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E-Book

Die Geschichte Pommerns

AutorKyra Inachin
VerlagHinstorff Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl250 Seiten
ISBN9783356016291
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Eine Geschichte Pommerns zu schreiben, von den Anfängen bis zur Gegenwart, ist eine Herausforderung. Diese besteht zum einen natürlich darin, akademisch gesichertes Wissen ansprechend und verständlich für ein breites Publikum darzustellen. Hinzu kommt andererseits der tiefe Einschnitt in der Landesgeschichte, den der Zweite Weltkrieg nach dem deutschen Überfall auf Polen verursacht hat. Vorpommern als der heute noch deutsche Teil der einst preußischen Provinz Pommern kann über weite Zeiträume nicht isoliert vom polnischen Teil betrachtet werden. Denn die Geschichte der gesamten Region war geprägt durch die Großstadt Stettin als dem wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Zentrum. Und so richtet die Greifswalder Historikerin Kyra Inachin den Blick ganz bewusst auf beide Seiten der deutsch-polnischen Grenze, auch wenn Vorpommern den Schwerpunkt der Abhandlung bildet.

Kyra Inachin, geboren 1968 in New York, gestorben 2012, studierte in Mannheim Geschichte, Anglistik und Politische Wissenschaften, promovierte 1995 und war danach wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Pommersche Geschichte und Landeskunde an der Universität Greifswald. Seit ihrer Habilitation (2002) über das Spannungsverhältnis zwischen Nationalstaat und regionaler Selbstbehauptung in der preußischen Provinz Pommern war sie Privatdozentin und seit 2008 außerplanmäßige Professorin am Historischen Institut in Greifswald.

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Leseprobe

NAPOLEONISCHE ZEIT

Französische Besatzung

1805 trat Schweden in den Krieg gegen Napoleon ein und verbündete sich mit Großbritannien. Stralsund erschien auf der strategischen Landkarte Europas, da Großbritannien und Russland in Schwedisch-Pommern eine Operationsbasis gegen Frankreich sahen. Schweden zog 8 000 Soldaten in Vorpommern zusammen. Zu ihnen stießen 20 000 Russen, die nach Mecklenburg weiter gen Westen marschierten. Auf ihrem Rückweg zogen russische Korps durch Stettin, wo sie vom preußischen Königspaar Friedrich Wilhelm III. und Luise im März 1806 begrüßt wurden. Die militärische Gefahr an der nordwestlichen preußischen Grenze bewog Friedrich Wilhelm III. im Frühjahr 1806, erneut zu versuchen, Schwedisch-Pommern zu erwerben. Der Ausbruch des Krieges zwischen Frankreich und Preußen beendete jedoch die Verhandlungen.

Als die französischen Truppen näher rückten, wollte Gustav IV. Adolf in Schwedisch-Pommern eine Landmiliz aufstellen. Als sich die Landstände widersetzten, erklärte der schwedische König am 26. Juni 1806 die Verfassung für aufgehoben und degradierte Schwedisch-Pommern zu einer einfachen Provinz. Da das Heilige Römische Reich Deutscher Nation nun nicht mehr existierte, konnten sich die Stände nicht wehren, als die Regierung in Stralsund aufgelöst wurde und an die Stelle der gutsherrlichen Patrimonialgerichte vier Amtsgerichte traten. Der Landtag, der sich geweigert hatte, den Erlass vom 30. April 1806 wegen der Errichtung einer Landwehr auszuführen, wurde aufgelöst. Seit dem 26. Juni galten die schwedische Verfassung und schwedisches Recht. Nach schwedischem Vorbild wurden vier Stände gebildet: Adel, Priester, Bürger und Bauern entsandten ihre Vertreter zu dem vom 14. bis zum 18. August 1806 abgehaltenen Landtag in Greifswald. Dort nahmen die Landstände die Kundgebungen des Königs entgegen und leisteten den Eid. Zur Durchführung der Reformen kam es jedoch nicht mehr.

Nach der Schlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 wurde Stettin zum Zufluchtsort für preußische Minister, das Generaldirektorium, Behörden und Kassen sowie für Zivilisten, die aus Berlin geflüchtet waren. Am 19. Oktober traf auch Königin Luise mit ihren beiden ältesten Söhnen in Stettin ein. Sie selbst fuhr am nächsten Tag nach Küstrin, ihre Kinder wurden nach Danzig gebracht. Die hinterpommerschen Städte entlang der großen Poststraße erlebten den Durchzug flüchtender Soldaten und der in Richtung Westpreußen reisenden preußischen Beamten. Gerüchte von einer baldigen Invasion wurden schnell Realität. Bereits am 28. Oktober musste Fürst Hohenlohe bei Prenzlau kapitulieren. Er zog sich mit seinem Korps nach Stettin zurück. Ihnen folgten andere preußische Kolonnen bei Anklam und Pasewalk. Obwohl sich die Festung Stettin in verteidigungsfähigem Zustand befand, Lebensmittel- und Munitionsvorräte vorhanden waren, wurde die Stadt kampflos übergeben. Damit gerieten über 5 000 Soldaten in französische Kriegsgefangenschaft. Napoleon legte der Stadt die Zahlung von zehn Mio. Franc auf, die vor allem die Kaufmannschaft aufbringen musste.

In den folgenden Tagen waren die in Stettin verbliebenen Mitglieder der Kriegs- und Domänenkammer, städtische Abordnungen und Kommunalbehörden gezwungen, Napoleon den Treueid zu leisten. Französische Soldaten drangen nun auf schwedisch-pommersches Gebiet vor. Am 28. Januar 1807 wurde Greifswald besetzt. Stralsund konnte gehalten werden, als der französische Marschall Mortier mit einem Teil seines Korps in Richtung Kolberg abrückte. Nun drängte Schweden unter Generalgouverneur Hans Henrik von Essen und General Armfelt Anfang April von Stralsund aus die napoleonischen Truppen über die Peene zurück. Als letztere wieder siegreich waren, wurde am 18. April ein vorläufiger Waffenstillstand geschlossen. Die französischen Besatzer zogen aus Schwedisch-Pommern ab. Preußisch-Pommern blieb weiterhin besetzt. Lediglich die Festung Kolberg wehrte sich erfolgreich gegen die französischen Angreifer und wurde Sammelpunkt versprengter preußischer Truppen, die sich unter dem Kommando der Leutnants Ferdinand von Schill, von Petersdorff und Blanckenburg befanden. Schill erhielt die königliche Erlaubnis zur Bildung eines Freikorps.

Im April begann der Kampf um Kolberg, das unter seinem Kommandanten Oberst von Loucadou nur unzureichend auf die Belagerung vorbereitet worden war. Seit dem 29. April leitete der vom König neu ernannte Kommandant Major von Gneisenau die Verteidigung der Festung und koordinierte die Zusammenarbeit mit der Kolberger Bürgerschaft, die Joachim Nettelbeck anführte. Es gelang, Kolberg zu halten. Indessen hatte sich Ferdinand von Schill auf Befehl des Königs nach Schwedisch-Pommern begeben, um nach Ablauf des Waffenstillstands gemeinsam mit schwedischen Truppen zu kämpfen. Aus Preußen kam am 30. Mai ein Hilfskorps unter General von Blücher in Stralsund an und sammelte auf Rügen zahlreiche Freiwillige.

Noch ehe die Kämpfe entlang der Peene begannen, traf die Nachricht ein, dass Napoleon mit Preußen einen Waffenstillstand geschlossen habe. Blücher musste seine Einheiten von den schwedischen trennen und sie über die Oderinseln nach Preußisch-Pommern führen, um in Treptow/Rega sein Hauptquartier aufzuschlagen. Zeitgleich landeten 20 000 Engländer auf Rügen, um mit den Schweden gegen die Franzosen zu kämpfen. Der schwedische König war mit seinen rund 10 000 Soldaten in Stralsund eingeschlossen. Nachdem er die Stadt verlassen hatte, wurde sie von den Franzosen besetzt. Auch Rügen fiel bald darauf in französische Hände. Schwedisch-Pommern wurde erneut besetzt. Französische Truppen plünderten und zerstörten in Städten und Dörfern Häuser und drangsalierten die Bewohner. Die Bevölkerung litt unter der Einquartierung und den Kontributionen. Etliche Domänen schenkte Napoleon seinen Offizieren. Eine zum Kaiser nach Erfurt entsandte Gesandtschaft konnte im Oktober 1808 keine Erleichterungen erreichen. Überlegungen, sich Mecklenburg anzuschließen, wurden Makulatur, da das Land besetzt blieb, wenngleich Napoleon den größten Teil der fremden Truppen abberief, um in Spanien zu kämpfen. Zugleich wurden Stralsunds Festungswerke geschleift.

Nach den Bestimmungen des Friedensvertrags von Tilsit sollten alle Gebiete rechts der Elbe mit Ausnahme von Stettin, Prenzlau, Pasewalk und eines Teils des Herzogtums Magdeburg von den Franzosen geräumt werden, unter der Voraussetzung, dass sie die vom 1. November 1806 bis zum Friedensschluss aufgelegte Kriegsabgabe bezahlt bzw. Sicherheit dafür geboten hatten. Da die Höhe der Summe nicht konkret genannt war, konnten die Besatzer nehmen, so viel ihnen beliebte. Somit waren die Belastungen der zweiten Besatzungszeit 1807/08 stärker als vorher. Tatsächlich erhoben die Besatzer immer neue Forderungen. Sie verlangten z. B. die Verpfändung der Domänen. Die pommerschen Stände erhoben dagegen Einspruch und erklärten sich zur Übernahme einer hohen Summe bereit. Am 9. März einigte man sich, dass die Festungen Stettin, Küstrin und Glogau bis zur Einlösung der von Preußen an Frankreich übergebenen Pfandbriefe von französischen Truppen in einer Stärke von 9 000 Mann besetzt bleiben, das übrige Land jedoch geräumt werden sollte. Es kam nicht zur Ausführung, da am 8. September in Paris ein neuer Vertrag unterzeichnet wurde, der die neuerliche Besatzung der drei Oderfestungen mit 10 000 Mann der französischen Armee bis zur Einlösung der Wechsel und Briefe von Seiten Preußens festlegte. Ferner musste Preußen der Einrichtung einer Militärstraße von Dresden nach Pommern, Danzig und Warschau zustimmen.

Nach zwei Jahren Besatzung begannen die feindlichen Truppen Preußisch-Pommern zu räumen. Der Wiederaufbau gestaltete sich schwierig, solange sich noch Soldaten im Land befanden, die untergebracht und verpflegt werden mussten. Die Steuern stiegen, da Preußen gezwungen war, königliche Domänen zu verkaufen, um die Staatsschuld an Frankreich bezahlen zu können. So wurde auch das alte Camminer Domkapitel 1810 aufgehoben und der Besitz allmählich für Staatszwecke verwertet. Infolge der Kontinentalsperre stockten Handel und Verkehr, wenngleich ein umfangreicher Schmuggel an der lang gestreckten hinterpommerschen Küste mancherorts beachtlichen Gewinn bedeutete.

Seit August 1807 war General von Blücher Generalgouverneur im preußischen Pommern und in der Neumark. Er war mit weitgehenden Befugnissen zur Reorganisation von Heer und ziviler Verwaltung ausgestattet. Zunächst nahm er sein Hauptquartier in Treptow/Rega, da Stargard noch nicht von den Franzosen geräumt worden war. Im November 1808 siedelte er nach Stargard über. Die Stettiner Kriegs- und Domänenkammer wurde mit dem Oberlandesgericht und dem Konsistorium ebenfalls nach Stargard verlegt und als Regierungskollegium neu eingerichtet. Auf Bitte der Stände ernannte der König am 25. Juni 1812 den Minister Karl Heinrich Ludwig Freiherr von Ingersleben zum Präsidenten der Regierung.

Gegen den Widerstand des Adels, der um seine Rechte und Privilegien fürchtete, setzte Ingersleben das preußische Reformprogramm in der Provinz um. In den Städten wurde nach dem Gesetz vom 19....

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