Zweite Nebenübung
Kontrolle des Willens
Kontrolle der Handlungen
Herrschaft über die Willensimpulse
Herrschaft der Seele über ihren Willen
Initiative des Handelns
Initiativkraft
Wie Herrscher in der Gedankenwelt, so soll ein solcher die Seele auch im Gebiete des Willens werden. In der physisch-sinnlichen Welt ist es auch hier das Leben, das als Beherrscher auftritt. Es macht diese oder jene Bedürfnisse für den Menschen geltend; und der Wille fühlt sich angeregt, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Für die höhere Schulung muss sich der Mensch daran gewöhnen, seinen eigenen Befehlen streng zu gehorchen. Wer sich an solches gewöhnt, dem wird es immer weniger und weniger beifallen, Wesenloses zu begehren. Das Unbefriedigende, Haltlose im Willensleben rührt aber von dem Begehren solcher Dinge her, von deren Verwirklichung man sich keinen deutlichen Begriff macht. Solche Unbefriedigung kann das ganze Gemütsleben in Unordnung bringen, wenn ein höheres Ich aus der Seele hervorgehen will. Eine gute Übung ist es, durch Monate hindurch sich zu einer bestimmten Tageszeit den Befehl zu geben: Heute «um diese bestimmte Zeit» wirst du «dieses» ausführen. Man gelangt dann allmählich dazu, sich die Zeit der Ausführung und die Art des auszuführenden Dinges so zu befehlen, dass die Ausführung ganz genau möglich ist. So erhebt man sich über das verderbliche: «ich möchte dies; ich will jenes», wobei man gar nicht an die Ausführbarkeit denkt. Eine große Persönlichkeit lässt eine Seherin sagen: «Den lieb’ ich, der Unmögliches begehrt». (Goethe, Faust II.) Und diese Persönlichkeit (Goethe) selbst sagt: «In der Idee leben heißt, das Unmögliche behandeln, als wenn es möglich wäre». (Goethe, Sprüche in Prosa.) Solche Aussprüche dürfen aber nicht als Einwände gegen das hier Dargestellte gebraucht werden. Denn die Forderung, die Goethe und seine Seherin (Manto) stellen, kann nur derjenige erfüllen, welcher sich an dem Begehren dessen, was möglich ist, erst herangebildet hat, um dann durch sein starkes Wollen eben das «Unmögliche» so behandeln zu können, dass es sich durch sein Wollen in ein Mögliches verwandelt.
(Die Geheimwissenschaft im Umriss, 1910)29
Ein Zweites ist, eine ebensolche Folgerichtigkeit in sein Handeln zu bringen (Kontrolle der Handlungen). Alle Unbeständigkeit, Disharmonie im Handeln gereichen der in Rede stehenden Lotusblume zum Verderben. Wenn der Geheimschüler etwas getan hat, so richtet er sein folgendes Handeln danach ein, dass es in logischer Art aus dem Ersten folgt. Wer heute im anderen Sinn handelt als gestern, wird nie den charakterisierten Sinn entwickeln.
(Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?, 1905)30
Kontrolle der Handlungen besteht in einer ähnlichen Regelung derselben durch innere Freiheit. Man beginnt gut damit, dass man sich anschickt, irgendetwas regelmäßig zu tun, wozu man durch das gewöhnliche Leben nicht gekommen wäre. In dem letzteren wird ja der Mensch von außen zu seinen Handlungen getrieben. Die kleinste Tat aber, die man aus der ureigensten Initiative heraus unternimmt, wirkt in der angegebenen Richtung mehr als alles, wozu man vom äußeren Leben gedrängt wird.
(Die Stufen der höheren Erkenntnis, 1906)31
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b) Kontrolle der Handlungen. Der Mensch lebt und handelt im Materiellen und ist ins Zeitliche gestellt. Er kann bei der Fülle der Erscheinungswelt nur einen kleinen Teil umfassen und ist durch seine Tätigkeit an einen bestimmten Kreis des Vergänglichen gebunden. Die tägliche Meditation dient dem Chela zur Sammlung und Kontrolle seiner Handlungen. Er wird in ihnen nur das Dauernde betrachten und den Wert nur auf das Tun legen, mit dem er helfend der höheren Entwicklung seiner Mitmenschen dienen kann. Er wird die Fülle der Erscheinungswelt wieder auf die höchste Einheit zurückführen.
(Berlin, Schlachtensee, Sommer 1903)32
Das Zweite ist, dass wir uns in ähnlicher Weise zu unseren Handlungen verhalten, also Kontrolle der Handlungen üben. Dabei ist notwendig, dass wir wenigstens dazu gelangen, ab und zu solche Handlungen zu begehen, zu denen wir durch nichts, was von außen kommt, veranlasst sind. Alles dasjenige, wozu wir durch unseren Stand, unseren Beruf, unsere Stellung veranlasst sind, das führt uns nicht tiefer in das höhere Leben hinein. Das höhere Leben hängt von solchen Intimitäten ab, zum Beispiel dass wir den Entschluss fassen, ein Erstes zu tun, etwas, was unserer ureigensten Initiative entspringt, und wenn es auch nur eine ganz unbedeutende Tatsache wäre. Alle andern Handlungen tragen zum höheren Leben nichts bei.
(Berlin, 7. Dezember 1905)33
Aus eigener Initiative Handlungen vollbringen, jede Handlung sich so vornehmen, dass sie seine ureigene ist, das bringt in ihn solche Ruhe, die für die Seele nötig ist.
(Berlin, 19. April 1906)34
Zweitens: Ebenso handeln in Hinsicht auf alle Tätigkeiten, seien sie groß oder klein, sie beherrschen, sie regeln, sie unter die Kontrolle des Willens bringen. Alle müssen hinfort von einer inneren Initiative ausgehen. Das ist die Kontrolle der Handlungen.
(Paris, 30. Mai 1906)35
Zweitens: Initiative in den Handlungen. Diese sollen etwas sein, was ursprünglich aus der eigenen Seele selbst herauskommt.
(Leipzig, 9. Juli 1906)36
Initiative des Handelns, das heißt, man muss sich zwingen zu wenn auch unbedeutenden, aber aus eigener Initiative entsprungenen Handlungen, zu selbst auferlegten Pflichten. Die meisten Ursachen des Handelns liegen in Familienverhältnissen, in der Erziehung, im Berufe und so weiter. Bedenken Sie nur, wie wenig eigentlich aus der eigenen Initiative hervorgeht! Nun muss man also kurze Zeit darauf verwenden, Handlungen aus der eigenen Initiative hervorgehen zu lassen. Das brauchen durchaus nicht wichtige Dinge zu sein; ganz unbedeutende Handlungen erfüllen denselben Zweck.
(Stuttgart, 2. September 1906)37
Zweitens: Initiative des Handelns. Diese fehlt manchem Menschen fast ganz, denn von früh auf wird er gewöhnlich in einen Beruf gedrängt, der nun den größten Teil seines Handelns absorbiert. Unsere meisten Handlungen sind von außen bestimmt. Daher soll der, welcher die Einweihung sucht, es sich eindringlich angelegen sein lassen, zu einer bestimmten Tageszeit regelmäßig eine Handlung zu verrichten, die aus inneren, eigenen Antrieben heraus kommt, mag dies im Grunde auch etwas Unbedeutendes sein.
(Basel, 19. September 1906)38
Erforderlich ist zweitens die Initiative der Handlung. Diese besteht darin, dass der Schüler eine Handlung täglich ganz aus ureigener Initiative vollzieht. Es genügt, wenn es eine ganz kleine, unbedeutende Handlung ist, zum Beispiel Blumen gießen. Nach einiger Zeit nimmt man sich wieder eine andere Handlung vor.
(Wien, 22. Februar 1907)39
Dann muss man dazu übergehen, initiative Handlungen vorzunehmen, die man sonst ganz gewiss nicht getan hätte. Eine ganz unbedeutende Handlung mag es sein. Es kommt nicht auf das Bedeutende der Handlung an, aber es muss eine eigene Handlung sein, eine aus ureigenster Initiative. Ein Herr, dem ich dies sagte, teilte mir nach einiger Zeit mit, er habe in seinem Büro täglich sieben Schritte nach vorne und sieben Schritte nach rückwärts getan und sich dabei die Evolution und Involution vorgestellt. Ausgezeichnet – nicht die Größe der Handlung, sondern die ureigenste Initiative ist notwendig.
Einigen Freunden sprach ich auch davon und erwähnte, um ein Beispiel zu geben, dass man Blumen begießen könne, wenn man nie Blumen begossen habe. Und was musste ich erleben? Als ich die Freunde besuchte, fand ich sie alle Blumen begießend vor. Das war das Verkehrteste, was sie tun konnten, denn nicht meine Handlung sollten sie tun, sondern eine bis auf die Erfindung ureigene. Wenn man das durch lange Zeit macht, sieht man, was es für eine innere Wirkung hat. Diese Dinge harmonisieren und gleichen derart alles im physischen und im Ätherleib aus, dass beide selbst nachklingen und nicht mehr so des Ausbesserns bedürfen, so dass der astralische Leib einen Teil der Kräfte ihnen entziehen kann.
(Wien, 7. November 1907)40
Herausentwicklung einer gewissen Initiative des Willens […]
(Den Haag, 29. März 1913)41
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Hat man sich etwa einen Monat also geübt, so lasse man eine zweite Forderung hinzutreten. Man versuche, irgendeine Handlung zu erdenken, die man nach dem gewöhnlichen Verlaufe seines bisherigen Lebens ganz gewiss nicht vorgenommen hätte. Man mache sich nun diese Handlung für jeden Tag selbst zur Pflicht. Es wird daher gut sein, wenn man eine Handlung wählen kann, die jeden Tag durch einen möglichst langen Zeitraum vollzogen werden kann. Wieder ist es besser, wenn man mit einer unbedeutenden Handlung beginnt, zu der man sich sozusagen zwingen muss, zum Beispiel man nimmt sich vor, zu einer bestimmten Stunde des Tages eine Blume, die man sich gekauft hat, zu begießen. Nach einiger Zeit soll eine zweite dergleichen Handlungen zur ersten hinzutreten, später eine dritte und so fort, soviel man bei Aufrechterhaltung seiner sämtlichen anderen Pflichten ausführen kann. Diese Übung soll wieder einen Monat lang dauern. Aber man soll, soviel man kann, auch während dieses zweiten Monats der...