VORWORT
Maske: Vor dem Gesicht getragene, das Gesicht einer bestimmten Figur, einen bestimmten Gesichtsausdruck darstellende (steife) Form aus Pappe, Leder, Holz o. Ä. als Requisit des Theaters, Tanzes, der Magie.
Maskulin: Für den Mann charakteristisch, männlich.
DUDEN
ENDLICH WAR DER MOMENT GEKOMMEN, auf den ich fünf Jahre lang gewartet hatte. Ich hatte mein erstes Buch geschrieben. Es hieß The School of Greatness. Durch den effektiven Einsatz meiner Beziehungen und die Annahme jedweder Hilfe war die Veröffentlichung meines Buches ein großer Erfolg. Ja, es war ein Selbstläufer! Überall las ich Rezensionen, sogar im Forbes Magazine und im New York Observer. Zwei Wochen nach Erscheinen des Buches erhielt ich eine E-Mail meines Agenten, von der jeder Schriftsteller träumt: »Lewis«, schrieb er, »du bist die Nummer 3 auf der New York Times-Bestsellerliste.«
All das passierte mir, einem Jungen, der in der Schule Schwierigkeiten mit dem Lesen hatte und den alle Mitschüler und Lehrer für dumm gehalten hatten, dessen Bruder wegen Drogendelikten im Gefängnis gesessen hatte und von dem alle annahmen, ihn würde das gleiche Schicksal ereilen. Jetzt war ich nicht nur Autor, mein Buch stand sogar auf der New York Times-Bestsellerliste. Ebenso war es auf der Bestsellerliste des Wall Street Journals, der USA Today, der Washington Post und auf jeder anderen erdenklichen Bestsellerliste.
Ich hatte mich noch nie so euphorisch gefühlt. Mein größter beruflicher Traum war in Erfüllung gegangen.
Auf meiner Lesereise erzählte ich in ausverkauften Buchhandlungen, was ich durch die Interviews mit erfolgreichen Sportlern, Schauspielern, Vordenkern und Topperformern gelernt hatte. Durch meinen Erfolg fühlte ich mich nun ein wenig dazugehörig. Das ist der Stoff, aus dem Träume gemacht sind.
Doch irgendetwas stimmt nicht mit mir. Nach der Lesung, bei der Diskussion oder während der Signierstunde stellte mir der ein oder andere Fragen, die, zumindest zeitweise, meine euphorische Stimmung ein wenig trübten: »Und an was arbeiten Sie jetzt?« Oder: »Sie haben es ja echt geschafft. Gibt es irgendetwas, wovon Sie noch träumen?« Gerade die letzte Frage traf mich völlig unvorbereitet. Alles, was ich in den letzten zehn Jahren erreicht hatte, hatte viele Opfer von mir abverlangt. Ich war stolz auf meinen Erfolg, aber wenn ich demjenigen, der mir diese Frage gestellt hatte, in die Augen schaute, fühlte ich mich irgendwie ertappt.
Ich hatte gerade eine langjährige Beziehung hinter mir, war jeden Abend nach der Lesung alleine und stellte mir immer dieselbe Frage. Das Hoch, das ich während der Lesung oder der Signierstunde vor einer Schlange von Menschen empfunden hatte, war abends immer wie weggeblasen. In diesen unpersönlichen und ausdruckslosen Hotelzimmern fühlte ich mich stets sehr einsam. Ich hatte mit meinem Buch und in meinem Beruf so vieles von dem erreicht, was ich hatte erreichen wollen, aber ganz tief im Innern fragte ich mich, ob dies alles gewesen sein sollte. Ich hatte niemanden, mit dem ich meinen Erfolg teilen konnte. Ich hatte keinerlei intime oder enge Beziehungen.
Eigentlich hätte ich mich wunderbar fühlen sollen, stattdessen fühlte ich mich aber schrecklich.
Nachdem ich schon in einigen Städten Lesungen gehalten hatte, wurde ich an einem Abend zu meinen Problemen in Beziehungen gefragt, und ich gab eine eher fröhliche Antwort, bei der ich zwar ehrlich antwortete, meine Einsamkeit aber unerwähnt ließ. Doch nun spürte ich auf einmal, dass dies keine neue Erfahrung für mich war. Ich hatte zuvor schon einmal so empfunden. Auf dem College hatte ich meine persönlichen und sportlichen Ziele ebenso erreicht und war dennoch unglücklich gewesen, als ich auf die Bühne getreten war, um meine Auszeichnung als bester All-American-Sportler im Zehnkampf in Empfang zu nehmen. Genau in dem Augenblick, in dem ich von Stolz, Selbstvertrauen und Befriedigung hätte überwältigt sein müssen, hatten mich Selbstzweifel und eine depressive Stimmung überkommen.
Vielleicht kennen Sie die Geschichte schon, denn ich berichte in The School of Greatness ausführlich darüber. Nur eins habe ich in diesem Buch nicht erwähnt: dass ich als 21-Jähriger, in einer sehr verwirrenden Phase meines Lebens, etwas getan hatte, was die meisten jungen Männer tun: Ich hatte meine Gefühle ignoriert. Ich hatte sie weggepackt und so getan, als existierten sie nicht. Ich hatte sie in einer Schublade verstaut, weil man das als Mann so macht. Sich so zu fühlen, gehörte eben zum Leben, und wenn ich meinen Gefühlen nachgab, war ich schwach. Ich wusste nur, dass ich mein Leben auf die Reihe kriegen musste, und zwar sowohl finanziell als auch beruflich. Der Gedanke, dass noch etwas anderes in meinem Leben wichtig sein könnte, kam mir gar nicht erst in den Sinn. Außerdem glaubte ich, dass sich alle Probleme in Luft auflösten, wenn ich nur erfolgreich wäre.
So hatte ich es als Sportler gelernt. Wenn einen etwas bedrückte, durfte man dieses Gefühl zu 100 Prozent nicht mit aufs Spielfeld nehmen. Wenn man Probleme in der Schule hatte, musste man sie selbst lösen (betrügen oder lügen) oder sich einfach gut durchmogeln. Auf keinen Fall durften private Probleme die sportliche Leistung beeinträchtigen. Als Unternehmer und Person im Rampenlicht empfand ich denselben Druck: Zeige allen, wie gut es dir geht und was für ein abgefahrener Typ du bist, denn keiner will dich in den sozialen Medien jammern hören. Durchhalten und siegen, so wurde mir immer gesagt, wären Allheilmittel für alles, was einen bedrückt – besonders wenn man ein Mann war.
Obwohl mir diese Denkweise von allen möglichen Menschen eingetrichtert worden war – von meiner Familie, von meinem Coach, von meinen Teamkollegen, von Filmen, von den Medien –, so spürte ich doch tief in mir, dass sie nicht richtig war. Immer wenn ich wirklich tolle Athleten getroffen hatte – Sportler wie Rich Roll, Ray Lewis, Travis Pastrana und Steve Weatherford – oder Motivationsredner wie Tony Robbins und Chris Lee, spürte ich, dass sie nicht so dachten. Sie verdrängten ihre Gefühle nicht. Sie erforschten sie. Sie hinterfragten sie und, noch wichtiger, sie waren sich ihrer bewusst. Indem sie ihre Gefühle verarbeiteten, warfen sie nicht nur eine große Last ab, sondern schöpften daraus eine emotionale Stärke. Wie diese herausragenden Sportler ihre Emotionen verarbeiten, hat mich sehr fasziniert.
Es gab nur ein Problem. Ich hatte keine Ahnung, wie sie das machten. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich hatte mich schon damit befasst, meine Gefühle genau zu erforschen und zu verstehen. Ich hatte Seminare besucht und Bücher darüber gelesen. Ich hatte Vieraugengespräche mit Personal Coaches, die sich darauf spezialisiert hatten, Leuten wie mir zu helfen. Ich hatte das Gefühl zu wissen, was ich tun musste, nur keinen blassen Schimmer, wie. Daher ging es mir immer noch nicht gut. Um meine Unsicherheiten zu verbergen, las ich noch mehr Bücher und ging zu noch mehr Seminaren. Das funktionierte auch ganz gut, bis ich wieder in derselben Situation war wie zuvor. Trotz all meiner Erfolge fühlte ich mich unerfüllt und verwirrt.
Als die Lesereise zu Ende ging, fasste ich den Entschluss, dass die Zeit reif für Veränderungen war. Wäre ich jünger gewesen, hätte ich einfach nur frustriert aufgegeben oder den Rat meiner Freunde beherzigt, nicht so eine Mimose zu sein und wie ein Mann damit umzugehen. Genau das wollte ich aber nicht. Ich konnte die Angst und die Unsicherheit, die ich empfand, nicht einfach ignorieren. Ich wollte all dies nicht nur ergründen, sondern diese Angelegenheit ein für alle Mal aus der Welt schaffen, um meine Persönlichkeit weiterzuentwickeln.
Damit ich das, was mich störte, dafür nutzen konnte, mich zu verändern und daran zu wachsen.
Das Universum richtet sich aus
Als die Lesereise zu Ende war, kehrte ich nach Los Angeles zurück und erkannte, dass es das Beste für mich war, mich intensiver auf dieses Thema einzulassen und ein Buch über Männlichkeit und meine Herausforderungen in allen Bereichen des Lebens zu schreiben, um so schließlich auch anderen Männern zu helfen. Es ist wichtig zuzugeben, dass man sich damit schwertut und darunter leidet. Es ist aber genauso wichtig zu erkennen, dass man mit seiner Männlichkeit Schwierigkeiten hat. Aber zu verstehen, warum man sich damit schwertut und wie man diesen Kampf gewinnt, ist wahrlich eine Kunst. Und genau die wollte ich erlernen.
Zeitgleich hörte ich von einer Dokumentation von Jennifer Siebel Newsom, The Mask You Live In (Netflix). Jeder empfahl sie mir. Ich bedankte mich bei der ersten Person, die mir diesen Film empfohlen hatte, und schrieb ihn auf meine To-do-Liste. Bei der zweiten Person bedankte ich mich ebenfalls. Als mir eine dritte Person davon erzählte, wurde ich neugierig. Bei der fünften raffte ich mich endlich auf und schaute mir den Film...