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Die Funktion der Sprache im politischen Diskurs des 'Movimiento 15-M'

AutorSandra S.
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl66 Seiten
ISBN9783668428027
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Romanistik - Fächerübergreifendes, Note: 1,7, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Sprache: Deutsch, Abstract: Protestsprache als solches ist nicht klar definiert und kann auch nicht im Diasystem der Sprache eingeordnet werden. Wodurch zeichnet sich Protestsprache also überhaupt aus? Entspricht ihre Funktion der generellen Funktion von Sprache? Kann sie in den Bereich der Sprache der Politik eingeordnet werden? Welche Merkmale hat dieser politische Diskurs? Wie kam es überhaupt zu den Protesten in Spanien, was forderten die Demonstranten? Und vor allem: Mit welchen sprachlichen Mitteln versuchten sie diese Forderungen durchzusetzen? Welchen Wortschatz nutzten sie? Wie wirkt ihre Sprache? Haben die Demonstranten mittels ihrer Sprache kurz- oder sogar langfristig etwas bewirkt? Um diese Fragen beantworten zu können, soll zunächst die Sprache der Proteste in einen theoretischen Rahmen eingeordnet werden. Dafür wird die Funktion von Sprache im Allgemeinen erörtert, um im Folgenden näher auf die Sprache im politischen Diskurs einzugehen. Darauf folgend wird kurz auf den Hintergrund der Proteste des Movimiento 15-M eingegangen, um im Anschluss auf die sprachlichen Auffälligkeiten, ihre Funktion und vor allem das sprachliche Verfahren der Protestierenden einzugehen. So soll schlussendlich geklärt werden, welche Funktion die Sprache im politischen Diskurs des Movimiento 15-M hatte. Da die Thematik der vorliegenden Arbeit sehr aktuell ist, wurde vor allem Sekundärliteratur zu den verschiedenen theoretischen Hintergründen, aber auch zu den Hintergründen der Proteste verwendet. Aufsätze, Monographien und Zeitungsartikel rund um die Bewegung stammen aus den Jahren 2011 bis 2013, ein Großteil davon bezieht sich auf die Internetpräsenzen der einzelnen Protestorganisationen. Vor allem die spanischen Medien beschäftigten sich schließlich auch mit der Sprache der Proteste, diesbezüglich wurde zusätzlich ein Interview mit einem Mitglied der Democracia Real Ya hinzugezogen. Zum sprachlichen Korpus zählen zwei Manifeste der größten Protestorganisationen sowie eine Zusammenstellung verschiedener Leitsprüche.

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Leseprobe

3 Hintergrund des Movimiento 15-M


 

Bevor die des Movimiento 15-M genauer untersucht werden kann, soll zunächst auf die Ereignisse und äußeren Umstände der Proteste eingegangen werden, um das sprachliche Korpus in einen Zusammenhang zu stellen.

 

3.1 Ursprung der Proteste


 

Obwohl erst das Jahr 2011 als Jahr der weltweiten Protestbewegungen gilt, liegen die Ursprünge der spanischen Proteste schon in den vorangegangenen Jahren. Das einstige „milagro económico“ verwandelte sich seit 2008 immer mehr in eine Wirtschaftskrise.[77] Zwischen 2008 und 2009 verdoppelte sich die Arbeitslosenquote in Spanien und erreichte 20 Prozent. Damit stieg die Zahl der Arbeitslosen auf fast fünf Millionen.[78] Und spätestens die wirtschaftspolitischen Entscheidungen zur Euro- und Finanzkrise im Mai 2010 schufen den „Nährboden für eine Reihe neuer Protestformen“ gegen die Methoden der Regierung.[79]

 

Im Herbst 2010 verschärfte sich die Lage schließlich zunehmend. Bereits für den 29. September 2010 riefen die Confederación Sindical de Comisiones Obreras[80] und die Union General de Trabajadores de España[81] gemeinsam mit der Izquierda Unida[82] und den kommunistischen Parteien zu einem eintägigen landesweiten Generalstreik auf. Damit wollten sie gegen den Sparkurs der damaligen Regierung unter Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero (Partido Socialista Obrero Español[83]) demonstrieren.[84]

 

Gleichzeitig kündigte die Gruppe Movimiento 25-S, die sich zuvor im Juni 2010 zusammengefunden hatte, eine Demonstration für den 25. September an, um auf den Generalstreik aufmerksam zu machen.[85]

 

Am frühen Abend des 25. September 2010 wurde schließlich das ehemalige Banesto-Bankgebäude am Plaza Catalunya in Barcelona mit rund 300 Personen besetzt, um auf diese Weise ein „alternatives Informations- und Tagungszentrum“ für die Vorbereitung des Generalstreiks zu schaffen.[86]

 

Ab Dezember 2010 sorgte schließlich auch das Sinde-Gesetz[87] zur Wahrung geistigen Eigentums für Protestaktionen. Am 13. Februar 2011 rief die Hackergruppe Anonymous zu einem friedlichen Protest gegen das Gesetz auf. Vor dem Teatro Real in Madrid demonstrierten rund 300 Teilnehmer mit Masken und Protestschildern – das Sinde-Gesetz wurde dennoch am 15. Februar 2011 verabschiedet.[88]

 

Daraufhin formierten sich verschiedene Blogger und colectivos, die im Internet und vor allem in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter zum Protest gegen die Regierung aufriefen.[89] Zu ihnen gehörte auch Fabio Gándara, ein 26-jähriger arbeitsloser Rechtsanwalt, der im Internet seine Mitmenschen mobilisierte. In dem sozialen Netzwerk Facebook gründete er eine Gruppe, um seine Mitstreiter koordinieren zu können. Unter dem Namen Democracia Real Ya rief er so schließlich eine Art „Graswurzelbewegung des Protests“ ins Leben, mit der er landesweite Proteste organisierte. Die Demonstranten sollten nach Stéphane Hessel ihre Empörung über die Missstände ihres Landes kund tun und sich dafür in insgesamt 58 spanischen Städten versammeln. Als Datum wurde der 15. Mai 2011 auserkoren, da eine Woche später die Kommunal- und Regionalwahlen stattfanden, bei denen die Politik bereits die Konsequenzen zu spüren bekommen sollte.[90]

 

3.2 Verlauf des Movimiento 15-M


 

Am 15. Mai 2011 folgten schließlich rund 130.000 Demonstranten in 58 spanischen Städten dem Aufruf der Initiative Democracia Real Ya, um zu zeigen, „dass die beiden großen Parteien nicht fähig sind, die Mehrheit der Spanier_innen politisch zu vertreten, dass man mit leeren Versprechen an der Nase herumgeführt wird“.[91]

 

In Madrid erstreckte sich die Demonstration vom Plaza Cibeles bis zur Puerta del Sol, sodass der Verkehr auf der Hauptstraße Gran Via zum Erliegen kam und es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei und mehreren Verhaftungen kam.[92]

 

Schließlich errichteten die Demonstranten ein Lager auf der Puerta del Sol, wo sie bis zur Kommunal- und Länderwahl am 22. Mai 2011 bleiben wollten. Am 16. Mai 2011 wurde auch in Barcelona ein unbefristetes Zeltlager eingerichtet, diesem Beispiel folgten schließlich viele andere Demonstranten in den spanischen Regionen und Provinzen.[93] Die Besetzungen wurden allerdings nicht von der Democracia Real Ya geplant, „sie entwickelten sich spontan, unter Mitwirkung vieler kleiner Organisationen“.[94]

 

„Mit der Zeltstadt wurde ein kaum misszuverstehendes Zeichen gesetzt. Die Bewegung war nichts Vorübergehendes mehr. So dynamisch sie auftrat, so stationär sollte sie nun werden. Die Besetzung der Puerta del Sol in Madrid [...] oder der Plaza de Calatunya in Barcelona sollte heißen: Hier sind wir nun. Wir sind viele, und wir harren hier so lange aus, bis sich etwas Entscheidendes verändert hat. Solange es keine Ergebnisse gibt, keine Lösung in Aussicht steht, wird diese Form der Vergemeinschaftung fortgesetzt.“[95]

 

Am 27. Mai 2011 wurde schließlich der Plaza Catalunya polizeilich geräumt – angeblich, um Anfeindungen zwischen Fußballfans und Protestierenden beim anstehenden Champions-League-Spiel zwischen dem FC Barcelona und Manchester United zu verhindern. Bei der brutalen Räumung gab es insgesamt 121 Verletzte, doch schon am Nachmittag wurde der Platz erneut besetzt.[96]

 

Erst am 5. Juni 2011 beschloss schließlich der Hauptteil der Demonstranten auf dem Plaza Catalunya, die Zelte abzubrechen, den Platz aber dennoch weiterhin als Ort für Versammlungen und Veranstaltungen zu nutzen. Eine Woche später schlossen sich auch die Demonstranten in Madrid und vielen anderen Städten diesem Vorbild an.[97]

 

In den frühen Morgenstunden des 15. Juni 2011 versammelten sich schließlich rund 2000 Demonstranten vor dem katalanischen Parlament, um die Verabschiedung des Kürzungsbeschlusses Ley Ómnibus[98] zu blockieren. Es folgte eine Sommerpause und am 15. Oktober 2011 schlossen sich die Spanier den europaweiten Demonstrationen gegen die Finanzkrise und die Europapolitik an – in Barcelona demonstrierten rund 250.000 Menschen, in Madrid waren es sogar rund 500.000.[99]

 

3.3 Beteiligte und ihre Zielsetzungen


 

Die Beteiligten des Movimiento 15-M teilen sich in drei Gruppen auf: Zum einen die „prekarisierte Jugend“ und die Arbeitslosen Spaniens, zum anderen die Betroffenen von Zwangsräumungen.[100] Die Teilnehmer der Proteste waren vor allem junge Menschen, „ein Drittel von ihnen unter 35 Jahren“[101], viele von ihnen Studenten oder Akademiker, die die sozialen Netzwerke und das Internet nutzten, ihr Kern war ein “colectivo de nativos digitales“.[102] So entwickelte sich eine Art “bola de nieve“ – ein Schneeballsystem – über Internet und soziale Netzwerke, dass die Gründe und Ziele der Protestierenden schnell in ganz Spanien verbreitete.[103]

 

Als Gründe für die Proteste nannten die Demonstranten unter anderem “el enfado con los bancos, con la corrupción, con el sistema electoral y también con los medios de comunicación.“[104]

 

Der Aufruf der Democracia Real Ya mobilisierte somit „all diejenigen, die sich aus persönlicher Betroffenheit, aus eigenen Erfahrungen und ohne ideologische Positionierungen“ von der Bewegung angesprochen fühlten.[105] So formierten sich rund 200 „Mikro-Vereinigungen aller Art“, die sich der Bewegung Democracia Real Ya anschlossen.[106] Ein Hauptmerkmal der Bewegung ist, dass sie keine Anführer hatte. Zwar gehören Fabio Gándara und auch Pablo Gallego zu den Bloggern, die die Bewegung Anfang 2011 ins Leben riefen, doch es gibt unzählige andere Personen “detras de la organización de la manifestación“. Gándara und Gallego dienten zwar als “portavoces“ für die Medien, doch gelten sie nicht als Anführer des Movimiento 15-M. “Es un movimiento horizontal y democrático“, heißt es von der Democracia Real Ya.[107]

 

Die Generation der Protestierenden ist medial auch bekannt als die Generación Ni-Ni – die „Weder-noch-Generation“, sie informieren sich nicht, sie interessieren sich nicht, sie wählen weder Partido Popular[108] noch PSOE, sie sind ohne Haus, ohne...

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