Traditionelle Chinesische Medizin
Die jahrtausendealte Heilweise der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) basiert auf einem ganzheitlichen Denken, das den Menschen in enger Verbindung mit den kosmischen Prinzipien und den Gesetzmäßigkeiten der Erde sieht. Der Mensch wird in der Chinesischen Medizin als Mikrokosmos gesehen, der von denselben Urkräften durchdrungen ist, die auch den Makrokosmos regieren. Die östliche Heilweise sieht ihre Aufgabe darin, den Menschen gesund zu erhalten. In einem Klassiker der Medizin aus dem 2. Jh. v. Chr. heißt es: »Lieber Ordnung zu bewahren, als Unordnung zu korrigieren, das ist das letzte Prinzip der Weisheit. Eine Krankheit zu heilen, nachdem sie aufgetreten ist, das ist, als grabe man einen Brunnen erst, wenn man durstig ist …«
Ordnung zu bewahren gilt es zum einen innerhalb der persönlichen Natur des Menschen: im Fluss seiner Säfte, im Aufnehmen und Ausscheiden, in seinen Gefühlen. Zum anderen geht es um Ordnung und Harmonie des Menschen in Bezug auf seine Umwelt und die ihn umgebende Natur.
Schwerpunkte der chinesischen Heiltradition
Die Traditionelle Chinesische Medizin folgt in ihren Heilweisen bestimmten Grundsätzen, die weder den Menschen noch Krankheiten und deren Symptome isoliert betrachten:
Der Mensch ist in die kosmischen Prinzipien und in die Gesetze der Natur eingebunden.
Er stellt einen Mikrokosmos im Makrokosmos dar; dabei sind Körper, Seele und Geist miteinander verbunden und bilden eine Einheit.
Für die Gesundheit ist vor allem ein ausgeglichener Energiefluss im Körper verantwortlich. Wird dieser gestört oder blockiert, entsteht Krankheit.
Die Energie, die auch im menschlichen Körper fließt, wird als Qi bezeichnet. Sie soll sich ausgewogen zwischen den Polen Yin – weibliche Energie – und Yang – männliche Energie – bewegen.
Ist zu viel oder zu wenig Qi vorhanden, entsteht zunächst eine Störung; bei lang andauernder Dysbalance entsteht Krankheit.
Die Qi-Energie fließt durch entsprechende Leitbahnen im Körper, die Meridiane genannt werden.
Qi – Essenz des Lebens
»Der Mensch lebt inmitten von Qi, und das Qi erfüllt den Menschen. Alles bedarf des Qi, um zu leben«, heißt es in einem medizinischen Text aus dem 4. Jahrhundert.
Unter Qi versteht man die Energie, die Leben überhaupt erst möglich macht. Der Begriff »Qi« bezieht sich auf eine Verbindung und Durchdringung von Energie und Materie. Man könnte Qi als Urkraft oder Urenergie bezeichnen. Qi hält die Planeten in ihrer Umlaufbahn, Qi lenkt Leben und Wachstum auf der Erde und bildet alle materielle Substanz. Qi ist an sich unsichtbar, man erkennt es nur an seiner Wirkung. Qi ist die bewegende Kraft, auf der die Atmung beruht, Qi findet sich in der Essenz von Nahrungsmitteln.
Die Chinesische Medizinlehre bietet zahlreiche verschiedene Möglichkeiten, den Fluss des Qi zu harmonisieren, zu verstärken oder in die richtige Bahn zu lenken. Letzteres ist auch das Anliegen des Feng Shui: Hier geht es darum, beispielsweise Wohnungen nach dem Fluss des Qi so auszurichten, dass die Gesundheit der darin lebenden Person verbessert, ihre Energie erhöht und ihr Wohlstand vermehrt wird. Im menschlichen Körper fließt das Qi durch Leitbahnen, die Meridiane genannt werden.
Wenn das Qi gestört ist
Solange ausreichend Qi vorhanden ist und es ungehindert fließen kann, befindet sich der Mensch im Gleichgewicht: Er ist gesund. Die meisten Erkrankungen beruhen nach dieser Denkweise auf einer Störung des Qi-Flusses. Entweder liegt Fülle oder Leere, Überfluss oder Mangel, Stauung oder Schwäche vor. Die Überfülle führt beispielsweise zu einer überschießenden Funktion wie einer Entzündung oder Druckerhöhung, die Leere führt zu einer unzureichenden Tätigkeit der Organe, also etwa zu einer schwachen Durchblutung oder der Degeneration von Gehirnfunktionen.
Der Qi-Fluss in Harmonie
Die Chinesische Medizin bietet viele Möglichkeiten, um den Qi-Fluss zu regulieren:
Akupunktur und Akupressur
Arzneimitteltherapie, z. B. Teezubereitungen
Körperübungen wie beispielsweise Qi Gong oder Tai Chi (Tai Qi)
Ernährungsempfehlungen
Massagen (Tuina-Massage)
Unterstützung des Qi-Flusses zur jeweiligen Organzeit (siehe »Der Energiefluss im Tagesverlauf«)
Meridiane – pulsierendes System von Leitbahnen
Neben den sichtbaren Leitbahnen – den Venen, Arterien, Lymph- und Nervenbahnen – durchziehen auch unsichtbare – die Meridiane – den ganzen Körper. Ihr Strömungsgebiet liegt unter der Haut im Unterhautzellgewebe, wo sie eine Einheit mit den inneren Organen und der Körperoberfläche bilden. Man stellt sich vor, dass der Energiestrom wie das Blut in den Gefäßen auf- und abwärts durch den Körper fließt. Über die Meridiane stehen die Organe mit der Körperoberfläche in Verbindung. So können Krankheiten an der Oberfläche erkannt und behandelt werden.
Mithilfe von Akupunktur, Akupressur, Reflexzonenbehandlung oder mithilfe entsprechender Körperübungen, die die Meridiane dehnen und anregen, besteht die Möglichkeit, durch eine Beeinflussung der Oberfläche in die Tiefe zu wirken.
Verlauf der Energieleitbahnen
Es gibt zwölf Hauptleitbahnen, die spiegelbildlich in Längslinien auf dem Körper verlaufen.
Alle Meridiane sind über ihre Anfangs- und Endpunkte miteinander verbunden.
Die Hauptleitbahnen verlaufen unter der Hautoberfläche, wo sie für die Akupunktur und Akupressur zugänglich sind. Darüber hinaus hat jeder Meridian auch einen inneren Verlauf.
Die Hauptmeridiane kommunizieren an einigen Stellen, an den sogenannten Akupunkturpunkten, mit der Körperoberfläche.
Die Fünf-Elemente-Lehre
Das Meridiansystem beruht – so chinesische Schriften – auf der geschichtlich älteren Fünf-Elemente-Lehre, die von den Elementen Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser ausgeht. Die Zahl Fünf gilt in der chinesischen Gedankenwelt als Zahl des Lebens. Sie setzt sich aus der Zahl Zwei, der Zahl der Erde (Yin), und der Zahl Drei, der Zahl des Himmels (Yang), zusammen.
Zuordnung der fünf Elemente zu Jahreszeiten und Meridianen
In diesen Jahreszeiten finden die fünf Elemente ihre Entsprechung:
Frühling – Holz
Sommer – Feuer
Spätsommer – Erde
Herbst – Metall
Winter – Wasser
Darüber hinaus haben die fünf Elemente auch Entsprechungen bei den Meridianen:
Holz – Leber-Gallenblase
Feuer – Herz-Dünndarm
Erde – Magen-Milz/Pankreas
Metall – Lunge-Dickdarm
Wasser – Blase-Nieren
An keiner anderen Stelle in der chinesischen Philosophie ist die Beziehung zwischen dem Makrokosmos und dem Mikrokosmos so genau erkennbar wie in der Fünf-Elemente-Lehre. Die Elemente symbolisieren vitale Prozesse, wie sie in der Natur, aber auch im Menschen ablaufen. Sie befinden sich in einem ständigen Wechsel und Wandel, der sich in vielen Entsprechungen widerspiegelt, beispielsweise in der Jahreszeitenfolge, im Pflanzenwachstum, aber auch im Verhältnis der Meridiane und Organe zueinander sowie in ihren entsprechenden Stimmungen.
Die fünf Wandlungsphasen und die Entwicklung des Menschen
Element Holz – das Kind
Dem Element Holz entspricht die früheste menschliche Entwicklungsphase, das Kind. Es ist Frühling. Das Leben des Menschen beginnt, das Baby wächst wie eine Pflanze im Frühling.
Element Feuer – der Heranwachsende
Dem Element Feuer entspricht die Phase des jugendlichen Heranwachsenden. Es ist Frühsommer. Jetzt geht es um Entfaltung aller Kräfte, um Reifung, um Entwicklung der eigenen Identität. Bei der Pflanze sieht man diesen Prozess in der Blütenbildung.
Element Erde – der Erwachsene
Dem Element Erde entspricht die Phase des Erwachsenen. Es ist Spätsommer. Das menschliche Leben hat einen Höhepunkt der Reife erreicht. Die Grundlagen für das weitere Leben werden geschaffen, Ideen werden umgesetzt, Stabilität wird erreicht. Bei der Pflanze setzt nun die Fruchtbildung ein.
Element Metall – der reife Erwachsene
Dem Element Metall entspricht die Entwicklungsphase des reiferen Erwachsenen. Es ist Herbst. Der Mensch hat Durchsetzung und Willenskraft entwickelt, jetzt sollte er sich mehr der Gemeinschaft zuwenden, mehr Bereitschaft für soziale Tätigkeit zeigen. In der Natur entspricht das der Erntezeit.
Element Wasser – der alte Mensch
Dem Element Wasser entspricht die Phase des alten Menschen. Es ist Winter. Im menschlichen Leben geht es nun um Rückzug sowie um Qualitäten wie Weisheit, Bescheidenheit und Furchtlosigkeit. In der Natur ist Ruhe eingekehrt.
Die fünf Wandlungsphasen befinden sich in einem ständigen Wechsel des Sich-Hervorbringens, Überwindens und Kontrollierens. In...