Die Szenario-Technik ist kein eindeutig beschreibbares Verfahren, sondern eine Rahmenmethode. In ihr kommen – je nach Autor – eine Vielzahl von unterschiedlichen Techniken, insbesondere Prognosemethoden zum Einsatz.[98] Man unterscheidet quantitative und qualitative Prognosemethoden.
Erstere können als trendorientierte Methoden bezeichnet werden, da sie eine Aussage auf der Grundlage ihrer zahlenmäßigen Vergangenheit machen.[99] Zu den quantitativen Prognosemethoden zählen: einfache Trendextrapolation, Methode der gleitenden Durchschnitte, Methode der exponentiellen Glättung, einfach und multiple Regression.[100] Quantitative Methoden sind für eine langfristige Prognose prinzipiell ungeeignet. Sie ruhen auf mathematischen Modellen und vernachlässigen die den Entwicklungen zu Grunde liegenden Kausalzusammenhänge. Bei ihrer Prognose unterstellen sie gleich bleibende Rahmenbedingungen.[101] Gälweiler bringt es auf den Punkt, wenn er sagt, dass „...durch konventionelle Prognosetechniken Irrtum und Unzuverlässigkeit lediglich gleichzeitig in ihrer Höhe und in ihrer Präzision gesteigert werden.“[102]’[103]
Die qualitativen Methoden werden auch ereignisorientierte Methoden genannt, da bei ihnen die Frage nach Eintritt eines bestimmten Ereignisses gestellt wird.[104] Die qualitativen Prognosemethoden umfassen neben anderen die Einflussanalyse, die MIC-MAC-Analyse, die Konsistenzanalyse, die Delphi-Methode, der Morphologische Kasten, Simulationen und die Relevanzbaummethode.
Im folgenden Kapitel werden qualitative Prognosetechniken beschrieben, die in der Szenarioanalyse verwendet werden können.[105]
Aufgrund der großen Komplexität der Einflussfaktoren und der begrenzten Ressourcen können bei der Szenario-Technik nicht alle möglichen Variablen berücksichtigt werden. Um die einflussreichsten Variablen zu ermitteln, bedient man sich mehrerer Methoden: Einflussanalyse, MIC-MAC-Analyse und Cross-Impact-Analyse.
Mit der Einflussanalyse werden die direkten Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Einflussfaktoren ermittelt. Das Ziel ist die Aufstellung einer Rangfolge der wichtigsten Variablen. In einer sog. erweiterten Einfluss- oder Vernetzungsmatrix werden zunächst auf beiden Achsen die betrachteten Variablen[106] abgetragen. Dann wird die Wirkungsstärke der einzelnen Variablen auf die anderen in die Matrix eingetragen.[107] Anschließend werden die Zeilen- und Spaltensummen gebildet. Die Aktivsumme drückt aus, wie stark eine Variable die anderen beeinflusst. Die Passivsumme beschreibt die Beeinflussung einer Variablen durch die anderen. Nun werden die Variablen in Abhängigkeit von ihrer Aktiv- und Passivsumme in einen der vier Quadranten eines System-Grids eingetragen. Diese lassen sich folgendermaßen klassifizieren:
Der erste Quadrant erfasst die aktiven Variablen, die eine hohe Aktivsumme und eine niedrige Passivsumme aufweisen. Der zweite Quadrant beinhaltet die ambivalenten Variablen, die sowohl hohe Aktiv- als auch Passivsummen haben. Im dritten Quadranten lassen sich die passiven Variablen finden, die sich durch eine niedrige Aktiv- und eine hohe Passivsumme auszeichnen. Die Variablen, die dem vierten Quadranten zugeordnet werden können, werden puffernd, bzw. niedrig ambivalent genannt. Sie haben sowohl niedrige Aktiv- als auch Passivsummen, was sie im Gesamtsystem als relativ unbedeutend erscheinen lässt. Die Rangfolge der wichtigsten Einflussfaktoren entspricht der Reihenfolge der Quadranten von eins bis vier.[108] Bei den Variablen des 3. und 4. Quadranten muss genau geprüft werden, ob sie weiterhin berücksichtigt werden sollen, oder nicht.[109]
Die MIC-MAC-Analyse versucht die indirekten Abhängigkeiten zwischen den Einflussfaktoren mit Hilfe eines mathematischen Verfahrens deutlich zu machen.[111]
Eine indirekte Beeinflussung liegt vor, wenn eine Variable A durch eine andere Variable B über eine dritte Variable C beeinflusst wird. Auch hier wird eine Rangfolge der Einflussfaktoren erstellt, diesmal nach der Wichtigkeit ihrer indirekten Beziehungen. Besonders interessant sind dabei Variablen, die nur schwache direkte, aber starke indirekte Beziehungen zu anderen Variablen haben.
Grundlage ist eine binäre Matrix, in der erfasst wird, ob zwischen zwei Einflussfaktoren ein direkter Zusammenhang besteht. Diese Matrix wird mehrfach mit sich selbst multipliziert, um die indirekten Zusammenhänge zwischen den Variablen zu ermitteln. Die Anzahl der Durchgänge entspricht der Weglänge der indirekten Beziehungen. Es werden nicht nur die kürzesten, sondern alle Wege berücksichtigt. Wenn die Weglänge zwei oder mehr beträgt, kann es dazu kommen, dass sich Variablen selbst beeinflussen.
[112]
Abb. 4: Indirekte Zusammenhänge zwischen Variablen
Bei jeder errechneten Matrix werden die Spalten- und Zeilensummen ermittelt. Die Matrizen werden so lange multipliziert, bis die Reihenfolge der Spalten- und Zeilensummen konstant bleibt. Ähnlich wie bei der Einflussanalyse wird hier die Rangfolge der Variablen nach ihren indirekten Einflüssen in einem System-Grid bestimmt.
Nun können die Ergebnisse der Analyse der direkten und indirekten Einflüsse in einer Übersicht zusammengestellt werden. Je unterschiedlicher die Rangplätze einer Variablen, umso mehr weicht sie von der Winkelhalbierenden ab. Ist dies der Fall, muss dieser Variablen im weiteren Verlauf besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. [113]
Abb. 5: Verhältnis direkte zu indirekten Beziehungen von Variablen[114]
Die Cross-Impact-Analyse grenzt sich durch die Einbeziehung von Wahrscheinlichkeiten von der Einfluss- und MIC-MAC-Analayse ab. Mit ihrer Hilfe wird versucht, „... die Veränderung in der Wahrscheinlichkeit des Eintreffens zu messen, die ein Ereignis durch den Einfluss anderer Ereignisse erfährt.“ Und zielt darauf ab, „...Wechselwirkungen zwischen Ereignissen, die von Experten üblicherweise bei ihrer Prognose, etwa mit der Delphi-Methode, schon intuitiv berücksichtigt werden, noch detaillierter herauszuarbeiten, sie zu bewerten und durch sie beeinflusste Veränderungen der Eintrittswahrscheinlichkeit mittels eines mathematischen Algorithmus zu berechnen.“ [115]
Die Cross-Impact-Analyse kann zwei Zusammenhänge zwischen Variablen erfassen: Erstens ein Korrelationsmaß, das statistische Zusammenhänge zwischen dem Eintritt von Ausprägungen zweier Variablen zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitraum beschreibt. In diesem Fall handelt es sich um bedingte Wahrscheinlichkeiten. Der zweite Zusammenhang, der zwischen Variablen bestehen kann, ist eine kausale Beziehung. Der Eintritt einer bestimmten Ausprägung einer Variablen A bewirkt, dass die Ausprägung einer anderen Variablen B mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintritt.[116] Durch eine Aggregation der einzelnen Wahrscheinlichkeiten kann versucht werden, die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Szenarios zu bestimmen.[117] Es ist jedoch sehr fraglich, inwieweit die Abschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses möglich ist.
Da eine weitergehende Darstellung der Cross-Impact-Analyse den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, wird hiermit auf die einschlägige Literatur verwiesen.[118]
Die Konsistenzanalyse soll konsistente Kombinationen von Variablen finden, um Rohszenarien erarbeiten zu können. Dafür müssen die Ausprägungen aller Deskriptoren auf ihre gegenseitige Konsistenz hin geprüft werden. Ob eine Kombination konsistent ist, wird durch das Konsistenzmaß beschrieben.
Die Literatur schlägt eine Skala in fünf Stufen von (1) totale Inkonsistenz bis (5) sehr starke gegenseitige Unterstützung vor. Enthält ein Annahmebündel mindestens eine „total inkonsistente“ Kombination, ist das Annahmebündel selbst inkonsistent. Für die übrigen Annahmebündel können durchschnittliche Konsistenzmaße berechnet und damit eine Rangfolge aufgestellt werden. Von diesen werden i.d.R. nur die für das weitere Vorgehen ausgewählt, die die höchsten Konsistenzmaße haben. Dabei können entweder die obersten 1% bis 5%, oder die 10, 20 oder 100 konsistentesten Rohszenarien gewählt werden.
Es liegt in der Hand des Anwenders zu entscheiden, wie die Konsistenzanalyse ablaufen soll, und welche Ausschlusskriterien und Konsistenzmaße zu Grunde gelegt werden sollen. Die Grenze...