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Die Förderung interkulturellen Fremdverstehens durch Dramapädagogik im Englischunterricht der Sekundarstufe I

AutorAnna Schütz
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl77 Seiten
ISBN9783656610366
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Didaktik - Englisch - Pädagogik, Sprachwissenschaft, Note: 1,5, Ruhr-Universität Bochum, Sprache: Deutsch, Abstract: Im heutigen bildungspolitischen und erziehungswissenschaftlichen Diskurs ist das Konzept des interkulturellen Lernens zu einer festen Bezugsgröße geworden. Angetrieben von der zunehmenden Annäherung politischer, ökonomischer und sozialer Systeme unterschiedlicher Gesellschaften, sowie einer durch Migration und kulturelle Pluralität gekennzeichneten Bundesrepublik, hat dieses Konzept auch Eingang in die Schulcurricula gefunden. Trotz der herausragenden Stellung, die interkulturellem Lernen insbesondere im Fremdsprachenunterricht inzwischen eingeräumt wird, sind in den Bildungsstandards und Kernlehrplänen kaum Hinweise darauf zu finden, auf welche Weise die Lernenden die als 'Interkulturelle Kompetenzen' bzw. 'Interkulturelle Handlungskompetenzen' bezeichneten Lehr- und Lernziele erreichen sollen. Viele Pädagogen und Fremdsprachendidaktiker weisen deshalb mit Recht auf die Einsamkeit der Lehrkräfte bei der Umsetzung interkultureller Kompetenzziele hin.

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Leseprobe

3. DRAMAPÄDAGOGIK – EINE VIELFÄLTIGE METHODE


 

Dramapädagogik[1] ist eine handlungsorientierte, kreative und ganzheitliche Lehr- und Lernmethode, die die Mittel des Theaters, wie das Rollenspiel oder die szenische Darstellung, für pädagogische Zwecke nutzt. Trotz des Rückgriffs auf theatralische Arbeitsformen ist der Begriff „Drama“ im hier gegebenen Kontext weder mit dem literarischen Genre noch mit der Kunstform des Theaters gleichzusetzen (Kessler 2008: 24). Während beim Theater die Aufführung eines erarbeiteten Stückes auf der Bühne im Vordergrund steht, tritt das Agieren vor einem (Schüler)Publikum bei der dramapädagogischen Arbeit als zweitrangig zurück. Denn wie Manfred Schewe in seiner Dissertation zur dramapädagogischen Lehr- und Lernpraxis betont, steht hier nicht die künstlerische Qualität einer Aufführung, sondern die Qualität von Lernprozessen im Vordergrund. Demnach bilden dramatische Kunstformen lediglich das Fundament für eine pädagogische Lehr- und Lernkunstform, die Lehrkräfte und SchülerInnen zur Inszenierung von Lernprozessen nutzen können (Schewe 1993: 112). Hierin liegt auch der Unterschied zur Theaterpädagogik begründet. Wie Greschonig herausstellt, geht es in der Theaterpädagogik vorrangig darum, „die Ausdruckfähigkeiten der Kinder und Jugendlichen durch das Medium Theater zu schulen und zu ästhetisieren“ (2002: 13). Dabei geht es weniger um die Vermittlung kognitiver, affektiver und sozialer Inhalte, sondern es wird ein künstlerisches Lernziel verfolgt, sodass der ästhetische Anspruch sich als mindestens genauso wichtig erweist wie der pädagogische. 

 

 Auf internationaler Ebene hat sich Dramapädagogik schon seit längerer Zeit als eine erfolgreiche Lehr- und Lernmethode in unterschiedlichsten Fächern etabliert. Ein Zeugnis davon ist der seit über drei Jahrzehnten jede zwei Jahre stattfindende Weltkongress „Drama in Education“ unter der Schirmherrschaft des österreichischen Bundesverbandes für außerberufliches Theater. Dieser stellt eine in Europa einzigartige Möglichkeit der Fortbildung in den Bereichen Drama- und Theaterpädagogik dar. 

 

Insbesondere die Verbindung von Drama/Theater und Fremdsprachenlehre blickt auf eine lange Vergangenheit zurück. Bereits Ende des neunzehnten Jahrhunderts erkannte der französische Fremdsprachenpädagoge François Gouin den positiven Zusammenhang zwischen körperlicher Handlung und Sprachproduktion. Er entwickelte eine Sprachlehrmethode, der das kindliche Spiel als Modell zugrunde lag. In einem nach dieser Methode gestalteten Unterricht steht zunächst eine vom Schüler auszuführende Handlung in einer von ihm erdachten Situation im Vordergrund. Erst nach mehrmaliger Ausführung, wird die Handlung von sprachlichen Äußerungen begleitet. Auf diese Weise sollte die natürliche Sprachproduktion gefördert und das Erlernen von Sprachen erleichtert werden (Schewe 2007 1f). Obwohl Gouin sich in seinem Konzept nicht explizit auf den Bereich Drama und Theater bezieht, legt er mit seinem Konzept den Grundstein für „das Sprachhandeln in bestimmten Kontexten“ (Schewe 1997: 1). 

 

Der Ursprung einer theoretisch fundierten dramapädagogischen Unterrichtspraxis liegt jedoch in Großbritannien. Bezeichnend für die Entstehung von „Drama in Education“ als einer allgemeindidaktischen Disziplin, die sowohl als ein eigenes Schulfach, aber auch als komplexe Methode in anderen Schulfächern praktiziert wurde, waren die britischen Pädagogen Gavin Bolton und Dorothy Heathcote. Ihnen ist es zu verdanken, dass „in den 70er/80er Jahren die in der theatralen Kunstform Drama angelegten Möglichkeiten – kreative, kognitive, emotionelle, soziale, ästhetische, (senso)motorische – ins pädagogische Bewußtsein [sic] gelang[t]ten“ (Schewe 1993: 87, Hervorhebung im Original). Vordergründig ging es Heathcote und Bolton darum, herauszufinden, „how the artform of drama could be exploited by the teacher and students to explore important issues, events, or relationships” (Taylor 2000: 102). In einem gemeinsam geschaffenen, fiktiven dramatischen Kontext, sollten die Lerner zu einem Verstehen angeleitet werden, welches, ausgelöst durch emotionelles Erleben, zu einer veränderten Wahrnehmung bzw. neuen Einsicht führte. So sollten die SchülerInnen beispielsweise durch die Übernahme unterschiedlicher Rollen ungewohnte Denk- und Fühlweisen an sich erfahren und auf diese Weise gleichzeitig etwas über sich selbst lernen. 

 

Die diesem Vorgehen implizite sinnlich-ganzheitliche und erfahrungsbezogene Lernerfahrung schließt die inhaltliche und kognitive Dimension des Lernprozesses nicht aus. Heathcote und Bolton sprechen sich eindringlich für das Lernen von Fachinhalten aus. Ihrer Ansicht nach wird die Arbeit an Themen und Inhalten im dramapädagogischen Unterricht um eine affektive Komponente bereichert. Die Lernprozesse, die in einem solchen Unterricht initiiert werden, „sind qualitativ anders, denn die Form der Aneignung führt zu einer tieferen Verankerung von Wissen: Affekt und Kognition verschmelzen im Prozess der Aneignung von konzeptuellem Wissen“ (Schewe 1993: 113).  

 

In Bezug auf den Zweitsprachenerwerb fanden die Überlegungen und methodischen Ansätze zur Verbindung von Drama/Theater und Pädagogik von Gouin, Heathcote und Bolton spätestens mit der kommunikativen Wende im Fremdsprachenunterricht in den späten 1960er und 1970er Jahren Beachtung, wenn es darum ging, mittels Dialogen und Rollenspielen Situationen im Klassenraum zu erzeugen, die den mündlichen Sprachgebrauch förderten. Dass diese, meist von der Lehrkraft oder dem Lehrbuch vorgegebenen, in sich geschlossenen und an Alltagsituationen gebundenen Sprachübungen, kaum das zu leisten vermögen, was sie sich zum Ziel setzen, nämlich authentische Kommunikation zu fördern, ist wenig überraschend. Denn diese, von Kao und O`Neill als „Closed and Contolled Drama Approaches“ bezeichneten Übungen, verfehlen in aller Regel das Potenzial der Kunstform des Dramas:

 

The problem is that these experiences lack any resemblance to authentic language interactions. A minimum of context is supplied for such exercises, and they contain little that is unexpected or unpredictable. Because of repeated rehearsal and the simplicity of the interactions involved, these tasks may at first appear to produce language that is fluent and accurate. However, retention and transfer of learning may be disappointing, since no selfgenerated communication is taking place during these activities. (1998: 6)

 

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass das dramatische Potenzial im Hinblick auf den Fremdsprachenerwerb sich insbesondere in der Konstruktion fiktiver Handlungskontexte offenbart, „die den Lernenden Identifikations- und sprachliche Handlungsmöglichkeiten bieten, durch die im Imaginären reale Sprache angewendet werden kann“ (Ortner 1998: 142, Hervorhebung A. S.). 

 

Die Vorstellung, dass natürliche Interaktionssituationen beim Handeln in fiktiven Kontexten entstehen können, mag zunächst paradox klingen. Folgt man jedoch neueren Forschungsergebnissen, die darauf hinweisen, dass die besten Resultate in der Sprachproduktion dann registriert werden, „wenn die Lernenden mit „Sprachnotsituationen“ konfrontiert werden, in denen sie situationsgemäß und unmittelbar sprechen müssen“ (Vaninetti 2005: 4 f), erscheint diese Überlegung plausibel. In fiktiven Kontexten werden die SchülerInnen – sowohl körperlich als auch emotional – in das Geschehen einbezogen, sodass eine innere Betroffenheit ausgelöst wird, die authentische und flexible Reaktionen erfordert und fördert. Die Schweizer Dramapädagogin Elektra Tselikas betont, dass ebenso wie das Geschehen auf der Theaterbühne die fremde Welt im Unterricht „eine Realität [erlangt], die oft realer ist, d.h. uns viel näher berührt, als manche Begebenheiten unserer Alltagsrealität“ (1999: 16), weil hier Gefühle, Erlebnisse und Geschehnisse „zur Schau gestellt“ und ins Bewusstsein gerufen werden. Zudem zeichnen sich die in der fiktiven Welt entstehenden Gesprächssituationen durch eine Unmittelbarkeit und Unvorhersehbarkeit aus, die die Entstehung von Sprachnotsituationen begünstigen. Da kein starres Skript vorliegt, das das Geschehen bestimmt, werden die Lernenden dem Druck ausgesetzt spontan und verständlich sprachlich zu handeln (a.a.O.: 41). 

 

Handeln in vorgestellten Situationen geht mit einem Handeln in vorgestellten Rollen einher. Ähnlich wie Schauspielerinnen und Schauspieler werden die SchülerInnen im dramapädagogischen Unterricht dazu angehalten, sich in die Lage der Person zu versetzen, die sie spielen sollen. Je genauere Vorstellungen sie von ihrer Rolle und der Situation entwickeln, „umso besser sind sie in der Lage, reale Räume und Gegenstände, die Mitspielenden und sich selbst als andere wahrzunehmen und aus der Rolle heraus zu handeln“ (Scheller 1998: 26). Erst wenn die Vorstellungen der SchülerInnen systematisch aufgebaut und entfaltet werden, haben sie die Gelegenheit, sich Schritt für Schritt in die Rolle und die Situation einzufühlen, sodass ihr Handeln im Spiel nicht fiktiv und bloße Inszenierung bleibt, sondern so real wird, wie in analogen Alltagssituationen auch (ebd.). Wie Schewe nach einer Analyse zahlreicher Rollenspiele in Lehrbüchern jedoch feststellt, wird im Unterricht meist auf eine ausführliche Vorbereitung von Rollenspielen verzichtet. Weder werden die zu übernehmenden Rollen genau definiert, noch erhalten die SchülerInnen Einfühlungshilfen,...

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