Kochen mit Knochen
Gutes aus Knochen
Rezepte für Knochenbrühe finden Sie in jedem alten Kochbuch; noch vor 50 Jahren war es in jedem Haushalt üblich, die Basisbrühe für Suppe und Eintopf nicht aus Fleisch, sondern vorwiegend aus Knochen und anderen Teilen des Tieres zu kochen, die beim Schlachten anfielen.
Die »Entsorgung« von Essbarem und damit eine ungeheure und sinnlose Verschwendung von Nahrung begann erst Mitte der 1960er-Jahre – schleichend und unmerklich zuerst, dann immer schneller. Die Menschen in den Industrienationen hatten einfach alles und noch viel mehr, als sie brauchten. Nun war Essen in Massen immer und überall verfügbar. Inzwischen befassen sich sogar die Vereinten Nationen mit dem Nahrungsmittelverlust: Bis 2030 sollen die Abfälle um die Hälfte verringert werden. Auch die EU hat sich dieses Ziel gesetzt, und in Deutschland wird bereits an einer nationalen Strategie zur Umsetzung gearbeitet.
Der Trend zu Knochenbrühe hat also viel Gutes: Brühe wird nicht mehr aus Fleisch gekocht, das man dann wegwirft, weil es angeblich wertlos für die Ernährung ist. Basis sind eben nur Knochen, die bei einem durchschnittlichen Fleischverbrauch von etwa 63 Kilo pro Person und Jahr ohnehin anfallen.
Facts
→ Rinder werden geschlachtet, wenn sie etwa 324 Kilo wiegen; der Knochenanteil beträgt etwa 15 Prozent, pro Rind also etwa 48 Kilo Knochen.
→ Schlachtreife Kälber wiegen etwa 150 Kilo, und bei einem Knochenanteil von 18 Prozent bleiben etwa 27 Kilo Knochen übrig.
→ Bei Schweinen fallen bei 12 Prozent des Schlachtgewichts von circa 100 Kilo etwa 12 Kilo Knochen an.
→ Das Schlachtgewicht von Lämmern beträgt zwischen 30 und 40 Kilo, der Knochenanteil beträgt durchschnittlich 6 Kilo je Lamm.
→ Bei Hühnern und anderem Geflügel umfasst der Knochenanteil zwischen 28 und 30 Prozent.
Der größte der Teil der Nutztierknochen wandert in die industrielle Verarbeitung: Aus Gemischen von Knochen und anderen Schlachtabfällen werden Fett und Eiweiß extrahiert und zum Beispiel für Futtermittel, Kosmetika, Arzneimittel verwendet.
DIE KNOCHEN BESORGEN
Die besten und frischesten Knochen für die Brühe gibt es weder im Supermarkt noch in den supermarktartigen Fleischereiketten, sondern nur dort, wo auch wirklich geschlachtet wird. Holen Sie die Knochen also grundsätzlich beim Metzger, bei Geflügelzüchtern, Wildhändlern oder Jägern. Einzelhändler, die oft sogar noch als Familienbetriebe arbeiten, beraten Sie ausgezeichnet und besorgen Ihnen gegebenenfalls auch Knochen, die sie selbst nicht im regulären Angebot haben. Rinder- und Schweineknochen bekommen Sie meist ohne Vorbestellung bei jedem Metzger, während es die richtigen Brüheknochen von Kalb, Lamm, Geflügel und Wild gewöhnlich nur dort gibt, wo die Tiere gezüchtet und auch geschlachtet werden. Das heißt, man muss gezielt und meist sogar nach Vorbestellung einkaufen.
Bio-Ware ist am besten
Die Qualität der Knochen ist entscheidend für den Gesundheitswert der Brühe: Bedenken Sie, dass Knochen wichtige Mineralstoffe speichern. Und weil artgerecht gehaltene Tiere Medikamente nur ausnahmsweise brauchen, weil Masthilfen von Öko-Betrieben nicht eingesetzt werden dürfen, lohnt es sich auch bei Knochenbrühe, in erster Linie Bio-Produkte zu wählen, die es in Bio-Märkten und in den Hofläden von Öko-Landwirten mit eigener oder genossenschaftlicher Schlachterei gibt. Manche Betriebe versenden ihre Produkte auch übers Internet. Die meisten haben eine eigene Website und nennen darin auch Filialen und/oder Bezugsquellen für ihre Produkte.
Welche Knochen wählen?
Je nach Art der Knochen geliert die Brühe mehr oder weniger stark. Zum Trinken eignet sich dünnflüssige Brühe am besten, für Suppen und die meisten Gerichte können Sie sowohl Brühe-Gelee als auch dünne Brühe nehmen, während Sie für Sülzen, als Snack zum Löffeln oder als Topping stichfestes Gelee brauchen.
Für flüssige Rinderbrühe nimmt man Markknochen und Suppenknochen; dies sind zerkleinerte Wirbelknochen, Gelenkköpfe, auch Rosenknochen genannt, und die Beckenknochen, die der Metzger Schlossknochen nennt. Soll die Brühe stärker gelieren, kombinieren Sie die Knochen noch mit dünnen Stücken vom Ochsenschwanz mit dem geringsten Fleischanteil. Kalbsknochen für normale Brühe sind ebenfalls Suppenknochen wie beim Rind; für Brühe, die gelieren soll, zum Beispiel als Sülze, nimmt man zerkleinerte Kalbsfüße.
Die besten Schweineknochen für Brühe sind die Wirbelknochen an Hals und Rücken; auch zerkleinerte Schulter- oder Keulenknochen vom Braten eignen sich. Knochen von gebratenem Geflügel, T-Bone-Steak oder Lammrücken sollten Sie nicht gleich in der Biotonne entsorgen, sondern mit rohen Knochen für Brühe verwenden.
Soll die Brühe gelieren, nimmt man Schweinefüßchen, – schwänze und – ohren, die alle sehr viel Kollagen enthalten. Spareribs, also die Rippenknochen vom Schwein, ergeben keine so gute Brühe und schmecken gegrillt oder gebraten viel besser. Von Lamm, Wild und Geflügel können Sie alle Knochen nehmen, die beim Entbeinen anfallen. Wildfond und Brühe garen Profiköche zwar immer nur mit den Knochen einer Tierart und nicht beispielsweise gemischte Knochen von Reh, Hase und/oder Wildschwein. Doch für unsere Knochenbrühe spielt das keine Rolle, und auch bei Geflügel können Sie die Knochen verschiedener Tierarten gemischt in einer Brühe verwenden.
Grundsätzlich müssen Knochen und alle anderen Teile des Tieres – Kopf, Hals oder Füße – frei von Blut sowie von Haar- und Federnresten sein.
Bitte beachten
→ Lassen Sie Knochen für Brühe grundsätzlich schon beim Einkauf zerkleinern, denn dazu braucht man spezielle Geräte. Do it yourself ist da viel zu gefährlich.
→ Knochen, vor allem Markknochen, sind noch leichter verderblich als Frischfleisch. Deshalb müssen Sie in der warmen Jahreszeit mit Kühltasche einkaufen.
→ Wenn Sie längere Wege haben und/oder gleich größere Mengen besorgen, brauchen Sie zusätzlich Kühlelemente aus dem Tiefkühler.
→ Zu Hause die Knochen sofort in den Kühlschrank legen und die Brühe möglichst noch am Tag des Einkaufs kochen.
DIE BRÜHE KOCHEN
Zuerst müssen Sie die Knochen waschen, um Knochensplitter zu entfernen. Dann gibt man sie in einen großen Suppentopf und gießt so viel Wasser dazu, dass die Knochen gut davon bedeckt sind: Pro Kilo Knochen rechnet man etwa mit 2 Liter Wasser. Nehmen Sie grundsätzlich kaltes Wasser, denn nur dann lösen sich die Proteine, also auch Kollagen, und verbinden sich zu großen Molekülen, die als Schaum an die Oberfläche steigen, sobald die Brühe einige Zeit köchelt. Diesen Schaum müssen Sie nicht abschöpfen; im Laufe des Garprozesses setzen sich die Proteine als dicke Flocken in der Brühe ab, die zum größten Teil nach unten sinken. Kochendes Wasser eignet sich zum Aufsetzen nicht, weil die Proteine dann winzige Partikel bilden und die Brühe trüben.
Um Calcium aus der Knochenmasse zu lösen, sollte das Kochwasser Säure enthalten, deshalb fügt man ein paar Löffel Apfelessig oder Zitronensaft hinzu. Selbstverständlich können Sie auch jede andere aromatische Essigsorte nehmen; wichtig ist nur, dass der Säuregehalt mindestens 6 Prozent beträgt.
Suppengemüse wie Möhren, Porree, Sellerie und Petersilienwurzeln sind optionale Zutaten, die Aroma oder Gesundheitswert der Brühe kaum beeinflussen. Doch damit Sie selbst testen können, was Ihnen besser schmeckt, finden Sie in den Grundrezepten beide Zubereitungsarten. Wenn Sie mit der Brühe ein neues Gericht zubereiten, geben Sie Gemüse und Kräuter frisch zu – der Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen ist dann höher.
Gewürze wie Lorbeer, Wacholder, Knoblauch, Pfefferkörner oder auch Tomatenmark spielen fürs Aroma der Brühe durchaus eine Rolle, und vor allem Brühen mit intensivem Eigengeschmack, die Sie aus Wild-, Lamm- oder Gänseknochen zubereiten, vertragen auch kräftige Gewürze.
Salz brauchen Sie bei den Grundrezepten nicht, denn Knochen enthalten bereits so viele Mineralstoffe, dass die fertige Brühe angenehm würzig schmeckt. Erst wenn Sie ein Essen mit der Basisbrühe zubereiten, schmecken Sie wie gewohnt mit Salz ab.
Sobald alle Zutaten im Topf sind, wird das Wasser langsam erhitzt, bis es leise köchelt. Während der gesamten Garzeit darf die Brühe nur simmern, nicht sprudelnd kochen. Ob die Temperatur stimmt, erkennen Sie an den kleinen Bläschen, die in der Brühe aufsteigen. Legen Sie einen Kochlöffel zwischen Topf und Deckel und lassen Sie die Knochen so fast zugedeckt garen. Auch im Backofen können Sie Knochenbrühe zubereiten. Der Vorteil dabei: Sie brauchen weniger Energie als auf dem Herd, müssen die Temperatur kaum kontrollieren, können den Bräter geschlossen halten, was Vitamine und Geschmack schont. Durch die Rundumhitze werden auch die Aromastoffe besser gelöst.
Der Topf für die Brühe
Zum Kochen der Brühe verwende ich einen normalen Suppentopf aus Edelstahl, im Backofen einen Bräter aus Gusseisen oder ebenfalls Edelstahl. Im Schnellkochtopf läuft der Garprozess zu rasch ab, sodass Nähr- und Vitalstoffe aus den Knochen nur unvollständig in die Brühe...