Das Strafrecht ist einem tiefgreifenden Wandel unterworfen. Für die Strafrechtswissenschaft geht es darum, diesen Wandel angemessen abzubilden. Die vorliegende Arbeit will einen Beitrag dazu leisten. Zu markieren sind insofern das Kraftfeld, in das Kriminalpolitik, Dogmatik und Rechtsprechung eingebettet sind, die wechselseitigen Einflüsse und unübersehbaren Spannungen. Zu markieren sind aber auch die Folgen dieses Wandels. Wenn hier von einem Kraftfeld gesprochen wird, so ist aber auch das neue Verhältnis angesprochen, in dem Staat, Gesellschaft und Strafrecht zueinander stehen. Gekennzeichnet ist dieses Verhältnis dadurch, dass die Gesellschaft weitreichende Rechts- und Sicherheitsgarantien einfordert, denen der Staat durch ein ebenso umfassendes Gewährleistungsregime zu entsprechen versucht. Staatlicher Rechtsgüterschutz beschränkt sich dabei nicht mehr auf 'imperative oder punitive Steuerungstechniken'. Vielmehr finden sich zunehmend informelle oder kooperative Formen der Rechtsgestaltung, die im 'Schatten der Hierarchie' angesiedelt sind. Man denke nur an den großen Bereich der Governance und Compliance. Der Staat wird so zum 'Doppelstaat', zum Interventions- und Kooperationsstaat. Diese Entwicklung hat massive Konsequenzen für das Strafrecht. Denn in dem Maße, in dem der Staat in dieser Doppelrolle agiert, verändert sich auch das strafrechtliche Aufgabenprofil. Innerhalb des materiellen und des Prozessrechts - erinnert sei an die Terrorbekämpfung, das neue 'Opferstrafrecht' oder an die Verständigungsregelung - kommt es zu normativen 'Umwidmungen', die sich systemimmanent nicht oder nur schwer auf einen Nenner bringen lassen. Der strikte Tatschuldbezug (der Zurechnung) wird durch eine dynamische Konfliktbewältigung 'aufgelockert'. Pointiert: Neben die Tat tritt der Konflikt. Das Strafrecht wandelt sich so aber zu einem 'Unsicherheitsbeherrschungsstrafrecht'. Ob damit die Autonomie- und Schutzansprüche der handelnden Akteure garantiert werden können, wird die Strafrechtswissenschaft herausarbeiten müssen.
Geboren 1969; Studium der Rechtswissenschaft, Philosophie und Germanistik; 2007 Promotion; 2014 Habilitation; seit 2015 Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
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