In diesem Abschnitt werden einige in der Literatur enthaltene Definitionen, Modelle, Funktionen und Elemente des Phänomens Unternehmenskultur dargestellt. Nach einer einleitenden Definition der Begriffe Kultur und Unternehmenskultur folgt die Darstellung eines Drei-Ebenen-Modells der Unternehmenskultur zum besseren Verständnis des Komplexes Unternehmenskultur. Das Kapitel endet mit einer Vorstellung der Funktionen, die eine Unternehmenskultur erfüllen kann und der sich daraus ableitenden positiven und negativen Effekte. Es wird sich zeigen, dass diese Funktionen und Effekte ein möglicher Grund für die Schwierigkeiten im Post-Merger-Management sind. Aufgrund der Vielzahl von unterschiedlichen Definitionen kann an dieser Stelle jedoch nur eine kurze Diskussion der einzelnen Punkte vorgenommen werden.
Die Diskussion um den Begriff Unternehmenskultur ist erst seit den frühen 80er Jahren in der betriebswirtschaftlichen Literatur zu finden. Zuvor wurde dem Phänomen wenig Beachtung geschenkt. Mit dem starken wirtschaftlichen Aufkommen japanischer Unternehmen wurden ihre Erfolgsfaktoren analysiert. Man fand heraus, dass die Unternehmenskultur ein wesentlicher Erfolgsfaktor japanischer Unternehmen ist. In Folge dessen bietet die Forschung und Literatur eine Fülle von verschiedenen Ansätzen zur Erfassung und Definition der Unternehmenskultur. Ausgangspunkt dieser Literaturflut ist das “7-S Modell“[76] von McKinsey, sowie die Werke von Deal/Kennedy “Corporate Cultures“ und Peters/Waterman “In the search of excellence“ aus dem Jahre 1982. Nach Deal/Kennedy ist Unternehmenskultur ein System von „Werten und Glaubensansätzen“.[77] Ausgehend von der Hypothese, dass über längere Zeit erfolgreiche Unternehmen diejenigen seien, deren Mitglieder gemeinsam geteilte Grundannahmen aufweisen, untersuchten Deal/Kennedy 80 Unternehmen. Ergebnis dieser Untersuchung war eine nachweisliche Korrelation zwischen wirtschaftlichem Erfolg und klar erkennbaren Glaubensansätzen. Seit der Veröffentlichung des Aufsatzes „In the search of excellence“ 1982 von Peters/Watermann hat der Begriff Unternehmenskultur verstärkt Einzug in die Managementlehre und Managementpraxis gefunden. Peters/Watermann versuchen in einer Analyse erfolgreicher amerikanischer Unternehmen die verschiedenen erfolgskritischen Faktoren zu definieren. Sie stellten die These auf, dass sowohl harte Faktoren (Struktur, Strategie, Systeme) als auch weniger greifbare, weiche Faktoren (Fähigkeiten, Personal, Stil und übergeordnete Ziele), die sie unter dem Begriff Unternehmenskultur zusammenfassten, zu unternehmerischen Spitzenleistungen führen.[78] Für eine formale Definition der Unternehmenskultur ist zunächst jedoch ein Verständnis des Begriffes Kultur nötig.
Kultur
Der Begriff Kultur ist keineswegs so eindeutig und einfach zu umschreiben, wie vielleicht angenommen. Einen Eindruck, wie vielschichtig der Begriff Kultur ist, liefert die Arbeit von Kroeber/Kluckhohn (1952), in der die erste Systematisierung des Begriffes Kultur mit über 160 verschiedenen Definitionen zu finden ist.[79] Allgemein steht der Begriff Kultur, lat. Cultura, für: Pflege, Veredelung, Vervollkommnung von Tieren, Pflanzen und vor allem von menschlicher Lebensgestaltung, die Gesamtheit der typischen Lebensformen größerer Gruppen einschließlich ihrer geistigen Aktivitäten, besonders der Werteeinstellungen.[80]
Dienlicher für die Thematik der Unternehmenskultur ist jedoch die Definition von Hofstede (1993), der Kultur als „mentale kollektive Programmierung des Geistes“[81] versteht, die eine Gruppe von Menschen von einer anderen abgrenzt. Jeder Mensch erlernt im Rahmen der Sozialisation bestimmte, kollektiv geteilte Muster des Denkens, Fühlens und potenziellen Handelns.[82] Da Unternehmen durch ihre Mitarbeiter auch ein soziales System (Gruppe) bilden, lässt sich der Kulturgedanke auf Unternehmen übertragen.
Unternehmenskultur
Die Managementforschung nimmt diesen für Volksgruppen entwickelten Kulturbegriff
auf und überträgt ihn auf Organisationen, mit der These, dass jede Organisation eine eigene spezifische Kultur entwickelt und dadurch für sich eine eigenständige Kulturgemeinschaft darstellt. Unternehmen entwickeln spezifische Orientierungsmuster und Symbole, die von allen geteilt werden und so das Verhalten der Mitglieder nach innen und außen prägen.[83] Eine in der jüngeren Managementliteratur häufig zitierte Definition des Begriffes Unternehmenskultur stammt von Schein, der Unternehmenskultur definiert als „a pattern of shared basic assumption and internal integration, that has worked well enough to be considered valid and therefore, to be taught to new members as the correcd way to perceive, think, and feel in relation to those problems.“[84] Die Essenz der Unternehmenskultur bilden bei Schein die organisationsspezifischen “basic assumptions” der Organisationsmitglieder im Sinne von unbewussten Grundannahmen und Überzeugungen die jedem Verhalten implizit zugrunde liegen. Diese Definition basiert auf dem Drei-Ebenen-Modell, welches als Grundlage zum Verständnis der Unternehmenskultur in dieser Arbeit dienen soll.
Unternehmenskulturen sind komplexe Phänomene, die neben unsichtbaren Orientierungs- und Verhaltensmustern auch sichtbare Vermittlungsmechanismen und Ausdrucksformen haben. Ein Versuch, die verschiedenen Ebenen einer Kultur zu ordnen und miteinander in Beziehung zu setzen, stammt von Schein. Um eine Kultur verstehen zu können, muss man, ausgehend von den Oberflächenphänomenen (sichtbar), sukzessive den kulturellen Kern (unsichtbar) erschließen.[85]
Schein differenziert in drei Ebenen: Artefakte, bekundete Werte und Grundannahmen. Der Begriff Ebene bezieht sich dabei auf den Grad der Sichtbarkeit des kulturellen Phänomens.[86] Aus diesem Grund bezeichnet Sackmann das Modell auch als das kulturelle Eisbergmodell, da nur ein geringer Teil der Unternehmenskultur für Außenstehende sicht- und wahrnehmbar ist.[87]
“An der Oberfläche treffen wir auf die Ebene der Artefakte. Sie schließt alle Phänomene ein, die man sieht, hört und fühlt, wenn man einer neuen Gruppe mit einer noch unbekannten Kultur begegnet.“[88] Zu den Artefakten zählen Rituale, Symbole, Zeremonien, Gesten, Sprache, die Architektur und die Ausstattung der räumlichen Umgebung, Technologie und Produkte, die Kleiderordnung, schriftliche Führungsgrundsätze, niedergeschriebene Unternehmensphilosophien aber auch Geschichten und Mythen über das Unternehmen.[89] Die wichtigste Erkenntnis dieser Ebene ist, dass sich Artefakte leicht beobachten lassen, deren Sinn aber nur schwer zu erschließen ist. Der Beobachter kann seine Eindrücke über die Artefakte beschreiben, daraus allein jedoch noch nicht rekonstruieren, welche Bedeutung die Dinge in einer Gruppe haben. Viele Artefakte sind mehrdeutig und können nur dann richtig interpretiert werden, wenn die bekundeten Werte und Normen, auf denen sie basieren, bekannt sind. Wenn der Beobachter Erfahrungen mit der fraglichen Kultur, ihren Werten und Normen gesammelt hat, wird sich ihm die Bedeutung der Artefakte erschließen.[90]
Werte und Normen bilden die zweite Ebene des Kulturmodells und können z.T. zumindest direkt wahrgenommen werden. Normen sind dabei meistens konkrete Verhaltensvorschriften, während Werte grundlegende ethische Maßstäbe menschlichen Urteilens und Handelns bzw. emotionale Denkweisen darstellen. Im Gegensatz zu den Artefakten wirken Werte und Normen direkt verhaltenssteuernd. Sie repräsentieren eine Art Idealbild dessen, was für die Kulturgemeinschaft wünschens- und erstrebenswert ist. [91]
Jedes Gruppenwissen besteht letztlich aus den ursprünglichen Werten einzelner Gruppenmitglieder. In neu entstandenen Gruppen oder Situationen, denen die Gruppe vorher noch nicht ausgesetzt war, verfügen die Gruppenmitglieder noch nicht über einen gemeinsamen Wissensvorrat. Solange die Gruppe nicht gemeinsam handelt und die Ergebnisse beobachtet, kann sie nicht beurteilen, welche von den Gruppenmitgliedern eingebrachten Ideen und Lösungsvorschläge zur Zielerreichung führen.[92] Wenn der Lösungsansatz zum angestrebten Ziel führt und die Gruppe den Erfolg gemeinsam wahrnimmt, dann tritt ein Prozess kognitiver Umwandlung ein.[93] Zunächst wird der Lösungsansatz in einen...