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Die Illusion der Unbesiegbarkeit

Warum Manager nicht klüger sind als die Incas vor 500 Jahren

AutorAndreas Krebs, Paul Williams
VerlagGabal Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783956236839
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis25,99 EUR
Vom Tellerwäscher zum Millionär - Menschen lieben solche Erfolgsgeschichten. Dieser Mythos lebt bis heute in zahlreichen Start-ups und Unternehmensgeschichten fort: Facebook, Google, Uber sind dabei nur die bekanntesten Beispiele. Doch wer kann eigentlich sicher sein, dass die Stars von heute nicht das Schicksal der Stars von gestern ereilt? Ob Nokia, Kodak, Grundig oder Neckermann, ihre legendären Erfolge sind längst Geschichte. Ein Blick auf die Fortune 500, auf DAX, MDAX oder das Ranking von Familienunternehmen zeigt, dass es kaum einer Organisation, ob groß oder klein, gelingt, sich dauerhaft an der Spitze zu halten. Liegt womöglich in jedem herausragenden Aufstieg schon die Gefahr des Scheiterns? Bei der Suche nach Gründen für rasante Firmenabstürze macht man heute schnell die Digitalisierung verantwortlich oder spricht von 'Disruption'. Doch das ist nur die eine Hälfte der Wahrheit. Die andere Hälfte liegt in den Unternehmen selbst, in Führungsmängeln, Blindheit und Leichtsinn. Die erfahrenen Unternehmer Andreas Krebs und Paul Williams blicken hinter die Fassade des Erfolgs. Systematisch legen sie Faktoren frei, die geeignet sind, den Untergang eines Unternehmens einzuläuten: Egomanie, Einzelinteressen der Mächtigen, Nepotismus und viele mehr. Sie liefern Insiderstorys, bestechen durch schwarzen Humor und lassen Topmanager zu Wort kommen. Dabei finden Sie überraschende Parallelen zur Geschichte der Incas, die jahrhundertelang ein riesiges Reich regierten, bevor sie quasi über Nacht vom Erdboden verschwanden. Der Vergleich zeigt: Viele ihrer Fehler machen wir bis heute. Pointiert und unterhaltsam bietet das Buch wichtige Impulse, wie es Führungskräften heute gelingt, auch und gerade in Zeiten sicher geglaubter Erfolge wachsam zu bleiben. Es gibt neue praktische Hinweise für moderne Unternehmensführung, Selbstführung und nachhaltigen Unternehmenserfolg.

Andreas Krebs ist Unternehmer, international erfahrener Manager sowie Referent zu Leadership, Globalization und Entrepreneurship. Als einer von wenigen Deutschen hat er es in einem 'Big Pharma'-Konzern in das Executive Board und 'Corporate America' geschafft. Andreas Krebs ist Mitinhaber des Venture-Capital-Unternehmens Cologne Invest, das in junge Start-ups und Wachstumsunternehmen in vielen Branchen und der New Economy investiert. Bis 2010 hat Andreas Krebs in internationalen Führungspositionen für die Bayer AG und die Wyeth Corporation gearbeitet, zuletzt als Konzernvorstand in den USA, mit über 8000 Mitarbeitern in 96 Ländern. Er war in sieben Ländern tätig, in UK, Österreich, neun Jahre in Lateinamerika, in Asien, Canada und zuletzt in den USA. Seit 2010 ist Andreas Krebs Aufsichtsratsvorsitzender der Merz GmbH & Co. KGaA, Frankfurt, und hat weitere Beirats- und Aufsichtsratsmandate in unterschiedlichen Branchen inne. Er ist Vorsitzender des Fördervereins Girassol e.V., der sich für minderbemittelte Kinder und Jugendliche in Sao Paulo/Brasilien engagiert. Paul Williams ist Unternehmer, international erfahrener Manager und Coach. Seit 2003 führt er als Managing Partner das Beratungsunternehmen paul williams & associates in Monheim am Rhein, mit den Schwerpunkten Leadership Coaching, Selbstmanagement, Management-Diagnostik und Organisationsentwicklung. Für die Bayer AG war der Naturwissenschaftler und gebürtige Engländer im internationalen Vertrieb, im Marketing und im General Management in Australasien, den USA, Nahost und Afrika tätig. Ab 1995 war Paul Williams weltweit mit Human-Resources-Verantwortung betraut, unter anderem in den Bereichen Vertrieb International, Globale Forschung und Produktentwicklung.

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Leseprobe

»Jahrelange Erfolgsgeschichten können zu einem nicht zu rechtfertigenden Selbstvertrauen führen, zur irrigen Annahme, ›Wir kriegen das schon hin‹.«

PROF. DR. IRIS LÖW-FRIEDRICH, TOPMANAGERIN UND MULTI-AUFSICHTSRÄTIN

Kein Aufstieg ohne Fall? Ein Blick auf die Fortune 500


Alljährlich veröffentlicht das Magazin Fortune die Liste der Top 500. Hier sind sie versammelt: die Big Player, die umsatzstärksten Unternehmen der Welt. Doch kaum eine Organisation schafft es, ihren Spitzenplatz im Wirtschaftsolymp dauerhaft zu halten. Ist der Moment des größten Triumphs womöglich auch der der größten Verwundbarkeit? Trägt jeder außergewöhnliche Erfolg schon den Keim des Scheiterns in sich? Anders gefragt: Gibt es keinen Aufstieg ohne Fall? Wenn Weltreiche zusammenbrechen, Hochkulturen wie die der Incas innerhalb weniger Jahre in der Bedeutungslosigkeit versinken, woher nehmen Unternehmensführer und Manager unserer Zeit die Zuversicht, dass ihr Erfolg von heute auch morgen und übermorgen noch andauern wird? Und wichtiger noch: Gibt es Warnsignale für den drohenden Untergang? Diese Frage betrifft selbstverständlich nicht nur Großunternehmen. Wir alle kennen schließlich Start-ups, die nach einem kometenhaften Aufstieg ebenso spektakulär scheiterten, und traditionsreiche Mittelständler, deren Erfolgskurve nach vielen Jahrzehnten scheinbar urplötzlich zu Ende war.

Wer spricht heute noch von Nokia?


Wenn Sie heute einen Smartphone-gewieften Dreizehnjährigen fragen, was er von Nokia hält, wird er Sie wahrscheinlich verständnislos anblicken: »Hä – Nokia?« Dabei war das finnische Unternehmen noch vor wenigen Jahren ein echtes Schwergewicht: Von 1998 bis 2011 dominierte es den weltweiten Markt für Mobiltelefone, als weltgrößter Handy-Hersteller und Marktführer. 2004 belegte Nokia in der Fortune-Liste der 500 größten Unternehmen der Welt einen stolzen Platz im vorderen Drittel (Rang 122). Ein kleines Land mit rund fünf Millionen Einwohnern beherrschte souverän eine Zukunftsbranche.

Die Geschichte von Nokia könnte Stoff für ein Hollywood-Drama liefern: 1865 baut der Ingenieur Fredrik Idestam am Fluss Nokianvirta im Süden Finnlands eine Zellstoffmühle und Papierfabrik und nennt sie »Nokia«. Gut drei Jahrzehnte später, 1898, gründet Eduard Polón eine Fabrik, die Gummistiefel und Radmäntel produziert, die Finnish Rubber Works. Und noch einmal knapp 15 Jahre später entstehen die Finnish Cable Works, gegründet von Arvid Wickström. Ab 1963 produzieren die Cable Works auch kabellose Telefone für die Armee. Die drei Unternehmen kooperieren bereits 45 Jahre miteinander, als sie 1967 zum Technologiekonzern Nokia verschmelzen. Forstwirtschaft, Gummi, Kabel, Elektronik und Stromproduktion bleiben Geschäftsbereiche, bis die Deregulierung des europäischen Telekommunikationsmarktes Anfang der Achtzigerjahre die Weichen neu stellt. Als das skandinavische Mobilfunknetz NMT (Nordic Mobile Telephone) entsteht, produziert Nokia 1981 das weltweit erste mobile Autotelefon und ab 1987 auch Mobilfunktelefone.1 Ab da geht es Schlag auf Schlag: Nokia konzentriert sich auf Mobiltelefone und wächst und wächst und wächst. Andere Geschäftsbereiche wie Gummi, Kabel oder Stromerzeugung werden abgestoßen. Das Unternehmen begeistert mit technischen Neuerungen wie dem Smartphone-Vorläufer »Communicator« (1996); vor allem aber überschwemmt es den Markt mit günstigen und robusten Handys für jedermann. 2002 stammt jedes dritte auf der Welt verkaufte Mobiltelefon von Nokia (Marktanteil 35,8 Prozent), nur jedes sechste von Motorola (15,3 Prozent) und nicht einmal jedes zehnte von Samsung (9,8 Prozent). Das bestverkaufte Handy aller Zeiten ist das Nokia 1100, das sich bis 2013 mehr als 250 Millionen Mal verkauft haben wird:2

Das Unternehmen aus dem finnischen Espoo scheint unbesiegbar. Und leider fühlt man sich auch so. Denn auf dem Höhepunkt der wirtschaftlichen Macht bringen sich neue Wettbewerber in Stellung. Als 2004 die ersten Klapphandys erscheinen, setzt Nokia weiter auf »bewährte« Modelle, und als Apple 2007 das erste Smartphone mit Touchscreen herausbringt, hält CEO Olli-Pekka Kallasvuo das iPhone wörtlich für ein »Nischenprodukt«. Obwohl die Nokia-Techniker immer wieder neue Ideen liefern und nicht selten Vorreiter sind – etwa beim ersten Kamera-Handy (Nokia 7650) oder beim Internet Tablet 770 –, reagiert das Unternehmen zu langsam und schwerfällig. Zu allem Überfluss bricht in der Führungsetage ein Streit aus: Soll man die Smartphone-Entwicklung forcieren oder weiter besonders günstige Handys bauen? Der langjährige Leiter des Deutschland-Geschäfts, Razvan Olosu, zeichnet »das Bild einer riesigen Behörde, voller Handy-Beamter auf Lebenszeit«.3 Die Mitarbeiter am deutschen Standort Ratingen benennen zu Beginn der Krise die eigenen Meeting-Räume vielsagend um: Aus »Helsinki«, »Berlin« oder »London« werden die Räume »Funktioniert hier nicht«, »Wird nie approved« und »Global will das«.4 Mit »Global« ist übrigens die zögerliche Zentrale gemeint. Das nennt man wohl Galgenhumor.

Genauso rasant, wie es zehn Jahre zuvor aufwärts ging, geht es nun bergab. Ab 2008 sinkt der Marktanteil von Nokia drastisch, ab 2011 schreibt das Unternehmen Verluste. Im gleichen Jahr einigt man sich mit Microsoft auf eine Kooperation: Das eigene Betriebssystem wird aufgegeben, stattdessen wird nun MS Windows auf Nokia-Handys installiert. Die Branche spottet derweil über zwei rostige Schlachtschiffe, die gemeinsam Fahrt aufnehmen wollen. Gegen Apples iPhone und das auf Geräten von Samsung, LG und anderen Unternehmen genutzte Android-System bleibt man erfolglos. Zwei Jahre später übernimmt Microsoft die Mobiltelefonsparte von Nokia. »Das finnische Handywunder ist zu Ende«, urteilt das Branchenmagazin connect. Heute definiert sich Nokia als führender Anbieter von Netzwerktechnologie. Der Aktienkurs seit 1999 gleicht einem Hochgebirge mit Schwindel erregenden Höhen um die Jahrtausendwende, das ab 2009 in eine konstant flache Ebene übergeht. Wer 2000 über 60 Euro für eine Nokia-Aktie bezahlte, bekam Anfang 2016 weniger als 5 Euro dafür.

Wenn man sich mit der Geschichte der Incas beschäftigt, hat man bei der Lektüre der Nokia-Firmengeschichte gleich mehrere Déjà-vus. In beiden Fällen verändert ein kleines Volk die Welt, weil es findiger, konsequenter und damit zunächst erfolgreicher ist als potenzielle Konkurrenten. Dabei nutzen beide die Gunst der Stunde. Der Aufstieg der Incas vom unbedeutenden Andenvolk zur Großmacht begann circa 1100. Was für Nokia die Deregulierung des Mobilfunkmarktes und das Know-how in Sachen drahtloser Telekommunikation, waren für die Incas ungewöhnliche Kälteperioden in den Anden und entlang der Pazifikküste, in denen sich ihre Kenntnisse in Agrarwirtschaft, Bewässerungswesen und Anbautechniken als überlegen erwiesen. Während andere Völker die kalten Hochebenen verließen, Dürre am Pazifik und extreme Niederschläge andernorts zu Landflucht und kriegerischen Auseinandersetzungen führten, handelten die Incas getreu ihrem Motto, »Ordnung in die Welt bringen«. Sie legten an steilen Hängen tausende Terrassen an, bauten Bewässerungsanlagen, leiteten Flüsse um. Sie kultivierten gezielt jene Feldfrüchte, die den klimatischen Bedingungen angepasst waren, etwa eine Kartoffelart, die sich leicht gefriertrocknen ließ. Die Expansion der Incas basierte stark auf ihrem (land)wirtschaftlichen Erfolg durch innovative Anbaumethoden. Wie die Finnen, die mit robuster, nicht zu teurer Technik weltweit erfolgreich waren, exportierten die Incas ihre Erfolgsrezepte in Nachbarregionen und gewannen so immer mehr Einfluss. Ihr goldenes Zeitalter mit großen Landgewinnen begann unter der Regentschaft Pachacutec Yupanquis (1438–1471). Doch wie die Finnen, die sich kaum vorstellen konnten, dass ihre Siegesserie einmal enden könnte, klammerten die Incas sich auch dann noch an bewährte Rezepte, als sie sich mit einem Gegner konfrontiert sahen, der nach völlig anderen Regeln spielte. Wo man sich bei Nokia nicht vorstellen konnte, dass Apple mit einem einzigen, noch dazu teuren Gerät wie dem iPhone der Nokia-Produktvielfalt günstiger Geräte den Rang ablaufen könnte, war es für die Incas unmöglich, sich auf einen Gegner einzustellen, der mit den bewährten Methoden der »freundlichen« Übernahme oder aber Unterwerfung nicht zu fassen war: die spanischen Konquistadoren unter Francisco Pizarro.

In beiden Fällen besiegelten interne Konflikte den Untergang. Bei den Incas war es der Bruderkrieg, der ausbrach, als Huayna Cápac 1527 das Reich unter seinen beiden Söhnen Atahualpa und Huáscar aufteilte. Beide Brüder scharten die Volksgruppen ihrer verschiedenen Mütter und weitere Verbündete hinter sich und kämpften erbittert. Als 1532 Francisco Pizarro das Inca-Reich erreichte, war...

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