Teil 2
Warum Check-Ups mehr aussagen als Vorher-Nachher-Bilder
In Deutschland und vielen anderen Ländern der Welt haben wir ein dickes Problem: Übergewicht und Diabetes. Damit verbunden sind unschöne Konsequenzen wie Bluthochdruck und kardiovaskuläre Erkrankungen. Bewegung kommt viel zu kurz. Auf der anderen Seite wird uns von einer Gesundheitsmaschinerie ein schier unüberschaubares Angebot an Ernährungs- und Fitnessprogrammen angeboten, um des Problems Herr zu werden. Nicht alles davon ist auf Langfristigkeit angelegt. Auch die Anzahl der Menschen, die in Fitnessstudios gegen die Kilos und den Bewegungsmangel ankämpfen, ist laut der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement in den letzten zehn Jahren mit jedem Jahr angestiegen. Im Jahr 2015 waren es 9,5 Millionen Menschen, und die Fahnenspitze ist noch nicht erreicht, der Markt boomt weiter. Deutschland liegt damit übrigens hinter Großbritannien auf Platz zwei in Europa, wo die Gegensätze zwischen Gesundheitsrealität und Wunschdenken nicht größer sein könnten. Immerhin wechseln wir uns mit den Briten ab, wenn es um die Spitzenposition bei der Häufigkeit von Adipositas und Übergewicht in Europa geht. Offensichtlich gehen nicht nur in Deutschland sämtliche Bemühungen, das Problem zu lösen, zu einem guten Teil daran vorbei. Und dennoch gibt es ein paar einfache Dinge, die jeder für sich tun kann.
Zunächst soll es darum gehen, ein paar einfache Kennwerte für Ihre Gesundheit nutzen zu lernen, die Sie mit einer einfachen Untersuchung bei Ihrem Arzt erfahren können. Hier zieht der schon etwas abgenutzte Vergleich mit dem Auto: So, wie Sie die Leistungsfähigkeit und sichere Funktionsweise Ihres Autos regelmäßig überprüfen lassen, sollten Sie auch Ihre »Maschine« immer mal checken lassen. Ein paar digitale Helferlein und Wearables können zusätzlich motivieren und liefern ausreichend genaues Feedback, um im Alltag etwas Orientierung zu schaffen. Doch vorher noch ein paar Worte von Mensch zu Mensch.
Kurz zu mir
In diesem Teil des Buches werden Sie die wichtigsten Kennzahlen für Ihre Gesundheit erfahren, mit denen Sie rechtzeitig erkennen, ob Sie ein paar Dinge in Ihrem Leben ändern sollten. Das Besondere daran: Es sind meine persönlichen Gesundheitsdaten der letzten zehn Jahre, also keine unpersönlichen Statistiken.
Nein, es ist nicht normal, dass man über einen so langen Zeitraum derart umfangreiche Daten zu einer Person hat. Es hat sich eben einfach so ergeben, eine Art Selbstexperiment könnte man sagen. Ich glaube, dass es mehr bringt, Ihnen echte Zahlen zu zeigen als Vorher-Nachher-Bilder. Ich glaube auch, dass Sie sehen werden, dass diese Daten kein absolutes Urteil über die Gesundheit zulassen, aber eine gute Orientierung liefern können. Darüber hinaus werden Sie sehen, dass kein strenges Ernährungsdogma notwendig ist, Sie aber mit ausreichend Bewegung bereits sehr viel für Ihre Gesundheit tun können.
Ich wurde 1980 geboren und habe seit dem Kleinkindalter Verschiedenes gehabt: Asthma, eine Wirbelsäulendeformation (Skoliose) und in der Pubertät eine weitere Wirbelsäulenentwicklungsstörung mit dem damals für mich ulkig klingenden Namen Morbus Scheuermann. An dieser Stelle würde ein tolles Erweckungserlebnis gut passen, am besten, wann und wie es mir gelungen ist, durch streng vegane Ernährung mein Asthma loszuwerden. Doch genau an dieser Stelle möchte ich Ihnen mitteilen: Es gab dieses Erweckungserlebnis nicht.
Ich habe auf Anraten meines Lungenfacharztes angefangen, Sport zu treiben. Das hat mit Fußball in der D-Jugend angefangen und zieht sich mit regelmäßigem Joggen und anderen ausdauerorientierten Sportarten bis heute durch. Für den Rücken bin ich schon als Kind bei der Krankengymnastik gewesen und habe dann mit 16 Jahren ein gesundheitsorientiertes Krafttraining begonnen, was das Beste war, das ich machen konnte, um die Schmerzen loszuwerden. Das alles ist kein Leistungssport. Mir geht es um einen physischen und psychischen Ausgleich, ich möchte gesund bleiben und eine gute Alltagsfitness halten. Ich will nicht beim Einkaufstütenschleppen oder beim Sprint zum Bus bereits Herzrasen spüren. Jetzt nicht und in 30 Jahren auch nicht.
Wenn ich nicht joggen gehe, erreiche ich mit meinem Bürojob höchstens die Hälfte der empfohlenen 10 000 Schritte am Tag. Sitzen ist das neue Rauchen, sagen viele.
Was ist nun mit der Ernährung? Ich habe mich schon in der Jugend während meiner aktiven Sportzeit mit Ernährung auseinandergesetzt, habe selbst geschrotetes Haferflockenmüsli mit der Körnerpresse meiner Mutter ausprobiert, Rohkost gegessen und mir auch mal eine Zeit lang Proteinpulver von einem Klassenkameraden aufschwatzen lassen. Wegen einer Kniesehnenentzündung hatte mir der Arzt damals ein Nahrungsergänzungsmittel verschrieben, ein Multipräparat. Ob es geholfen hat, kann ich nicht sagen. Ich habe dran geglaubt, also half es. Meine Mutter hat immer liebevoll und lecker gekocht. Dabei haben wir uns quer durch alle Küchen und Ernährungsweisen gegessen. Süßigkeiten waren nicht tabu. Der Schoko-Weihnachtsmann hat bei mir nie das neue Jahr erlebt. Bei Geburtstagen bei Oma Else gab es viel Kuchen, den die Erwachsenen nicht mehr geschafft haben, was umso besser für mich war, auch wenn es sicher manchmal etwas maßlos zuging. Ich gebe es ja zu.
In Zeiten, in denen ich viel Training und viele Wettkämpfe hatte, hat mein Körper förmlich nach Zucker geschrien. Im Urlaub und während der Saisonpausen hingegen weniger. Ich habe schon früh angefangen, Bücher über Sporternährung zu lesen. Erst die populärwissenschaftlichen von Konopka & Co. und später an der Universität, wo ich Ernährungswissenschaften studierte, die Fachbücher. Vor allem in den populärwissenschaftlichen Büchern stand noch, dass Eiweiß sehr wichtig ist. Ich habe einfach einen halben Liter fettarme Milch am Tag getrunken. Und ich liebe Erdnussbutter. Sogar so sehr, dass ich mir einen oder mehrere Löffel als Snack zwischendurch genehmige. So kommen in einem Vierteljahr schon mal zwei bis drei Kilogramm Erdnussbutter zusammen, wenn ich die leeren Gläser durchzähle. Eine Todsünde für das Gewichtsmanagement, denken jetzt sicher viele. Aber ich vertrage es. Außerdem macht es satt, und ich greife nicht zur Schokolade, die höchstens fünf Minuten Halbwertszeit hätte und deutlich weniger Nährstoffgehalt innehat, dafür aber viel mehr Zucker.
Ansonsten gilt seit dem Studium: selber kochen, wann immer es möglich ist. Das tun wir heute noch an vier von fünf Tagen. Mittags ist natürlich Kantine angesagt, aber auch McDonald’s ist nicht verboten, genauso wenig wie ein gutes Restaurant nicht fettarm oder Low Carb kochen muss. Vegane Restaurants bereichern aus meiner Sicht die Auswahl in der Menülandschaft, was aber nicht heißt, dass ich vegan leben muss. Sie bieten einfach kreative und gelungene Abwechslung.
Was ich mir allerdings angewöhnt habe: Ich achte auf die Energiedichte von Lebensmitteln, zähle aber nicht Kalorien. Ich habe auch die eine oder andere Angewohnheit, die sich in verschiedenen Diäten und anderen Ernährungsweisen wiederfinden lässt. Ich trinke beispielsweise heißes Wasser. Nicht weil ich der ayurvedischen Ernährung anhänge, sondern weil mir während des Studiums mal die Teebeutel ausgegangen sind und ich auf den »Geschmack« gekommen bin. Ich esse gelegentlich Fleisch, denn das ist normal für eine ausgewogene Ernährung. Dazu muss man nicht »Flexitarier« sein. Ich esse an Tagen nach einem Festtag weniger als sonst, weil ich es als Ausgleich gut finde, aber nicht, weil ich eine »Schalttage-Diät« mache oder faste. Ich esse an Arbeitstagen meistens nur einen Apfel zum Frühstück, weil es mir reicht und schmeckt, nicht weil ich Roh- oder Trennkost praktiziere. Es zählen für mich immer die 4 Gs: Genuss, Genügsamkeit, Gleichgewicht und Gelassenheit. Hat es mir bis jetzt geschadet? Sehen Sie selbst.
Blut- und Körperwerte – was sie uns sagen sollen …
Ich war seit 2006 durchgängig im Zentrum für Prävention und rehabilitative Sportmedizin der Technischen Universität München, um mich gründlich durchchecken zu lassen. Das Institut ist für die medizinische Betreuung des Olympiastützpunktes zuständig und eine internistische Einheit des Klinikums rechts der Isar, dem Universitätskrankenhaus der Technischen Universität München. Für die letzten zehn Jahre besteht daher eine gute Vergleichbarkeit der Messwerte. Da die Werte jetzt schon einmal verfügbar sind, will ich sie gerne mit Ihnen teilen, damit Sie sehen: Ernährung und Gesundheit funktionieren ohne Voodoo.
Blutzucker – nicht zu viel und nicht zu wenig ist genau richtig
Ohne Zucker keine Energie, so einfach ist das. Über den Blutkreislauf werden sämtliche Gewebe und Organe des Körpers mit ausreichend Energie in Form von Glukose versorgt. Manche Organe wie das Gehirn oder auch die roten Blutkörperchen benötigen sogar ausschließlich Glukose, um ihre Arbeit zu verrichten. Das Gehirn benötigt etwa ein Fünftel des Grundenergiebedarfes, damit es ordentlich arbeiten kann, und das, obwohl es nur fünf Prozent der Körpermasse ausmacht. Glukose wird auch in Form des Speicherkohlenhydrats Glykogen in der Leber und in Muskeln gespeichert. In der Leber, um einen zu niedrigen Blutzuckerwert zu vermeiden, wenn wir gerade mal nichts zu essen bekommen, und in Muskeln, um kurzfristig direkt Energie für die Muskelarbeit bereitstellen zu können. Das Glykogen der Leber kann...