Erweiterungen des kollektiven Bewusstseins seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges
Die erste bewusstseinserweiternde Erfahrung, ausgelöst durch LSD oder eine andere psychedelische Substanz (oder einen anderen Katalysator), stellt oft einen bedeutenden transformativen Wendepunkt im Leben eines Individuums dar. Ich behaupte, dass auch die Einführung psychedelischer Substanzen in der westlichen Kultur Mitte des vergangenen Jahrhunderts einen ähnlichen Effekt hatte: sie katalysierte eine Serie tiefgehender sozio-kultureller Transformationsbewegungen. Synchronistische Erweiterungen des kollektiven Bewusstseins schienen sich in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft zu zeigen. Diese transformativen bewusstseinserweiternden Bewegungen können als Antwort der kollektiven Psyche gesehen werden auf eine noch niemals dagewesene Bedrohung der Zivilisation: Nukleare Bedrohung, rapide Beschleunigung der Umweltzerstörung und rasendes Bevölkerungswachstum.
Bei einem Individuum führt besonders die erste psychedelische Erfahrung typischerweise zu einer mehr oder weniger totalen Dekonstruktion der Weltsicht, ebenso des Modells der Realität und der sozialen Beziehungen, die wir aufgrund unserer Erziehung und Ausbildung akzeptieren lernten. Das Individuum wird sich oftmals neuer Möglichkeiten und neuer Auswahlen bewusst, die getroffen werden können. Diese Erweiterung des Bewusstseins oder die erhöhte Selbst-Wahrnehmung ist die Grundlage der therapeutischen Anwendung psychedelischer Substanzen, etwa in Bereichen wie der Suchtbehandlung. Ähnlich forderten auf sozialer und kultureller Ebene die bewusstseinserweiternden Bewegungen die konventionelle Ordnung heraus und motivierten so die Gruppen, neue Optionen zu entdecken und neue Werte anzuregen. Meine These ist, dass die Entdeckung von LSD in den 1940er Jahren und dessen grösste Verbreitung und Anwendung in den 1960er Jahren die Geburt einer neuen Kultur der Bewusstseinserweiterung einleiteten und zu tiefgehenden heilenden Veränderungen in wichtigen Bereichen der Gesellschaft im folgenden halben Jahrhundert geführt haben.
Die Menschheit war an einem schrecklichen Höhepunkt destruktiver Gewalt angelangt: sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch im Holocaust der Nazis – mit einem enorm ausgeweiteten Destruktions-Potential als Resultat wissenschaftlichen „Fortschritts“. In den folgenden Dekaden versuchten Staatsführer und Gruppen in allen Ländern neue politische Institutionen zu entwickeln, um die scheinbar hartnäckigen Tendenzen zu weiterer Gewalt einzudämmen und Rechtsstaatlichkeit anstatt von Gewalt zur Lösung gesellschaftlicher Differenzen zu etablieren. Zur selben Zeit – Kontrapunkt zu den nuklearen Todeswaffen und dem Völkermord des Holocaust – schien die Entdeckung bewusstseinserweiternder Drogen revolutionäre Veränderungen im kollektiven Bewusstsein zu katalysieren, auch wenn diese Drogen nicht direkt in diese Bewegungen involviert waren.
Ein neues Buch des Philosophen Richard Tarnas, Cosmos und Psyche (Tarnas, 2006), hat gezeigt, dass zyklische Konstellationen der äusseren Planeten, zumal in den harten Aspekten (speziell rechtwinklige und oppositionelle Konjunktionen), auf tiefe archetypische Kräfte hinweisen, die sich synchron in geschichtlichen, politischen und kulturellen Bewegungen entladen können. In modernen Begriffen der alten astrologischen Wissenschaft bedeutet dies, dass die zwölf Tierkreiszeichen meistens mit einer universalen Bewusstseinserweiterung dann eintritt, wenn Uranus plötzlich und dramatisch seine kosmisch-stellare Position verändert; Neptun, wenn allmählich seine Grenzen aufgelöst werden, während Jupiter mit erweiternden Werten und Visionen verknüpft ist; Saturn mit Konzentration, stabilisierenden Ordnungssystemen und Kontrolle. Und Pluto schliesslich repräsentiert die explosive, vorwärtstreibende Kraft von Gewalt und Gewalttätigkeit. Am Ende des Zweiten Weltkriegs, standen Saturn und Pluto nahezu im rechten Winkel zueinander, was die gewaltsame Zerstörung der bestehenden sozialen Ordnung symbolisiert; wenn jedoch Jupiter und Uranus auf einer Linie liegen, so lässt dies auf ein Zeitalter weitsichtiger Vision schliessen.
Tarnas Beschreibung der zyklisch-kosmischen Veränderungen der äusseren Planeten liefert eine Bestätigung und eine Ergänzung zu den linearen, „oktavischen“ Dekaden der Bewusstseinsveränderungen, die ich hier skizziere. Im Folgenden beabsichtige ich für jedes Jahrzehnt (Dekade) zuerst alle politischen und ökonomischen Ereignisse zu rekapitulieren, und zwar im Hinblick auf eine Entwicklung zu einer offeneren und gewaltloseren Gesellschaft: sowohl in der Welt als auch in den USA. Zweitens gebe ich einen Überblick über die neuesten Entwicklungen in der Kultur, Wissenschaft und Technologie, die das enge Zeit-Bewusstsein aus seiner Verkapselung befreien und eine ausgedehnte Sicht der Welt ermöglichen. Drittens werde ich kurz auf die Entwicklungen in der Untergrundkultur der psychedelischen Revolution zu sprechen kommen.
Die 1940er Jahre
Globale und US-amerikanische Politik
Der Weltkrieg tobt in Europa. Nazideutschland überfällt und besetzt Dänemark, die Niederlande, Belgien und Frankreich und startet den Luftkrieg gegen England. Japan greift Pearl Harbor an und zieht die USA 1942 in den Krieg. Mit dem Kriegseintritt der USA zieht die Kriegsökonomie das Land aus der wirtschaftlichen Depression der 1930er Jahre. Deutsche Truppen marschieren in Russland ein und stossen bis nach Moskau vor. Sie werden wie einst Napoleon zurückgeschlagen, zum Teil wegen der brutalen Kälte des sowjetischen Winters. Die Juden im Warschauer Ghetto erheben sich gegen die Nazis, die Tausende von ihnen massakrieren. Alliierte Truppen marschieren siegreich in Italien ein, der faschistische Diktator Mussolini wird von einem Mob ermordet. Unter dem Kommando General Eisenhowers stürmen alliierte Trupen die Normandie: Frankreich wird von den Alliierten befreit. Roosevelt wird 1944 das vierte Mal zum amerikanischen Präsidenten gewählt. Sowjetische Truppen befreien das polnische Konzentrationslager Auschwitz. In deutschen Konzentrationslagern kommen 6 Millionen Juden, Dissidenten, Behinderte und andere Minoritäten ums Leben. Im August 1945 planen die USA den Abwurf von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, obwohl Japan zur Kapitulation bereit war. Über 100 000 Menschen werden sofort getötet. Als der Zweite Weltkrieg endet, haben 50 Millionen Menschen ihr Leben verloren.
Auf einer Konferenz in San Francisco werden 1946 die Vereinten Nationen (UN) gegründet – ihre Mission: „die Geissel des Krieges für immer zu beseitigen“. Die UN-Generalversammlung verabschiedet eine Universelle Erklärung der Menschenrechte. Nach dem Krieg verstärken sich die diplomatischen Konflikte zwischen den Vereinigten Staaten und der UdSSR, ein „eiserner Vorhang“ wird durch Europa gezogen und der Kalte Krieg um globalen Einfluss und ein nukleares Wettrüsten beginnen, die die Welt in den kommenden 50 Jahren beherrschen werden. Die Truman-Doktrin der „Eindämmung“ des sowjetischen Einflusses etabliert die Politik des Kalten Kriegs. In den USA werden das Verteidigungsministerium und die CIA gegründet und lassen bereits die Schatten der folgenden Dekaden erahnen, die durch wachsende Militarisierung, geheime Interventionen und destabilisierende Operationen der USA überall in der Welt gekennzeichnet sind. Beobachtungen von Ufos werden häufiger in den Medien gemeldet, wenn auch stets mit Ablehnung und Leugnung. Es ist eine für sich sprechende Evidenz (auch wenn erst viel später publik gemacht), dass die Häufigkeit der Beobachtung von Ufos mit nuklearen Test-Explosionen in Verbindung steht.
Der Marshall-Plan bringt grosse Finanzmittel für den Aufbau der europäischen Ökonomie. Die NATO wird gegründet, um Europa vor einer angeblichen sowjetischen Invasionsgefahr zu schützen. Deutschland wird in zwei Nationen geteilt, die zu US-amerikanischen beziehungsweise sowjetischen Klientenstaaten werden.
Indien erlangt die Unabhängigkeit vom britischen Kolonialimperium; Millionen kommen bei den Kämpfen nach der Trennung des hinduistischen Indiens und des moslemischen Pakistans 1947 ums Leben. In dem gerade unabhängig gewordenen Indien wird der Apostel der Gewaltlosigkeit, Mahatma Ghandi, ermordet (1948). Der Staat Israel wird im Mittleren Osten gegründet, was einen jahrzehntelangen arabisch-israelischen Konflikt herausfordert. In Südafrika wird die rassistische Apartheid institutionalisiert. In China endet der Bürgerkrieg, und der kommunistische Führer Mao Tse-tung wird der Vorsitzende der Volksrepublik China. In den USA gibt es Rassenunruhen in Harlem und 46 anderen Städten. Studenten gründen den Congress of Racial Equality (CORE), um gegen die Rassendiskriminierung mit Ghandis gewaltfreien Methoden zu opponieren.
Bewusstseinserweiternde Entwicklungen in Kultur, Wissenschaft und Technik
Bereits in den 1930er Jahren und sogar schon früher gab es bedeutende Erweiterungen der westlichen Weltsicht durch die Arbeiten der Schule des kulturellen Relativismus von Anthropologen wie Franz Boas, Ruth Benedict und Margaret Mead. Sie forderten, das von ethnozentrischer Superiorität geprägte Herangehen der westlichen Wissenschaft an so genannte „Primitive“ aufzugeben und stattdessen die Methode der „teilnehmenden Beobachtung“ anzunehmen. Auch die Archäologen...