1. KAPITEL
Den Anfang machen:
Wir haben viel zu tun und
viel zu lernen
Ich möchte Ihnen an einem perfekten Beispiel veranschaulichen, wie Frauen in der Vergangenheit programmiert worden sind. Hier ist ein Auszug aus einem Hauswirtschaftslehrbuch aus den fünfziger Jahren. Wortwörtlich steht dort folgendes:
- Bereiten Sie pünktlich das Abendessen zu. Planen Sie rechtzeitig, am besten schon am Abend zuvor, um zur rechten Zeit eine köstliche Mahlzeit für ihn bereithalten zu können. Dadurch spürt er, daß Sie an ihn gedacht haben und für seine Bedürfnisse sorgen. Die meisten Männer sind hungrig, wenn sie nach Hause kommen, und die Aussicht auf eine gute Mahlzeit ist Teil der herzlichen Begrüßung, die sie daheim brauchen.
- Bereiten Sie sich selbst vor. Nehmen Sie sich 15 Minuten Zeit, sich auszuruhen, damit Sie gut erholt sind, wenn er nach Hause kommt. Frischen Sie Ihr Make-up auf, stecken Sie sich eine Schleife ins Haar und achten Sie auf ein frisches Äußeres. Er hat gerade einen Tag umgeben von lauter von der Arbeit erschöpften Leuten hinter sich. Seien Sie fröhlich und interessanter für ihn. Nach einem langweiligen Tag freut er sich über etwas Aufmunterung.
- Schaffen Sie Ordnung im Haus. Gehen Sie, kurz bevor er eintrifft, noch einmal durch die Zimmer und heben Sie Schulbücher, Spielzeug, Papier usw. auf. Wischen Sie dann mit einem Staubtuch über die Tische. Dann wird Ihr Mann das Gefühl haben, in einem sicheren Hafen der Ruhe und Ordnung angelangt zu sein, und auch Sie werden sich gleich viel besser fühlen.
- Bereiten Sie die Kinder vor. Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit, um den Kindern Gesicht und Hände zu waschen (wenn sie noch klein sind), sie zu kämmen, und ihnen, falls nötig, saubere Kleidung anzuziehen. Sie sind kleine Schätze, und er möchte gerne, daß sie diese Rolle auch spielen, wenn er heimkommt.
- Sorgen Sie für Ruhe. Wenn er eintrifft, sollte er nicht durch den Lärm von Waschmaschine, Wäschetrockner, Geschirrspüler oder Staubsauger belästigt werden. Versuchen Sie, die Kinder dazu zu bringen, daß sie leise sind. Freuen Sie sich, ihn zu sehen. Begrüßen Sie ihn mit einem warmherzigen Lächeln.
- Was Sie unbedingt vermeiden sollten: Behelligen Sie ihn bei seiner Ankunft nicht mit Problemen und Klagen. Beschweren Sie sich nicht, wenn er zu spät zum Essen kommt. Gemessen daran, was er an diesem Tag möglicherweise durchgemacht hat, ist das von geringer Bedeutung. Sorgen Sie dafür, daß er sich wohlfühlt. Bieten Sie ihm einen bequemen Sessel an oder schlagen Sie ihm vor, daß er sich einen Moment im Schlafzimmer niederlegt. Halten Sie, je nach Bedarf, etwas Kühles oder Warmes zu trinken für ihn bereit. Schütteln Sie ihm das Kissen auf und bieten Sie an, ihm die Schuhe auszuziehen. Sprechen Sie mit leiser, sanfter, beruhigender, angenehmer Stimme. Ermöglichen Sie es ihm, sich zu entspannen und abzuschalten.
- Hören Sie ihm zu. Es gibt gewiß ein Dutzend Dinge, die Sie ihm gerne erzählen möchten, aber der Moment, wenn er nach Hause kommt, ist dafür nicht der richtige Zeitpunkt. Lassen Sie zuerst ihn erzählen.
- Der Abend sollte ganz ihm gehören. Beklagen Sie sich niemals, wenn er Sie nicht zum Essen oder anderen angenehmen Zerstreuungen ausführt. Versuchen Sie stattdessen, seine Welt harter Arbeit und ständiger Anspannung zu verstehen, und sein Bedürfnis, abzuschalten und sich auszuruhen.
An keiner dieser Verhaltensweisen ist etwas auszusetzen, WENN es das ist, was Sie gerne tun möchten. Führen Sie sich aber vor Augen, daß fast alle jungen Frauen damals darauf programmiert wurden, alle ihre persönlichen Bedürfnisse völlig zu leugnen, um ihre Ehemänner zufriedenzustellen. Das wurde von einer »guten Frau« erwartet. Das war großartig für die Männer, aber weit weniger großartig für die Frauen. Es ist an uns Frauen heute, unserem Leben eine neue Richtung zu geben. Wir können uns selbst neu erfinden, indem wir lernen, alles in Frage zu stellen, sogar solche Dinge, die normaler Bestandteil unserer Alltagsroutine zu sein scheinen: Kochen, Putzen, Kinderbetreuung, Besorgungen zu Fuß oder mit dem Auto erledigen. Alle Dinge, die wir schon seit sehr langer Zeit ganz automatisch tun, sollten einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.
Wollen wir den Rest unseres Lebens genau so verbringen, wie wir es bislang getan haben, wobei lediglich einige Tätigkeiten mit der Zeit wegfallen?
Weibliches Selbstvertrauen aufbauen bedeutet nicht, Männer herabzusetzen. Auf die Männer einzudreschen ist genauso schlimm wie das Verhalten jener Männer, die Frauen unterdrücken und schikanieren. Darauf sollten wir uns gar nicht erst einlassen. Ein solches Verhalten bewirkt lediglich, daß wir alle in Schuldzuweisungen steckenbleiben, und ich glaube, damit haben wir uns lange genug aufgehalten. Wenn wir uns selbst, den Männern oder der Gesellschaft die Schuld für alle Probleme in unserem Leben geben, bewirkt das nur, daß wir uns ohnmächtig fühlen. Schuldzuweisungen sind immer ein Ausdruck von Ohnmachtsgefühlen. Das Beste, was wir für die Männer in unserer Welt tun können, ist, aufzuhören die Opferrolle zu spielen und stattdessen unser Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ein Mensch mit Selbstachtung wird auch von den anderen respektiert.
Ich habe großes Mitgefühl mit den Männern und den Schwierigkeiten, denen sie sich im Leben gegenübersehen. Sie stecken gleichfalls in ihrer Rolle fest, müssen große Lasten tragen und enormem Druck standhalten. Von Kind an wird Männern beigebracht, nicht zu weinen und keine Emotionen zu zeigen. Man erzieht sie dazu, ihre Gefühle zurückzuhalten. Meines Erachtens ist das eine Form von Kindesmißbrauch und Folter. Es ist kein Wunder, daß die Männer dann als Erwachsene so viel Zorn ausdrücken. Zudem leiden die meisten Männer darunter, nie eine gute Beziehung zu ihrem Vater gehabt zu haben. Wenn Sie einen Mann weinen sehen wollen, sollten Sie ihn einmal in einer Umgebung, wo er sich sicher fühlt, von seinem Vater erzählen lassen. Für gewöhnlich steigt in Männern sehr viel Traurigkeit hoch, wenn sie über all die ungesagten Dinge zwischen ihnen und ihrem Vater sprechen, und darüber, wie sehr sie sich eine andere Kindheit gewünscht hätten. Wie sehr sie sich danach sehnten, von ihren Vätern zu hören, sie seien liebenswerte und wertvolle Menschen.
Wir Frauen wurden in unserer Kultur einer Gehirnwäsche unterzogen, die uns einredete, wir müßten, um »gut« zu sein, die Bedürfnisse aller anderen Personen über unsere eigenen stellen. Viele von uns haben ihr Leben damit zugebracht, die Erwartungen anderer zu erfüllen, statt ihr eigenes Wesen zum Ausdruck zu bringen. Viele Frauen sind tief verbittert, weil sie sich aus Pflichtgefühl dazu gezwungen fühlen, sich für andere aufzuopfern. Kein Wunder, daß so viele Frauen unter Erschöpfung leiden. Berufstätige Mütter müssen zwei Vollzeitjobs bewältigen – einen im Büro und einen anderen, der beginnt, wenn sie nach Hause kommen: sich um ihre Familie kümmern. Selbstaufopferung tötet jene, die sich aufopfern.
Wir sollten es nicht erst zu einer körperlichen Erkrankung kommen lassen, ehe wir uns etwas Ruhe gönnen. Ich glaube, viele Krankheiten von Frauen sind einfach ein Weg, eine Zeitlang ausspannen zu können. Eine Krankheit ist die einzige Entschuldigung, die viele Frauen sich durchgehen lassen, um einmal vorübergehend von ihren Pflichten entbunden zu sein. Erst wenn sie wirklich auf der Nase liegen, sind sie imstande, nein zu sagen.
Wir Frauen müssen uns klarmachen – es uns wirklich bewußtmachen –, daß wir keine Bürger zweiter Klasse sind. Dieser Mythos wird von bestimmten Teilen der Gesellschaft aufrechterhalten, aber er ist blanker Unsinn! Die Seele kennt keine Minderwertigkeit; die Seele kennt überhaupt keine Geschlechtsunterschiede. Wir müssen lernen, unser eigenes Leben und unsere eigenen Fähigkeiten ebenso wertzuschätzen, wie man uns gelehrt hat, den Wert anderer Menschen zu sehen. Als die feministische Bewegung ihren Anfang nahm, waren die Frauen so wütend über die Ungerechtigkeiten, unter denen sie litten, daß sie den Männern die Schuld an allem gaben. Das war damals ganz in Ordnung. Die Frauen mußten zuerst einmal ihrem Ärger Luft machen – für eine gewisse Zeit. Das war eine Art Therapie. Wenn Sie zu einem Therapeuten gehen, um den Mißbrauch aufzuarbeiten, den Sie als Kind erlitten, dann ist es zunächst nötig, diese Gefühle zu artikulieren, ehe eine Heilung möglich wird.
Wenn wir aber genügend Zeit bekommen, diese Gefühle auszudrücken, schwingt das Pendel zu einer ausgewogeneren Haltung zurück. Das ist es, was gegenwärtig mit den Frauen geschieht. Es ist an der Zeit, daß wir Wut und Schuldzuweisungen hinter uns lassen, die Opferrolle und die Ohnmacht. Heute ist es an der Zeit, daß wir Frauen unsere persönliche Macht erkennen und Gebrauch von ihr machen. Wir sollten jetzt damit beginnen, für uns selbst zu denken und jene Welt der Gleichberechtigung zu erschaffen, von der wir sagen, daß wir sie haben wollen.
Wenn wir als Frauen lernen, auf positive Weise für uns selbst zu sorgen, Selbstachtung und ein gutes Selbstwertgefühl zu entwickeln, wird das Leben für alle menschlichen Wesen, die Männer eingeschlossen, einen Quantensprung in die richtige Richtung machen. Dann wird es Respekt und Liebe zwischen den Geschlechtern geben, und...