Bereits im frühen 20. Jahrhundert beschäftigte sich die Automobilindustrie mit dem Thema Finanzdienstleistungen. Im Jahr 1926 wurde die Ford Credit Company AG als erste herstellereigene Bank gegründet. Heute ist diese Bank unter dem Namen Ford Bank bekannt.[83] In den folgenden Gliederungspunkten soll zunächst der Begriff der Automobilbanken definiert werden. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden das Leistungsangebot für Autohandel und Endkunden, ausgewählte Ziele sowie mögliche Risiken von Automobilbanken erläutert.
Automobilbanken sind Banken, die mit den Automobilherstellern verbunden sind. Ihnen werden geschäftspolitische Kernaufgaben in den Bereichen Finanzierung angeschlossener Handelsorganisationen, Kundengewinnung und -bindung für den Fahrzeugvertrieb sowie die Unterstützung der Fahrzeugmarken zuteil. Sie werden auch als Autobanken bezeichnet. Sie leisten mit ihrer am Marketing ausgerichteten Strategie einen wichtigen Beitrag zur der Erfüllung der Ziele.[84]
Automobilbanken zählen zu den Spezialbanken. Sie übernehmen Sonderaufgaben im Absatzprozess der Automobilhersteller.[85] Sie wirken wie ein Stabilisator bzw. Katalysator, da sie den Absatz in guten Konjunkturphasen beschleunigen und in schwachen Konjunkturphasen den Absatz der Automobilhersteller stabilisieren.[86] „In einem gesättigten Pkw-Markt haben sich die Autobanken nachhaltig etabliert.“[87] Fraglich ist in diesem Zusammenhang, welche konkreten Aufgaben ihnen zu Teil werden und wie sich diese im Leistungsspektrum der Automobilbanken wiederfinden. Da Automobilbanken sowohl Angebote für Endkunden als auch welche für den Autohandel bereits stellen, soll dies folgend analysiert werden.
In der Literatur wird ein Kunde als „Mensch, der Interesse an den Produkten oder Dienstleistungen eines Unternehmens oder an deren potenzieller Nutzung hat“ beschrieben.“[88] Da sowohl der klassische Endkunde, welcher beispielsweise einen Finanzierungsvertrag abschließt, als auch der Autohandel, welcher diesen vermittelt, vorherrschend als Kunden einer Autobank angesehen sind, gilt es, diesen Kundenbegriff in Bezug auf das Leistungsspektrum von Automobilbanken weiter zu differenzieren.[89]
Die folgenden Serviceangebote richten sich in erster Linie an den klassischen Endkunden. Dieser kann Privatkunde oder auch Geschäftskunde sein. Der Autohandel als Kunde der Automobilbank wird in Gliederungspunkt 4.1.2 beschrieben.
4.1.1.1 Finanzierung und Leasing
Anders als bei Produkten des täglichen Bedarfs, wie etwa Lebensmitteln, stellt der Kauf eines PKW für den potentiellen Käufer weitreichende mit der Kaufentscheidung verbundene Konsequenzen dar. Auch im Bereich Konsumgüter, wie beispielweise dem Kauf eines neuen Smartphones, ist eine Kaufentscheidung bei weitem nicht mit vergleichbaren Kosten verbunden. Dennoch wird auch in diesem Bereich häufiger als in der Vergangenheit auf das Instrument der Ratenfinanzierung zurückgegriffen.[90] Insbesondere der Kostenaspekt fällt bei der Fahrzeugfinanzierung stark ins Gewicht. „Der Kunde kann die Fahrzeuganschaffung oft nur schultern, wenn er die finanzielle Belastung über einen längeren Zeitraum verteilt.“[91] Hinzu kommt ein psychologischer Aspekt, welcher den Kaufpreis durch viele kleine Raten weniger hoch erscheinen lässt. Kann sich der Kunde den Barkauf eines Fahrzeugs nicht leisten, so bietet das Instrument der Finanzierung einen Lösungsansatz.
Mit Hilfe einer geeigneten Vertragsgestaltung seitens der Automobilbank und ihrem Vermittler, dem Autohandel, können die Bedenken des Kunden, dass er sich dieses Fahrzeug nicht leisten kann, relativiert werden. Entscheidend sind hierbei Vertragsinhalte wie Vertragslaufzeit, Höhe der Anzahlung, Sollzinssatz und Schlussrate. Wie bereits zuvor erwähnt, erhält der Kunde mit Hilfe einer Finanzierung Zugang zu Fahrzeugmodellen, welche zuvor, gemessen am Barpreis, nicht in Frage kamen. Zudem steigt durch die Finanzierung die mögliche Ausstattungsqualität in Form von Sonderausstattungen, wie zum Beispiel Fahrassistenzpakete oder einer Lederausstattung.[92]
Autobanken haben in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, verschiedene Wege einzuschlagen. Zum einen können sie sich auf ihre Kernprodukte konzentrieren. Hierzu zählen sowohl die Fahrzeug- als auch die Leasingfinanzierung. Mobilitätspakete als zweite Möglichkeit werden in Gliederungspunkt 4.1.1.2 beschrieben. Diese Instrumente eröffnen Gewinnpotenziale für die Automobilbanken. Des Weiteren steigt durch die Vermittlung von Ratenkrediten, verglichen mit dem Barkauf, die Umsatzrendite des verbundenen Herstellers. Auch resultiert daraus ein beschleunigter Kapitalumschlag. Die Begründung dafür liegt zum einen in der bereits zuvor erwähnten Sonderausstattung und zum anderen in einer sinkenden Rabattierung.
Des Weiteren wird mit Hilfe der Finanzierung und des Leasings der Fahrzeugabsatz gesichert, da sowohl die klassische Fahrzeugfinanzierung als auch das Leasing die Haltedauer von Fahrzeugen im Vergleich zum Barkauf verkürzen. Insbesondere beim Leasing, welches im gewerblichen Bereich eine bedeutende Rolle spielt, wird zum Laufzeitende über die Anschaffung eines neuen Fahrzeugs entschieden.[93]
4.1.1.2 Mobilitätspakete und weitere Serviceleistungen
Insbesondere in konjunkturell schwachen Phasen gilt es eine hohe Kundenbindung zu erreichen. Mit Hilfe von Mobilitätspaketen und weiteren Services tragen Automobilbanken ihren Teil dazu bei. Mögliche Services sind Inspektionspakete, Reifenservices, Wartungsleistungen, Reparaturpakete, Garantieverlängerungen, Kreditschutzbriefe und Versicherungen.[94]
Mit Hilfe von Inspektionspaketen haben private und gewerbliche Kunden die Möglichkeit zukünftige Kosten für notwendige Inspektionen – bei Neuwagen sind diese in der Regel bereits nach dem ersten Jahr notwendig – monatlich zu zahlen und sich auch in Bezug auf die anfallenden Kosten abzusichern. Selbiges gilt für eine mögliche Garantieverlängerung. Die gesetzliche Gewährleistungspflicht beträgt diesbezüglich zwei Jahre. Einige Hersteller, wie beispielsweise Hyundai, gewähren freiwillig fünf Jahre Herstellergarantie. Interessant ist hier, dass diese Herstellergarantie sowohl für Privat- als auch für Geschäftskunden gilt.[95] Insbesondere die Volkswagen AG setzt hierbei allerdings auf das sogenannte Cross-Selling, welches in Punkt 4.2.3 erneut aufgegriffen wird.
Reifenpakete bieten den Kunden ebenfalls eine Absicherung für nicht vorhersehbare Ereignisse wie etwa einem Plattfuß. Solche Ereignisse sind kaum kalkulierbar und stellen daher ein Risiko für den Kunden dar. Mit geringen monatlichen Mehrkosten ist auch hier eine Absicherung möglich. Unvorhersehbare, nicht in die Garantie eingeschlossene Wartungen und Reparaturen, wie zum Beispiel der Verschleiß von Bremsen, können durch den Abschluss von Wartungs- und Reparaturpaketen abgesichert werden. Die inbegriffenen Leistungen variieren von Hersteller zu Hersteller. So bietet beispielsweise Volkswagen ein Wartungs- und Verschleißpaket exklusiv für Gewerbekunden, auch Professional-Class-Kunden genannt, an.[96]
Versicherungen stellen eine weitere Dienstleistung der Automobilbanken dar. Zum einen werden hier klassische Versicherungsprodukte, wie Haftpflichtversicherungen, Teilkasko- und Vollkaskoversicherungen, angeboten. Sofern es sich in diesem Zusammenhang allerdings nicht um einen Barkauf handelt, ist der Abschluss einer Vollkaskoversicherung, wenn auch nicht unbedingt über die Autobank, aus Gründen der Kreditsicherung vorgeschrieben. Zum anderen bieten Automobilbanken sogenannte Kreditschutzbriefe an. Diese sichern einen Kredit im Fall einer möglichen Arbeitslosigkeit oder im Todesfall ab und bieten zusätzlich zu rein finanziellen Leistungen auch Hilfe in Sachen Bewerbertraining oder ähnlichem an.[97]
Weitere Angebote von Automobilbanken umfassen das Einlagengeschäft. Während die Mercedes-Benz Bank dieses erst seit 2002 betreibt, und es somit eine noch recht junge Geschäftssparte ist, betreibt die Volkswagen Bank dieses autofremde Banking bereits seit 1990. Zum Einlagengeschäft zählen insbesondere Finanzanlageprodukte, wie beispielsweise Spareinlagen, Tages- und Festgelder und Girokonten. Die Volkswagen Bank sieht sich auf Grund ihrer breitgefächerten Dienstleistungsangebote im Finanzbereich als eine Erstbankverbindung und somit eine Alternative zu den konventionellen Banken. Die BMW Bank und die Mercedes-Benz Bank sehen sich hingegen als Zweitbank mit Fokus auf die Vermögensanlage.[98] „In den einschlägigen Vergleichsplattformen […] haben sich die Autobanken als Anbieter von dauerhaft guten Konditionen fest etabliert. Dies ist gerade für Privatanleger eine starke Motivation, bei den Autobanken...