EINS
Ihr persönlicher Status
Das Zusammenspiel von Innen und Außen
»An Freiheit des Menschen im philosophischen Sinne glaube ich keineswegs. Jeder handelt nicht nur unter äußerem Zwang, sondern auch gemäß innerer Notwendigkeit.«
Albert Einstein
Unsere Wirkung hat immer zwei Richtungen: Wir wirken nach innen auf uns selbst und nach außen auf andere.
Bekommen wir ein Kompliment (unser äußerer Status wird gehoben), fühlen wir uns gut (unser innerer Status wird ebenfalls gehoben) und strahlen das auch aus. Werden wir verbal attackiert (unser äußerer Status wird gesenkt), fällt es uns schwer, ein positives Gefühl aufrechtzuerhalten (unser innerer Status sinkt ebenfalls). Und auch hier wird man uns das wahrscheinlich ansehen.
Die folgende Grafik zeigt, wie sich die beiden Richtungen unserer Wirkung gegenseitig beeinflussen.
Analog zu diesen beiden Richtungen von Wirkung verlaufen die beiden Arten von Status, der innere und der äußere Status.
- ÄUSSERER STATUS ist, was wir für alle nach außen hin sichtbar transportieren, verbal und nonverbal durch unsere Mimik, Gestik, Stimme und Körperhaltung. Die äußere Fassade, die zusammen mit dem inneren Status unsere Außenwirkung bestimmt.
- INNERER STATUS ist die Gesamtheit unserer Gedanken und Gefühle uns selbst und anderen gegenüber. Unsere Einstellung, unsere innere Haltung in Bezug auf die uns wichtigen Dimensionen unseres Lebens (Familie, Beruf, Freunde, soziales Umfeld, Körper, Kreativität, Glaube / Spiritualität).
Das Wechselspiel von Außenwirkung und innerer Einstellung
Innerer und äußerer Status, also der Raum, den wir im Innen und im Außen besetzen, variieren je nach Gegenüber, Situation, Dimension und Tagesform.
SOLVEIG ist brillant in ihrem Job und fühlt sich gut bei der Arbeit, was man ihr durchaus ansieht (innerer und äußerer Status hoch). In letzter Zeit kommt sie jedoch nur noch ungern nach Hause, weil sie dort sofort das schlechte Gewissen packt. Sie fühlt sich schrecklich, weil sie zu wenig Zeit mit ihrem Sohn verbringt. Innerlich hat sie die Überzeugung: Gute Eltern sind nur diejenigen, die andauernd für ihre Kinder da sind. Gemessen an ihrer eigenen inneren Norm ist sie also »keine gute Mutter« (innerer Status tief). Vor dem Zu-Bett-Bringen schmiert sie hektisch noch ein paar Brote (äußerer Status ebenfalls tief).
Um seine Mutter aufzuheitern, zieht ihr sechsjähriger Sohn Paul oft lustige Grimassen. Unwillkürlich muss Solveig lachen und ist dankbar für die spontane Leichtigkeit, die ihr Sohn der Situation gibt. Damit hebt er nicht nur ihre Laune, sondern auch gleichzeitig ihren inneren und äußeren Status (innere Haltung in Bezug auf die Situation, die sich in Stimme, Mimik und Gestik zeigt). So schlecht kann sie als Mutter ja wiederum auch nicht sein, denn augenscheinlich geht es Paul gut.
In diesem Beispiel hebt Paul Solveigs inneren und äußeren Status. Ziel dieses Buches ist es, Sie zu befähigen, selbst Einfluss auf Ihren inneren und äußeren Status zu nehmen und damit Ihr Leben und Ihre Lebenssituationen bewusst und aktiv zu gestalten.
Wann hat sich das letzte Mal schlagartig Ihre Stimmung nach oben oder unten hin verändert? Was war Auslöser für diesen Wechsel? Woran haben Sie diesen Wechsel in Ihrem Verhalten beobachten können?
Schauen wir uns die gewonnenen Erkenntnisse zusammenfassend noch einmal an. Wann immer wir mit anderen Menschen zusammenkommen, manövrieren wir uns auf der Beziehungswippe entweder nach oben oder nach unten. Wir tun das aber nicht nur äußerlich über unser Verhalten (Mimik, Gestik, Stimme), sondern auch innerlich über unsere Gedanken und Einstellungen.
Die Unterscheidung von Innen und Außen ist dabei eine sehr zentrale. Denn der Vorgang, wie wir eine Situation wahrnehmen und bewerten, läuft in unserem Innern ab. Ich wiederhole das nochmal, denn es überliest sich so schnell: Der Vorgang, wie wir eine Situation wahrnehmen und bewerten, läuft in unserem Innern ab. Er ist wesentlicher Bestandteil unserer Wirklichkeitskonstruktion und entscheidet langfristig über unser Glücksempfinden und unseren Erfolg.
Denn wir haben, nachdem uns unsere Gedanken und Einstellungen bewusst geworden sind, die Möglichkeit, eine Wahl zu treffen. Die Wahl, wie wir weiter mit unseren Gedanken und Gefühlen umgehen wollen. Ich kann wählen, einem nicht hilfreichen Gedanken einen nützlicheren folgen zu lassen, ich kann auch wählen, bestimmten Gedanken oder Gefühlen nicht automatisch bestimmte Handlungen folgen zu lassen oder Gedanken nicht zu glauben. Ich kann Gedanken beeinflussen, sie verstärken oder abschwächen.
Voraussetzung dafür ist, dass wir uns unserer Gedanken und Gefühle bewusst sind und unser inneres und äußeres Erleben auch getrennt voneinander wahrnehmen können.
Business-Case: Umgang mit Ablehnung
HANNAH arbeitet in einer Forschungsgruppe, die ihre Ergebnisse einem hochkarätigen Wissenschaftsjournal zur Veröffentlichung geschickt hat. Nach wochenlangem Warten kommt die Ablehnung.
Hannah ist total niedergeschmettert, schließlich sind das die Ergebnisse mehrjährigen intensiven Arbeitens und Forschens. Sie entscheidet sich, die wissenschaftliche Arbeit ganz aufzugeben.
In einem Einzelcoaching arbeiten wir intensiv an ihrer Fertigkeit, die inneren Gefühle und das äußere Ereignis zunächst getrennt voneinander wahrzunehmen und einzeln zu betrachten. Wir decken ihre unbewussten und wenig hilfreichen Verallgemeinerungen und Verknüpfungen zwischen Ereignis und Konsequenz aus dem Ereignis auf. So fühlt sie nach einer Weile ganz deutlich, dass eine Ablehnung weder über ihren persönlichen Wert entscheidet noch letztlich ein Urteil über die wissenschaftliche Qualität ihrer Arbeit sein muss. Ein Gedanke, den sie zwar schon öfter in sich trug, den sie aber nie bewusst fühlen und glauben konnte.
ASTRID: »Wie kommen Sie zu der Einschätzung, alles hinschmeißen zu wollen?«
HANNAH: »Ich hab mir zwei Jahre größte Mühe gegeben und alles andere hintangestellt. Letzten Endes ist aber nichts dabei herausgekommen. Also ist die Wissenschaft wohl nicht das Richtige für mich.«
ASTRID: »Nur für mein Verständnis: Ihr Artikel ist bei einem Journal abgelehnt worden und Sie ziehen daraus jetzt den Schluss, alles hinzuschmeißen?«
HANNAH: »Ja, weil es eines der angesehensten Journale ist. Mit der Veröffentlichung im Rücken hätte ich noch weitere Gelder beantragen können.«
ASTRID: »Gut, es wäre also schön gewesen, wenn es geklappt hätte.«
HANNAH:» Ja, und jetzt fühle ich mich als absoluter Versager, der seine Zeit verschwendet.«
ASTRID: »Das kann ich gut nachvollziehen, dass Sie sich so fühlen. Was glauben Sie denn, warum es abgelehnt wurde?«
HANNAH: »Keine Ahnung. Es gibt ein paar inhaltliche Punkte. Aber keiner, dem ich die Begründung gezeigt habe, konnte sie nachvollziehen. Es ist am Ende eben doch auch eine subjektive Entscheidung derer, die die Beurteilung treffen.«
ASTRID: »Und die anderen, denen Sie die Einschätzung gezeigt haben, sind das Fachleute oder Laien?«
HANNAH: »Fachleute.«
ASTRID: »Und denen trauen Sie etwas zu? Sie würden sagen, die können was.«
HANNAH: »Oh ja, ich würde sogar von einem behaupten, dass er eine bedeutende Größe auf dem Gebiet ist.«
ASTRID: »Und war es dann jetzt eine gute Arbeit, die Sie da abgegeben haben, oder nicht?«
HANNAH: »Na, anscheinend nicht gut genug, sonst wäre sie ja nicht abgelehnt worden.«
ASTRID: »Aber Sie haben doch gesagt, dass bei der Beurteilung auch noch andere Faktoren eine Rolle spielen, wie zum Beispiel Subjektivität. Was würden Sie sagen, wie viel macht die Subjektivität in Prozent aus?«
HANNAH: »Vielleicht 40 bis 50 Prozent. Ist doch egal.«
ASTRID: »Nicht so schnell. Sie wollen gerade eine sehr weitreichende Entscheidung für Ihr Leben treffen. Eine Entscheidung, die Sie abhängig machen von einer anderen Entscheidung, von der Sie sagen, da sind viele Faktoren beteiligt. Also zum Beispiel Subjektivität zu 50 Prozent. Und Sie sagen, Fachleute, die Sie sehr schätzen, glauben an Sie und Ihre Arbeit.«
HANNAH: »Ja. Aber es wäre vieles leichter, wenn es anders gekommen wäre.«
ASTRID: »Richtig, und Ihr Gefühl von Frustration kann ich gut nachvollziehen. Nur wollen Sie deswegen wirklich Ihren gesamten Beruf hinschmeißen? Ist das wirklich der Schluss aus dem Ereignis, der für Sie hilfreich ist?«
HANNAH: »Aber vielleicht ist das ja ein Hinweis darauf, dass ich auf dem falschen Weg bin.«
ASTRID: »Welche Hinweise haben Sie denn noch, dass Sie auf dem falschen Weg sind?«
HANNAH: »Eigentlich keine. Eigentlich habe ich mehr Hinweise darauf, dass ich auf dem...