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E-Book

Die neue Unternehmensfinanzierung

Strategisch finanzieren mit Bank- und Kapitalmarktorientierten Instrumenten

AutorHanna Rieger, Wilfried Stadler
VerlagRedline Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl366 Seiten
ISBN9783864148149
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis32,99 EUR
Die Unternehmensfinanzierung steht im Zeichen des Wandels von einer bank- und kreditorientierten zu einer kapitalmarktorientierten Finanzierungskultur. Damit verändern sich Zusammenwirken und Funktionen von Banken und Unternehmen. Gleichzeitig wirken mit den neuen Eigenmittelvorschriften der Bankaufsichtsbehörden (Basel II) Spielregeln, die insbesondere mittelständische Unternehmen vor neue Herausforderungen bei der Wahl der richtigen (Langfrist-) Finanzierungsinstrumente stellen. Dafür benötigen sie innovative Finanzierungslösungen, die über den klassischen Kredit hinausgehen und sich in ihrer Ausgestaltung an Kapitalmarktprodukte anlehnen. Der Autorenband Die neue Unternehmensfinanzierung versammelt Experten-Beiträge von erfahrenen FinanzierungsspezialistInnen und bietet den theoretischen Hintergrund zu strategischen Finanzierungsentscheidungen. Er wendet sich als aktueller Leitfaden für die Lösung konkreter Finanzierungsfragen an Finanzverantwortliche in Unternehmen, ExpertInnen in Banken und Finanzierungsinstituten aber auch an Lernende und Lehrende an Universitäten und Fachhochschulen im deutschsprachigen Raum.

Der Herausgeber Dr. Wilfried Stadler ist Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender der Investkredit Bank AG, Wien sowie Autor und Herausgeber mehrerer Fachbücher.

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Leseprobe

Die neuen Spielregeln: Von der bankorientierten zur kapitalmarktorientierten Finanzierungskultur

Wilfried Stadler

Die Finanzierungsvoraussetzungen für Unternehmen haben sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Das Spielfeld für Entscheider ist vielfältiger, aber auch unübersichtlicher geworden. Traditionelle Spielregeln der bankorientierten Finanzierungskulturen aus der Zeit vor dem Euro werden durch ein neues Set von Regeln aus der angloamerikanischen, an Kapitalmärkten orientierten Finanzierungskultur in Frage gestellt. Unternehmen müssen zur Umsetzung ihrer Finanzierungsstrategie die geeignetsten Instrumente aus beiden Welten nutzen.

Banken und Unternehmen in der Beziehungskrise

Sichtbarstes Beispiel für eine Beziehungskrise zwischen Banken und Unternehmen ist die veränderte Rolle der „Hausbank“ in der Mittelstandsfinanzierung. Unternehmen, die jahrzehntelang daran gewöhnt waren, ihr Wachstum über eine Mischung von Innen- und Kreditfinanzierung zu bewältigen, sehen sich nun einer Bankenwelt gegenüber, die nicht mehr das „Gewohnheitsrecht“ auf einen zinsgünstigen Kredit einlöst, sondern immer häufiger auf einer Differenzierung der Konditionen nach Bonität und Laufzeit besteht. Manche Geschäftsbanken verprellen ihre langjährigen Kunden sogar mit dem öffentlich verkündeten Rückzug vom mittelständischen Langfristkredit. Letztlich wurde die erschwerte Erhältlichkeit von Krediten für mittlere Unternehmensbonitäten sogar zu einem volkswirtschaftlichen Problem.

Banken verfügen in den gut entwickelten Kapitalmärkten von heute innerhalb vergleichbarer Risikokategorien und Laufzeiten meist über eine Vielzahl von Veranlagungsalternativen. Wenn sie ihre knappen Eigenmittel wirtschaftlich einsetzen wollen, müssen sie die Chance nutzen, sich bei Kreditnehmern und Wertpapieren derselben Bonitätsstufe für die jeweils ertragreichste Veranlagung zu entscheiden. Ihre eigene Bonitätseinstufung durch die Rating-Agenturen und die damit verbundenen Refinanzierungsmöglichkeiten auf den Kapitalmärkten hängen unmittelbar davon ab, ob es den Banken gelingt, die Streuung ihrer Ausleihungen entlang von Bonitätsklassen und Laufzeiten bei begrenzten Ausfallsrisiken so ertragreich wie möglich zu gestalten.

Für Unternehmen in den mittleren und unteren Bonitätsstufen wurden Kredite damit teurer und manche nach traditionellen Maßstäben durchaus noch machbare Kreditgewährung entfällt unter den strengeren Bonitätsan-Sprüchen zur Gänze. Unternehmen der besten Bonitätsstufen hingegen können von den neuen Spielregeln der Fremdfinanzierung durchaus profitieren – für sie bleibt der Kreditmarkt ein „Käufermarkt“. Ihnen stehen darüber hinaus, ab einer bestimmten Größe, auch die Leistungen internationaler Häuser und Produkte des Kapitalmarkts offen.

Viele Banken vollzogen den Weg in die neue Finanzierungswelt, ohne ihre Kunden über die geänderten Geschäftsprinzipien ausreichend zu informieren. Verführt durch die Euphorie des Kapitalmarktbooms der späten Neunzigerjahre setzten sie einseitig auf Kapitalmarktprodukte und vergaßen völlig, dass die an eine erfolgreiche Kreditkultur gewöhnten Bankkunden darauf nicht vorbereitet sein konnten.

Zu aus heutiger Sicht weit überhöhten Preisen kauften sich vor allem deutsche Geschäftsbanken bei englischen und amerikanischen Investmentbanken ein. Die Wertverluste aus diesen Akquisitionen und überhastet hochgetriebenen Kapitalmarkt-Engagements kosteten in den Folgejahren große Teile ihrer stillen Reserven. Statt Fehler in diesem Bereich zuzugeben, agierten manche Bankhäuser so, als wäre das Kreditgeschäft mit den Unternehmenskunden des Mittelstands die Hauptursache der offenkundigen Ertragsschwäche der einst so stolzen Banken.

Mittlerweile ist ein gewisses Umdenken zu bemerken. Obwohl es in der Phase des Übergangs zu den neuen Spielregeln im mittelständischen Bereich noch immer zu erhöhten Anforderungen und Verknappungen im Kreditgeschäft kommt, stellt sich auf beiden Seiten ein neuer Realitätssinn ein: Banken bemühen sich wieder um Unternehmenskunden des Mittelstandes, Unternehmen lernen, professioneller mit den neuen Anforderungen der Banken und Kapitalmärkte umzugehen. (Siehe Beitrag „Zusammenarbeit von Unternehmen und Banken im Zeichen von Basel II“ ab Seite 114.)

Basel II – mehr als ein Papiertiger

Als Sündenbock für den herausfordernden Wandel der Finanzierungskultur mussten die neuen Baseler Richtlinien für die Kreditgewährung der Banken herhalten. Dieses internationale Regelwerk – genannt „Basel II“ – stellt einen Versuch dar, den grundlegenden Strukturveränderungen auf den Finanzmärkten durch die Festschreibung neuer Regeln für Finanzgeschäfte, vor allem aber die Kreditvergabe gerecht zu werden. Vereinfacht gesagt geht es dabei um die Sicherung der Stabilität des Bankensystems durch je nach Bonitätsklasse des Kreditschuldners gestaffelte Eigenmittelerfordernisse der Banken.

Im Laufe der Jahre wurden diese Regeln immer komplexer, mit jedem grundlegenden Einwand gegen die ursprüngliche Konzeption stieg die Zahl der Ausnahmen. Nach mehreren Verschiebungen – die Einführung war ursprünglich schon für 2004 vorgesehen, aus heutiger Sicht ist mit einem Start erst 2007 zu rechnen – wurde nun schon soviel Expertenarbeit investiert, dass niemand mehr wagt, fundamentale Kritik an dem unaufhaltsam zum Papiertiger mutierenden Paragrafenwerk zu üben. Dass sich die amerikanischen Initiatoren mittlerweile wieder davon distanzieren und die Anwendung auf wenige große Geschäftsbanken einschränken wollen, ändert daran ebenso wenig wie die Einigkeit der Fachwelt darüber, dass „Basel IIprozyklisch wirkt und damit in konjunkturschwachen Zeiten den negativen Geschäftszyklus – mit allen volkswirtschaftlichen Nachteilen – sogar verstärkt.

Unstrittig ist jedoch das Hauptziel der neuen Regeln: das Bankensystem in einer globalisierten Finanzwelt durch klare risikopolitische Vorgaben und eine bessere Kontrolle der Geschäftsprozesse weniger krisenanfällig zu machen. Dieses zentrale Anliegen einigt die Vertreter der nationalen Finanzmarkt-Aufsichtsbehörden und bildet die fachliche Klammer in jeder Basel-II-Diskussion. Denn längst ist erkannt, dass die Liberalisierung des weltweiten Finanzwesens in Verbindung mit immer größer werdenden Wirtschafts- und Währungszonen und einer neuen, von den Zielen großer institutioneller Veranlager bestimmten Kapitalmarktkultur nach systematisch verbesserten Informationen über das Finanzsystem verlangt. (Siehe Beitrag „Wie die Handelbarkeit von Kreditrisiken die Finanzierungslandschaft verändert“ ab Seite 80.)

Der Euro-Kapitalmarkt als Auslöser der Veränderung

Basel II ist so gesehen wohl das meistbeachtete Symbol für einen grundlegenden Wandel unserer Finanzierungskultur, nicht aber dessen Auslöser. Gäbe es ein Ranking der wichtigsten Ursachen der veränderten Finanzierungslandschaft, stünde wohl der Euro an erster Stelle. Erst die Gemeinschaftswährung stellte eine für alle Marktteilnehmer gleiche Ausgangsbasis bei Investitionen und Veranlagungen her. Aus isolierten, nationalen Finanzmärkten konnte erstmals ein gesamteuropäischer Finanzmarkt entstehen, der mit den Potenzialen einer dem US-Dollar gleichwertigen Weltwährung ausgestattet ist.

Die Transparenz und hohe Liquidität des Euro-Kapitalmarkts, verbunden mit der Auffächerung der Risiken nach Rating-Kategorien, macht Risiken vergleichbar, handelbar und zu neuen Produkten kombinierbar. Ein liquider Finanzmarkt macht die Finanzierung über Anleihen attraktiv, macht Investoren neue Veranlagungsmöglichkeiten zugänglich und eröffnet für Unternehmen neue Finanzierungschancen jenseits ihrer gewohnten Bankbeziehungen.

Die Finanzmarkt-Produkte der US-Märkte verlieren damit ihre Monopolstellung. Europa hat die Chance, die ganze Vielfalt der Möglichkeiten nachzuspielen. Dazu gehört auch eine ganz neue Kategorie von synthetischen Wertpapieren, die aus Portfolios von Krediten oder Anleihen gebildet werden (Asset Backed Securities – ABS). Es wird damit möglich, etwa Kredite aus Bankbilanzen auszulagern und in Wertpapierform an – private wie institutionelle – Anleger zu verkaufen. Für die Banken ist damit eine Entlastung der Eigenmittel verbunden, die Spielräume für die weitere Expansion frei macht.

Angloamerikanische Banken sind in diesen Instrumenten auf Grund des hohen Reifegrades ihrer Kapitalmärkte längst zu Hause. Mit dem Euro überlagern und ergänzen sie nun die traditionelle kontinentaleuropäische Finanzierungskultur, in deren Mittelpunkt die Funktion der Banken steht, eine bilanzielle Ausgleichsfunktion zwischen den ihre Spargelder anlegenden Haushalten einerseits und...

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