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Die 'invocatio Dei' in europäischen Verfassungen

Deutung und Bedeutung aus christlich-konservativer Weltanschauung

AutorChristian Machek
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl120 Seiten
ISBN9783638617895
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Politik - Politische Theorie und Ideengeschichte, Note: 2,0, Universität Wien, 120 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Bestimmte europäische Verfassungstexte drücken ein laizistisches Staatsverständnis aus und beinhalten deswegen keinen Gottesbezug. Andere Verfassungen dagegen sprechen von einer 'Verantwortung vor Gott' oder beginnen gar mit einer Anrufung der Heiligen Dreifaltigkeit. Der Frage, welche ideengeschichtliche Auffassungen solchen Bestimmungen zu Grunde liegt, widmet sich dieses Buch. Verschiedene Weltanschauungen (und damit verbunden Menschenbilder) bedingen unterschiedliche Staatstheorien und Rechtsauffassungen (Naturrecht versus Rechtspositivismus), die sich in den jeweiligen Verfassungsformulierungen widerspiegeln. Es sind in diesem Zusammenhang zwei bedeutende Strömungen zu nennen: eine 'idealistisch-konservative' und eine 'modern-säkulare'. Erstere sieht den Staat als eine Gemeinschaft, die sich metaphysisch konstituiert und dessen Ziel die Verwirklichung des Gemeinwohles ist. Das Maß politischen Handels wird dabei letztlich in Gott gefunden. Zweitere hat die Aufklärungsphilosophie zur Grundlage, die auf einem Autonomiepostulat des einzelnen Menschen beruht. Diese sieht im Laizismus den Verzicht auf ein übernatürliches Prinzip bei Staatsbildung und Rechtsschöpfung vor und trennt die Kirche vom Staat. Dieses Buch geht der Frage nach, welche Funktion und Bedeutung eine Verfassung und ihre Präambel haben. Anhand von dokumentierten Verfassungstexten wird die Bedeutung der Religion für Demokratie, Menschenwürde und -rechte, sowie für Politik, Staat und überhaupt Europa erörtert.

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Leseprobe

3. Die konservative Weltanschauung


 

3.1 Was bedeutet „konservativ“?


 

Etymologisch, von dem lateinischen Begriff conservare stammend, bedeutet das Wort „konservativ“ soviel wie bewahren, erhalten, schützen. Im umgangssprachlichen Gebrauch umfasst es ein weites Bedeutungsfeld, das von alterwürdig, erprobt, wertgebunden, stabil bis zu altmodisch, vergangenheits­bezogen, unmodern, gar rückständig, verknöchert, „reaktionär“ reicht.

 

Als speziellen Terminus der Politikwissenschaft bezieht sich der Begriff „konservativ“ auf eine bestimmte und bedeutende Strömung in der Ideenund auch Parteiengeschichte neben dem Liberalismus und Sozialismus.

 

Da zwischen dem umgangssprachlichen und speziellen Gebrauch des Wortes selten eine strikte Trennung vorgenommen wird, zeichnet es sich heute im politisch-öffentlichen Sprachgebrauch durch Unklarheit aus. Durch unterschiedliche Verwendungsweisen ist das Wissen um den Inhalt des Begriffes verschüttet. Allgemein bezieht sich der Konservatismus oft auf zwei Unterteilungen, dem Wertkonservatismus und Strukturkonservatismus. Darüber hinaus gibt es verschiedene Begriffsbestimmungen, die sich in fließenden Übergängen äußern, etwa im Liberalkonservatismus, Nationalkonservatismus oder auch im christlichen Konservatismus.[81] All dies macht es schwierig, den Konservatismus genauer zu bestimmen.[82] Es gibt verschiedene Definition und Merkmale, die sich sogar voneinander unterscheiden.

 

Obzwar der Begriff „konservativ“ heute in der politischen Öffentlichkeit nicht oft expressis verbis verwendet wird, ist festzustellen, dass konservative Positionen in der heutigen Politik (immer) häufiger vertreten werden.

 

3.1.1 Der Inhalt konservativen Denkens


 

Zunächst ein kurzer Überblick über den Gehalt konservativen Denkens am Beispiel einiger Definitionen und Auflistungen verschiedener Deutungsversuche.

 

Ernst Jünger meint über das Wort „konservativ“: „Es handelt sich eher darum, das zu finden oder auch wieder zu finden, was der gesunden Ordnung von jeher zugrunde gelegen hat und auch zugrunde liegen wird. Das aber ist ein Außerzeitliches, zu dem weder Rücknoch Fortschritt führt. Die Bewegungen kreisen darum herum. Nur Mittel und Namen ändern sich. In diesem Sinne muss man der Definition von Albert-Erich Günther zustimmen, der das Konservative nicht versteht als ´ein Hängen an dem, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was immer gilt.´ Immer gelten kann aber nur ein der Zeit Entzogenes. Das macht sich auch, und zwar auf unheilvolle Weise, geltend, wenn es nicht geachtet wird“[83].

 

Russel Kirk, einer der wichtigsten Vertreter des amerikanischen Konservatismus, definierte die Grundregeln der konservativen Weltanschauung:

 

„1. Glauben an das Walten einer göttlichen Vorsehung;

2. Sinn für das Mysterium und die Fülle des Lebens;

3. Bejahung von Autorität, Hierarchie und Führung;

4. Zusammengehörigkeit von Freiheit und Privateigentum;

5. Vertrauen in Tradition und überliefertes Recht, Misstrauen gegen die ‚Sophisten und Kalkulatoren’;

6. Bevorzugung organischer, allmählicher Evolution vor plötzlichen und radikalen Veränderungen.“ [84]

 

Nach dem amerikanischen Politikwissenschaftler Samuel Huntington handelt es sich bei diesem politischen Terminus um „die geistige Grundlage der dauernden institutionellen Voraussetzung menschlicher Existenz“[85].

 

Nach den bedeutenden zeitgenössischen Theoretiker des Konservatismus, Gerd-Klaus Kaltenbrunner, handelt es sich beim Konservatismus um „den wandelnde Ausdruck dessen, was im Grunde unwandelbar bleibt; Bewusstsein von den elementaren Bedingungen gesellschaftlicher Stabilität, von den Konstanten der menschlichen Natur überhaupt; der in die Politik hineinragende Aspekt eines Denkens und einer Haltung, die an der conditio humana nicht leichtfertig vorbeizielen“[86].

 

Die angeführten Bestimmungen vermitteln einen grundlegenden Eindruck dessen, wofür der Konservatismus steht. In geraffter Form sind die wesentlichen Züge des Konservatismus zusammengefasst: Er geht davon aus, dass es eine politische Ordnung gibt, deren Grundzüge sich vor allem durch die Idee eines ewigen und unantastbaren Prinzipes ausdrücken. Er ist in seinem Kern eine politische Lehre, die in seiner christlichen Ausformung im antik-mittelalterlichen und somit auch in der jüdisch-christlichen Gedankenwelt ihre Wurzeln hat. Dem Prinzip der radikalen Neuerung und der Revolution wird der Gedanke einer auf friedliche Evolution hin angelegten politischen und geistigen Kontinuität und einer Orientierung an historisch gewachsenen und bewährten Traditionen gegenübergestellt. Somit steht der Konservative für Volk und Nation ein. Er denkt in Hierarchien und lehnt damit ein abstraktes und illusorisches Gleichheitsideal ab.

 

3.1.1.1 Das Menschenbild des Konservatismus

 

Das Menschbild des Konservativen ist realistisch, d.h. er sieht ihn als ein „hinfälliges und sterbliches Mängelwesen“ (Arnold Gehlen), das insbesonders in intellektuell-geistiger und moralischer Hinsicht unvollkommen ist. Aus dieser Unvollkommenheit folgt, dass der Mensch der ihn stützenden Institutionen bedarf und somit der Eingebundenheit in ein Gewebe von Bräuchen, Gewohnheiten und Sitten. Diese geben ihm Orientierung, disziplinieren seine Gefühle und Neigungen und stabilisieren sein Verhalten. Der Mensch ist demnach ein geschichtliches Wesen, das aufgrund seiner begrenzten Vernunft und der Unmöglichkeit, alle Erfahrungen selbst zu machen, der Leitung und der Führung der im Laufe der Geschichte angehäufte Weisheit und Erfahrung der Menschheit, angewiesen ist.

 

Dazu kommt, dass der Mensch seine Erfahrungen, wie Leid und Tod, nicht selbst sinnvoll verarbeiten kann. Deshalb ist er unabdingbar auf die Religion und Gott bezogen. Dieser Transzendenzbezug ist eine Facette seines Menschseins. Diese Eigenschaft als religiöses Wesen ist auch von Bedeutung für die Bestimmung seines Daseins in einer politischen Gemeinschaft und seines politisches Handelns.

 

3.1.1.2 Die religiöse Bindung

 

Für die weiteren Ausführungen dieser Arbeit ist zur Klärung von Begriff und Wesen des Terminus thesenartig ein zentrales Element der betreffenden Weltanschauung näher bestimmt: „Konservatismus heißt Bewahrung des Ewigen im zeitlichen Wandel und Hinordnung des Zeitlichen, Wandelbaren auf das Ewige, Unwandelbare. Ewig, unwandelbar ist allein Gott.“[87]

 

Der Konservative ist daher stets homo religiosus. Aus der Gottesverwandtschaft des Menschen leitet er die Bestimmung des Menschen ab: „Die Verähnlichung mit Gott so weit wie möglich“[88]. Dieses Bestimmungsstück ist bedeutend für das richtige Verständnis des Konservatismus, der „ohne theologische Reflexion nicht zu verstehen ist“[89]. Es handelt sich demnach um „eine politische Haltung, die vom Überzeitlichen und Ewigen, also von Gott und von absoluten, der gesellschaftlichen Realität vorausliegenden moralischen Werten, wie der Würde des gottebenbildlich geschaffen Menschen, ausgeht“[90].

 

Aus den bisherigen Ausführungen wird ersichtlich, dass der Konservative einen Maßstab für sein (politisches) Handeln erhält, den er selbst nicht festlegt. Mit der Suche nach den einsehbaren Prinzipien seines Handelns ist der Konservative auf die Ethik bzw. das „Naturrecht, das selbst jener Teil der Ethik ist, der den Hintergrund und das Richtmaß für staatliche Regelungen und Rechtsetzungen ist“[91], verwiesen.

 

3.1.2 Das Naturrecht


 

Das Naturrecht (auch präpositives oder überpositives Recht genannt) ist eine rechtsphilosophische Bezeichnung für das dem gesetzten Recht vorhergehende Recht. Das Naturrecht definiert die „existenziellen Zwecke“[92] (Johannes Messner) des Menschen, die im Zusammenleben Verantwortlichkeiten, Ansprüche und Rechte begründen. Dem Naturrecht inhärent ist die Frage nach der Gerechtigkeit von Recht und Gesetz. Das Naturrecht formuliert selbst keine gesetzlichen Normen. Es bezieht sich auf die Ordnung des Ganzen. Es lässt eine Hierarchie der Zwecke erfassen, auch entsprechend ihrer Dringlichkeit.

 

Die Berufung auf überpositives Recht geht davon aus, dass bestimmte Rechtssätze unabhängig von der konkreten Ausgestaltung durch die Rechtsordnung „schlechthin“ Geltung beanspruchen und somit durch einen positiven Akt der Rechtssetzung weder geschaffen werden müssen, noch außer Kraft gesetzt werden können. Diese Werte bleiben trotz einer etwaigen Nicht-Erwähnung in einem Gesetzestext gültig, da sie konstitutiv zur (menschlichen) Natur gehören. In vielen positivrechtlichen Regelungen finden sich Normen des Naturrechtes. Die Naturrechtslehre steht im Gegensatz zum Rechtspositivismus.[93]

 

Die Vorstellungen einer überpositiven Normsetzung finden sich in jeder Kultur. Insbesondere...

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