Wie sind die modernen, nachdiktatorischen Verfassungen zu handhaben, für die das Grundgesetz ein besonders erfolgreiches Beispiel ist? Wieviel demokratische Politik ist angesichts der großen Richtermacht noch möglich? Martin Hochhuth entwickelt ein neues Verfassungsverständnis. Danach ist das Grundgesetz ein System, bei dessen Interpretation stets die Gesamtarchitektur im Blick bleiben muß. Zu dieser Gesamtarchitektur gehört die starke Dynamik bestimmter Freiheitsrechte, insbesondere der geistigen Freiheiten. Sie gelten zwar nicht schrankenlos, aber sie sind schwerer zu begrenzen als die bloß wirtschaftlichen Freiheiten. An der Meinungsfreiheit wird gezeigt, wie jenes am 23. Mai 1949 qualitativ gewandelte Verfassungsrecht sich einer bereits vorgefundenen, ihrerseits ebenfalls schon kodifizierten Rechtsordnung überstülpt. Die wettbewerbsrechtliche Reklamerechtsprechung und die Ehrschutzproblematik spiegeln die Wandlung durch Konstitutionalisierung. Eigenständige Systeme sinken zu Subsystemen der Verfassungsordnung ab, indem sie der neue Anspruch eines klagbaren Freiheitsrechts durchdringt. Aus dem neuartigen Verfassungssystem folgen Kriterien, durch die manche der bei Art. 5 Abs. 1 und 2 GG aufgebrochenen Verwerfungen unvermeidlich erscheinen, andere aber als richterliche Anmaßung erkennbar werden. Die 'Lüth'-Rechtsprechung, aber auch 'Elfes', 'Abtreibung 1' und 'Apothekenurteil' markieren den neuen, aber eben unvermeidlichen Anspruch dieses Verfassungstyps. Der Streit um die Fälle 'Stolpe' oder 'Benetton' wird von diesem neuen Konzept aus verständlich.
Studium der Rechtswissenschaft, Politik und Philosophie in Hamburg, Konstanz und Freiburg i. Br.; 1998 Promotion; 2005 Habilitation; z.Zt. Lehrstuhlvertretungen am Institut für Öffentliches Recht sowie am Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie der Universität Freiburg.
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