Ankommen bei sich selbst
»Wenn wir uns selbst mit allen Aspekten unseres Menschseins annehmen und lieben können, entfaltet sich unsere ganze Kraft.« Dieser Satz von Colin Tipping könnte das Motto dieses Buches sein. Es bietet einen Weg, genau dahin zu kommen: zur vollkommenen Akzeptanz des eigenen Wesens. Viele praktische Anregungen ermöglichen es dir, deinen eigenen Schatten- wie auch Lichtseiten zu begegnen und eine tiefe Annahme deines Selbst zu erreichen. Dadurch wirst du nicht perfekt und wirst auch künftig nicht alle Herausforderungen mühelos meistern. Du erhältst aber eine wertvolle Kraftquelle für dein Leben: das Vertrauen in dich selbst, die Akzeptanz deiner Person – mit allen Schwächen und Stärken! Bevor du dich auf diesen lohnenden Weg machst, dich selbst mit allem, was zu dir gehört, in die Arme zu schließen, schauen wir in diesem ersten Kapitel zunächst einmal, wo du in Sachen Selbstakzeptanz momentan stehst.
Selbstliebe als Kraftquelle
Wenn wir Menschen, denen es anhaltend gut geht, fragen, woraus sie ihre Kraft schöpfen, zeigen die Antworten meist eine wichtige Übereinstimmung: Diese Menschen nehmen sich regelmäßig Zeit für sich. Dabei ist es egal, ob sie diese Zeit mit Spazierengehen, Sport, Meditation oder einer Tasse Tee verbringen – entscheidend ist, dass sie sich die Begegnung mit sich selbst erlauben. In unserer Welt ist es allerdings weitverbreitet, genau dies zu vermeiden.
Begegne dir selbst
Wenn wir uns selbst begegnen, stoßen wir nicht nur auf unsere Lichtaspekte, also auf die Teile unseres Wesens, die wir akzeptieren und die wir der Welt gern zeigen, sondern auch auf die sogenannten Schattenaspekte. Wir begegnen also auch unseren Ängsten, unseren Unzulänglichkeiten und unseren Selbstzweifeln. Dies macht vielen Menschen Angst, und sie vermeiden daher diese Begegnung, indem sie sich in Aktivitäten flüchten, die sie ablenken und damit von sich wegbringen. Sie suchen nach Bestätigung und Liebe im Außen, um den inneren Unsicherheiten zu entgehen. Doch dort findet sich selten die Lösung für unsere Probleme.
Die Beschäftigung mit unseren Schattenaspekten ist hingegen sehr lohnenswert. Wenn wir lernen, uns mit unseren Unzulänglichkeiten zu akzeptieren und dabei durchaus auch eine selbstkritische Reflektion mit einbeziehen, dann kann sich unsere ganze Kraft und unser gesamtes Potenzial entfalten.
Wirkliche Tiefe entsteht, wenn wir das Bewusstsein entwickeln: Es gibt etwas in mir, das bedingungslos Ja zu mir selbst sagt, etwas, das mich liebt, genau so wie ich bin. Damit verknüpft sich ein Gefühl des Nachhausekommens. Wir sind in Verbindung mit unserer Seele, unserem innersten Wesenskern. Sind wir in so einer liebevollen Beziehung zu uns selbst, können wir auch wahrhaftige Beziehungen im Außen leben und anderen Menschen mit echter Freundlichkeit und Liebe begegnen.
Wenn wir mit unserem inneren Wesen in Verbindung sind, finden wir unseren Platz in der Welt und genießen die Freude, die aufkommt, wenn wir das leben, was wir uns von der Seelenebene aus vorgenommen haben.
»Liebe deinen Nächsten wie dich selbst«
Dieser Satz aus der Bibel hat mich schon als junge Frau zum Nachdenken gebracht. Denn mir fiel auf, wie schwer es den meisten Menschen fällt, sich selbst zu lieben. Wie aber sollen sie dann andere Menschen wirklich lieben können? So viele Menschen haben Unsicherheiten und Selbstzweifel. Das gilt übrigens für Frauen wie Männer gleichermaßen, auch wenn diese unterschiedlich damit umgehen.
Jeder hat andere Selbstzweifel
Bei Frauen ist der eigene Körper oft ein von ihnen sehr kritisch betrachteter Bereich. Kaum eine Frau, die mir bei meiner Arbeit als Therapeutin begegnet, ist mit ihrem Aussehen und ihrem Körper zufrieden und fühlt sich damit wohl. Dadurch ist bereits eine wichtige Basis mit Zweifeln belegt, denn mit unserem Körper sind wir natürlich im Privatleben wie auch im Beruf tagtäglich präsent. Kommen dann noch andere Unsicherheiten hinzu, fühlen wir uns schnell unzulänglich oder überfordert.
Männer hingegen lernen sehr früh, Unsicherheiten zu ignorieren oder zu überspielen. Sie definieren sich über Bestätigung und Anerkennung im Außen, meist im beruflichen Bereich. Tief im Inneren haben aber auch viele Männer Selbstzweifel, die sich dann in kritischen Situationen bemerkbar machen. Bereiche großer Unsicherheiten sind oft Beziehung und Sexualität. Für beide, Männer wie Frauen, ist es in den meisten Fällen ein weiter Weg zur vollkommenen Annahme ihrer selbst. Doch genau diesen Weg wollen wir hier mit diesem Buch gemeinsam gehen.
Schätze gleich hier am Beginn einmal ein, wo deine momentane Selbstakzeptanz auf einer Skala von 1 (fast nicht vorhanden) bis 10 (vollkommen ausgeprägt) liegt.
Die Kraftquelle erschließen
Dies ist ein echtes Praxisbuch. Am meisten profitierst du davon, wenn du dich auf die Übungen einlässt und sie auch tatsächlich durchführst. Hilfreich für deine ganz persönliche Forschungsreise ist ein schönes Notizbuch, in das du die Ergebnisse deiner »Forschungsübungen« einträgst.
Denn das sind viele der in diesem Buch vorgestellten Prozesse: Erforschungen deines Selbst, ein immer besseres Verständnis von allem, was dich ausmacht. Dazu gehören deine Ängste genauso wie deine Sehnsüchte, deine Stärken und deine besonderen Qualitäten.
Vollkommene Selbstannahme ist kein »Ich kann alles!«-Mantra. Selbstannahme ist eine kontinuierliche Bewusstwerdung, die dich immer mehr in die Lage versetzt, dich mit allen Persönlichkeitsanteilen, mit allen Höhen und Tiefen deiner Geschichte zu akzeptieren und zu lieben. Dadurch wird sehr viel Kraft in dir frei, dein Potenzial lebt und blüht auf, und du erhältst tatsächlich die unvergleichliche Chance, all deine tiefen Herzenswünsche zu realisieren.
Wenn du die Übungen dieses Buches für dich nutzt, wirst du am Ende einen anderen Menschen im Spiegel sehen.
Der Weg zur Selbstakzeptanz
Es ist ein Weg der Selbsterforschung, den wir hier beginnen. Und glücklicherweise sind ihn einige Menschen bereits vor uns gegangen, sodass wir uns an ihnen orientieren können. Insbesondere Colin Tipping hat mit seiner Methode bereits wertvolle Spuren gelegt, denen wir – auf unsere individuelle Weise – folgen wollen.
Ankommen bei dir
Viele Bücher beschreiben sehr gut, wie es dazu kommt, dass wir uns selbst oft ablehnen, kritisieren und uns nicht wohlfühlen in unserer Haut. Was ich dabei oft vermisse, sind Hilfestellungen, wie wir mit dem Erkannten umgehen können und tatsächlich immer mehr in die Selbstliebe hineinwachsen. In meiner Praxis und in meinen Seminaren lege ich großen Wert darauf, Werkzeuge anzubieten, die auch im Alltag angewendet werden können und auch dann wirksam sind, wenn man zu Hause ganz allein damit arbeitet.
Zu meiner Person
Lass mich an dieser Stelle ein paar Worte über mich sagen, denn auch mein Weg war und ist einer des Lernens vollkommener Selbstakzeptanz. Ich arbeite seit über zwanzig Jahren als Körper- und Psychotherapeutin und biete Seminare im Bereich der persönlichen Entwicklung an. Die letzten Jahre waren schwerpunktmäßig dem Thema Vergebung gewidmet. Denn immer wieder konnte ich bei mir selbst und in der Begleitung von Menschen feststellen, dass in den alten Wunden viel Energie gebunden ist. Verletzungen, unbewältigter Ärger und Selbstzweifel kosten uns – selbst wenn sie im Laufe der Zeit verblassen – Kraft. Und die fehlt uns, wenn es darum geht, für unsere Sache, für uns einzustehen.
In der Auseinandersetzung mit dem Thema Vergebung habe ich erkannt, dass es auch mir sehr viel leichter fällt, anderen Menschen zu vergeben als mir selbst. Ich war früher davon überzeugt, keine Fehler machen zu dürfen. Dies hat mein Leben unglaublich anstrengend werden lassen. Ich war immer bemüht, alles »richtig« zu machen, aber natürlich konnte ich nicht vermeiden, dass ich mal etwas vergaß, mir etwas misslang oder ich mich einfach unbedacht verhielt. Doch anstatt dies als menschliches Verhalten zu akzeptieren, habe ich mich dafür in den meisten Fällen kritisiert und abgelehnt.
Durch den Klärungsprozess, den ich mit Colin Tippings Vergebungsmethode durchlaufen habe (und der auch die Grundlage dieses Buches darstellt), konnte die Perfektionistin in mir befriedet werden und ich konnte immer mehr die Geschenke erkennen, die meine vermeintlich schlechten Eigenschaften bereithielten.
Der wahre Wesenskern
Im Lauf meines Lebens bin ich vielen verschiedenen Lehrern begegnet. Ich habe viel von ihnen gelernt, sie haben mich dabei unterstützt, meinen Weg zu gehen und mein Potenzial zu entfalten. Ich bin ihnen und allen Menschen, die mich auf meinem Weg begleitet haben, zutiefst dankbar.
In einem Song der amerikanischen Musikerin Karen Taylor Good heißt es aber auch treffend: »I couldn’t have done it without me«, also »Ohne mich hätte ich das nicht tun können.« Und deshalb danke ich auch mir, dass ich diesen Weg gegangen bin. Dass ich mir immer wieder neue...