und ein stärkeres Gefühl für ihre persönliche Kraft zu entwickeln. Trotz oder genauer gesagt gerade wegen des erlittenen Tiefschlags wachsen sie und entwickeln sich menschlich weiter. So kann eine Krise auf verdrehte Art zu einem positiven Ergebnis führen, das sich andernfalls nicht eingestellt hätte. Oder wie Shakespeare sagt: „Ein tiefer Fall führt oft zu höherem Glück.“
Neues aus Scherben schaffen
Stellen Sie sich eine schöne Vase vor, die in tausend Teile zerbricht. Im Bemühen, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, können Sie die Scherben zusammenkleben. Die Vase sieht danach vielleicht fast genauso aus, ist aber längst nicht mehr so stabil wie zuvor. Mit der Bambusstrategie kitten Sie nicht, sondern schaffen aus den Scherben etwas völlig Neues, noch Schöneres – etwa ein Wandmosaik, wie es kein zweites gibt.
Denken Sie wie Edison
Von Thomas Alva Edison, einem der erfolgreichsten und produktivsten Erfinder der Weltgeschichte, wird folgende Geschichte erzählt, die bezeichnend für seine Einstellung zu Niederlagen ist: Bevor es Edison gelang, eine Glühlampe zum dauerhaften Leuchten zu bringen, kam ein junger Wissenschaftler in das Labor und sah unglaublich viele durchgeglühte Drähte. Er fragte Edison: „Ist es nicht deprimierend, so viele Rückschläge zu haben?“ Edison blickte ihn verwundert an und sagte: „Was heißt hier Rückschläge? Ich habe 5000 Möglichkeiten entdeckt, wie man keine Glühbirne herstellt!“
Bamboo-Strategen
Edison war ein Bamboo-Stratege. So nenne ich resiliente Menschen,...