Von der Kunst des Lebens und Genießens
Eine Einführung
Fragen Sie einmal einen Frankreichreisenden nach seinen Erlebnissen. Er wird zunächst von schönen Stränden, von unberührten Landschaften schwärmen. Er wird pflichtgemäß von herrlichen Kathedralen und Schlössern berichten, denn so weist er sich als kultivierter Mensch aus. Wenn dann das Wetter und die Unterbringung, der Zustand der Straßen und der mehr oder weniger erfolgreiche Kampf mit der Sprache – »der Franzose spricht nur seine eigene« – abgehandelt sind, leuchtet das Gesicht des Zurückgekehrten unweigerlich auf. »Und dann war da noch diese Sauce ...«
Jetzt sind die Schleusen offen. Ja, und der Patron in dem kleinen Restaurant, der seine Pastete mit der Miene des lieben Herrgotts am sechsten Schöpfungstag päsentiert hat. Von langen Folgen sich steigernder Genüsse wird berichtet, von knusprigem Brot und natürlich vom Wein der Region, den es nur dort gibt..., und von den bunten Märkten mit erlesenen Produkten, von den kritischen Blicken der Hausfrauen und der Männer, von der liebevollen Behandlung der Produkte durch die Verkäufer.
Savoir vivre... auch wir benutzen das französische Wort für Lebenskunst. Verstehen wir nichts davon? Es muß wohl so sein, denn sonst besuchten nicht alljährlich so viele Menschen unser westliches Nachbarland. Doch wir können von ihnen lernen. Sehen wir uns die Produkte kritisch an, wählen wir die frischen, die appetitlichen, die naturbelassenen aus, und zaubern wir ein Stück französische Lebensart in unsere Küche, in unser Eßzimmer. Freunde zum Mitmachen in der Küche und bei Tisch sind leicht zu finden, auf daß es ein fröhlicher Abend voller Genüsse auf dem Teller und im Glas werde, wobei das Gespräch und die Gelassenheit beim Durchprobieren der einzelnen Gänge nicht fehlen sollte.
Französische Küche soll kompliziert sein? Sehen Sie sich die Rezepte dieses Buches einmal genau an. Sie sind mit einer normalen Küchenausstattung leicht zu realisieren. Das Ergebnis ist auf den stimmungsvollen Fotos zu sehen. Und wenn ein Gericht einmal eine etwas längere Garzeit verlangt, verbringen Sie die Zeit mit der Vorfreude und einem guten Gespräch beim Aperitif. Die Zeit, die Sie sich nehmen, ist ein Stück genußvoll verbrachten Lebens. In diesem Sinne läßt sich auch bei uns das Savoir vivre einbürgern, ohne Übersetzung, im Sinne eines europäischen Gefühls, das keine Grenzen kennt.
Die kulinarischen Regionen
Haben Sie schon einmal einen Wein aus dem Département Gironde probiert, oder bevorzugen Sie den köstlichen Roten aus der Region Aquitaine?
Wahrscheinlich greifen Sie im Zweifel zu einem Bordeaux aus dem Médoc. Daß es sich in allen Fällen um die gleiche Gegend handelt, wird Ihnen vielleicht schon aufgefallen sein. Ich möchte damit nur zeigen, wie schwierig es ist, Frankreich in einer einigermaßen übersichtlichen Form darzustellen. Die nach der Revolution geschaffenen 95 Départements sind niemals in das Bewußtsein des Volkes eingegangen. Zwar wurden die Départements 1982 zu 22 Regionen zusammengefaßt, die zum Teil historischen Provinzen entsprechen, doch vertraute Namen wie Savoyen, das Baskenland, das Bordelais, das Périgord finden sich hier auch nicht wieder. Was tun? Die regionale Küche Frankreichs ist so vielfältig wie seine Landschaften, wie die Produkte, die diese Landesteile hervorbringen. Um dieses Kochbuch dennoch übersichtlich zu gestalten, habe ich mich entschlossen, die große Vielfalt nach kulinarischen, das heißt kulturellen Einheiten zu strukturieren und diese in acht Kapiteln zusammenzufassen. Dabei war nicht zu vermeiden, daß auch sehr unterschiedliche Gebiete in einem Kapitel nebeneinander stehen.
Champagne, Paris, Île-de-France
Paris, die turbulente Hauptstadt, und zwei stille, undramatische Landschaften sind in diesem Kapitel vereint. Die Pariser Küche ist vor allem geprägt durch die Schule der großen Meister der Kochkunst mit ihren berühmten Saucen. Bekannte Gerichte der Restaurantküche wie die Zwiebelsuppe, die in der ganzen Welt bekannten Pommes frites und die luftigen Brioches stammen aus Paris. Die Gartenlandschaft um die Hauptstadt, die Île-de-France, ist bekannt für ihre köstlichen Gemüse und Früchte wie Spargel aus Argenteuil, Möhren aus Crécy und Erdbeeren aus dem Tal des Bièvre. Süßwasserfische und Wild gehören zu den Schätzen des Landes. Küche und Landschaft der Champagne bilden einen krassen Gegensatz zu dem perlenden Luxuswein gleichen Namens. Grundsolide und schlicht – so könnte man beide bezeichnen. Wurst und Schinken, Schweinefuß und Kalbskopf sind hier die Spezialitäten.
Elsaß, Lothringen, Franche-Comté, Savoyen
Im Elsaß wird nicht nur ein alemannischer Dialekt gesprochen, auch die Küche orientiert sich am östlichen Nachbarn. Sauerkraut und Schweinefleisch, Gans und Gänseleberzubereitungen sind Grundpfeiler der elsässischen Küche. In Lothringen ist die Küche französischer, feiner. Der Obstbau spielt hier eine große Rolle. Aus den Waldbergen der Vogesen stammen feine Mineralwässer. In den Jurahügeln der Franche-Comté und den Westalpen Savoyens ähnelt die Küche der der benachbarten Welschschweiz. Sahne und Käse sind wichtige Grundzutaten, außerdem Forellen, Hechte und Krebse.
Dauphiné, Burgund, Bresse, Lyonnais
Eine wichtige Säule burgundischer Gerichte ist der Wein, in dem Fisch, Geflügel, Fleisch und Wild gegart werden, aber auch die Schnecken aus den Weinbergen und der bekannte Senf aus Dijon prägen die Küche. Rindfleisch aus dem burgundischen Charolais, Schinken aus Morvan, Wurstspezialitäten aus Lyon und das feine Geflügel der Bresse sind in ganz Frankreich begehrt. Zwischen der italienischen Grenze im Osten und der Rhöne im Westen liegt die Dauphiné, deren Küche vor allem für ihre Aufläufe aus allen erdenklichen Zutaten bekannt ist.
Provence, Languedoc-Roussillon, Korsika
Die Provence und das Land um Nizza bieten eine verschwenderische Fülle an Fischspezialitäten, von denen die Bouillabaisse wohl die bekannteste ist. Lammfleisch und alle südländischen Gemüsesorten sowie Olivenöl sind Elemente der äußerst variantenreichen Küche. Weite Ebenen an der Küste und Berge mit wilden Schluchten im Hinterland – das ist die Landschaft von Languedoc und Roussillon. Die Küche ist nicht so variantenreich, doch sind auch hier Fische und Meeresfrüchte Grundelemente der Küche, dazu deftige Eintöpfe wie das Cassoulet. Korsika, die Insel der Schönheit im Mittelmeer, ist vor der Entdeckung durch den Tourismus ein karges, armes Land gewesen. Entsprechend einfach ist die Küche. Fleisch von halbwilden Schweinen, von Ziegen und Schafen, Honig, Kräuter und Kastanien sind die Produkte des Landes, dazu Fische aus dem Mittelmeer.
Der Südwesten: Midi-Pyrénées, Aquitanien
Hinter dieser Kurzbezeichnung verbirgt sich ein äußerst vielgestaltiges Gebiet, das sowohl die Pyrenäen als auch das Bordelais, Béarn, die Gascogne und die Dordogne samt dem Périgord umfaßt. Die baskische Küche wartet mit so seltsamen Namen wie Tripotch, Loukinkas und Ttorro, Blutwurst vom Schaf, Knoblauchwürstchen und Eintopf aus Atlantikfischen, auf. In der Gascogne werden Hühner, Perlhühner, schwarze Puten und Gänse in den Wäldern gezüchtet. Die deftige Küche des Périgord bietet Enten- und Gänsespezialitäten in reicher Fülle. Aristokratisch und fein wie der Wein schmecken die Gerichte aus dem Bordelais. Neben Fischen und Meeresfrüchten sind es vor allem Rindfleischgerichte, die gut zum Rotwein passen.
Auvergne, Limousin
Stille, dünn besiedelte Landschaften, die Vulkankegel des Zentralmassivs und die nordwestlichen Ausläufer dieses bizarren Gebirges kennzeichnen die küstenferne Mitte Frankreichs. Bäuerlich und einfach ist die Küche aus dem kargen Zentralmassiv. Kartoffelgerichte, einfache, wohlschmeckende Suppen und Eintöpfe mit Hammel- oder Rindfleisch, Milch und Käse herrschen vor. Im Limousin gehören Edelkastanien zu den Grundzutaten.
Poitou-Charentes, Loiretal
Die Küche der Charentes, bekannt als Ursprungsgebiet des Cognac, basiert auf den Schätzen des Atlantiks. Milch, Sahne, Butter und Wein sind wichtige Elemente der einfachen Küche. Das gleiche gilt für die Vendée, die hinter ihren vielbesuchten Stränden ein stilles Land ist. Die bekanntesten Spezialitäten des Poitou sind Süßspeisen, Gebäck und Konfekt. Das Loiretal, Land der Schlösser, ist ein Schlaraffenland nicht nur für Gourmets und Weinfreunde. Aus erstklassigem Fleisch, Fisch, Wild und Wildgeflügel, Gemüse und Obst werden die Spezialitäten in königlicher Vollendung bereitet.
Bretagne, Normandie, der Norden
Rauh, schrundig und sturmgepeitscht präsentiert sich die Bretagne, der westlichste Vorposten Frankreichs. Atlantikfische und allerhand Krabbenarten, das nach dem Salz des Meeres schmeckende Lammfleisch sowie Crêpes sind Nationalgerichte. Wie in der Normandie trinkt man Cidre statt Wein. In der Normandie am Ärmelkanal sind Butter, Sahne und Milch wichtige Grundzutaten. Im äußersten Norden, in dem der Übergang zum belgischen Flandern schon deutlich zu spüren ist, finden Sie eine deftige Küche, zu der Bier getrunken wird, und viele Gebäckspezialitäten.
Die Geschichte der französischen Küche
Französische Küche?
Raffiniert...