„Der weiße Fleck auf der Landkarte“
Anno Domini 1307 wurde der Templerorden im wahrsten Sinne des Wortes liquidiert. Der König von Frankreich Philipp, „le bel“ – „der Schöne“, schickte seine Häscher aus und ließ einen Großteil der französischen Tempelritter am 13. Oktober 1307, einem Freitag, verhaften. Wen wundert es noch, wenn seit diesem Ereignis die abergläubische Furcht vor Freitag dem Dreizehnten besteht.
Philipp IV., „le bel“
Papst Clemens V. war ein willfähriger Helfershelfer, der mit seiner Zustimmung zum folgenden Scheinprozess den juristischen Schlussakkord unter einen der wohl größten Justizskandale der Geschichte setzte. Die Scheiterhaufen loderten über Jahre. Damit hätte die Sache eigentlich, von ein paar juristischen Nachwehen abgesehen, wie der formellen Auflösung der Templer im Jahre 1312 durch ein päpstliches Dekret, erledigt sein müssen. Ungeachtet dessen erscheinen seit hunderten von Jahren immer wieder Veröffentlichungen, die den Templerorden zum Thema haben. Immer wieder wird versucht, das Geheimnis, welches diese Organisation bis heute umgibt, zu erforschen und zu erklären.
Allerdings fehlt der Name Österreich in diesen Abhandlungen so gut wie immer. Dies ist um so merkwürdiger, als es rund um Österreich zahlreiche, sowohl urkundlich als auch in der Überlieferung dokumentierte Niederlassungen der Tempelritter gab. Eine ganze Reihe von Legenden weisen aber auf eine Vielzahl von Templerbesitzungen in Österreich hin. Im Speziellen auf dem Gebiet des heutigen Niederösterreich.
Betrachtet man die Landkarte von Europa aus der Sicht des Historikers, ist Österreich ein „weißer Fleck“ auf der Templerkarte.
Das scheint in Anbetracht der Tatsache, dass in Europa einige tausend Niederlassungen der Templer existierten und eine der angeblich selbstgewählten Aufgaben der Templer der Schutz der Pilgerwege war, höchst merkwürdig. Führte doch eine der Hauptrouten ins Heilige Land – der sogar mancher Kreuzzug folgte – durch das Donautal und somit quer durch Ober- und Niederösterreich.
Dazu schreibt Elisabeth Kraus-Kassegg1:
„Unendliche Begeisterung löste der erste Kreuzzug 1096 aus. Auch Graf Friedrich von Peilstein nahm daran teil. Glanzvoll war die Zusammenkunft der Kreuzfahrer in Melk, wo der Sammelplatz war. Bis Pöchlarn und Ybbs, bis Zelking und Wieselburg reichten die Zelte der Kreuzfahrer...“.
Bei der Dichte des europäischen Netzes an Templerniederlassungen scheint es doch recht unwahrscheinlich zu sein, dass man sich hier auf eine symbolische Präsenz beschränkt hätte. War es doch zur Blütezeit des Ordens üblich, dass sich der Adel mit Schenkungen von Ländereien an den Templerorden gegenseitig überbot.
Wir wurden natürlich gefragt, warum wir das Thema der Tempelritter nicht den Publikationen der Fachgelehrten überlassen. Dafür gibt es, außer unserem persönlichen Interesse an diesem Thema, durchaus gute Gründe. Der wichtigste davon erscheint uns, dass seitens der Fachpublikationen das Thema Tempelritter in Österreich peinlichst vermieden wird. Offenbar ist es doch so, dass ein anerkannter Historiker damit seinen guten wissenschaftlichen Ruf riskieren würde, wenn er sich mit einem Thema befasst, welches eine breitere Wirkung hat, als jene auf seine Fachkollegen. Es ist natürlich brisanter, Theorien über Tempelritter aufzustellen, als über die Marktsituation in den obersteirischen Städten im hohen Mittelalter zu dissertieren.
Signifikant erscheint, dass in den jüngst erschienenen Werken „Österreichische Geschichte“, die mit dem Jahr 378 beginnen und nunmehr in die Gegenwart vorgedrungen sind, nicht einmal im Register das Wort „Tempelritter“ oder „Templer“ aufscheint. Obwohl diese Bände, verfasst von hervorragenden österreichischen Historikern, eine Fülle von hochinteressanten Details bieten, die auch eine Popularisierung der Darstellung vermeiden, haben sie für die Templer nicht einmal einen Nebensatz oder eine Fußnote übrig. Wir haben uns daher gefragt, ob es Gründe für diese literarische Enthaltsamkeit sonst durchaus publikationsfreudiger Wissenschaftler gibt. Noch dazu, wo diesem verschämten Stillschweigen eine Flut von weltweiten Veröffentlichungen gegenüber steht, die das anhaltende und immer breiter werdende Interesse des Leserpublikums an der Geschichte der Tempelherren zeigt. Ein Interesse, das einen fast zur Annahme verleitet, dass dieser Orden den Schlüssel zu einer vielleicht etwas besser organisierten Welt in Händen hatte, und dass das Wissen darum vielleicht nicht ganz verloren ist und im geheimen weitergegeben wurde.
Ohne ein derart fundamentales menschliches Interesse ist es nicht erklärbar, warum sich der Orden seit seiner Gründung einer so außerordentlichen Popularität erfreut, die bei weitem den Bekanntheitsgrad der Johanniter, des Ordens vom Heiligen Grab, des Lazarusordens oder ähnlicher Organisationen aus dieser Zeit übersteigt.
Dem gegenüber stehen Veröffentlichungen aus dem 19. und beginnendem 20. Jahrhundert. Diese Bemühungen sind einerseits durch eine Vielfalt von Hinweisen auf die Templer in Form der „Baphomete“ an vielen Kirchen gekennzeichnet, andererseits durch den Hinweis auf die angebliche, legendarisch ausgeschmückte Geschichte der Gründung und eine ermüdende Aufzählung vollkommen trockener Fakten relativiert. Die Werke befassen sich aber oft nur mit dem Randgeschehen der Situation. So werden Hugo de Payens und Gottfried de Saint-Omer als einfacher burgundischer Ritter und sein nordfranzösischer Landsmann bezeichnet, was an der Realität völlig vorbeigeht.
Behauptet wird, dass die Templerregel der Ordensregel des Heiligen Benedikt entlehnt wäre, dass König Balduin II. diesen Rittern beim Tempel Salomonis ein Haus eingeräumt hätte, wo sie in äußerster Dürftigkeit ihr halb ritterliches, halb mönchisches Leben fristeten. Die Ordensregel am Konzil von Troyes wird als missverstandenes Protokoll bezeichnet und ähnliche Minimierungen mehr. Jedenfalls bemerkt man, dass die Autoren wenigstens auf einem Auge blind waren, oder im Sinne der Einigkeit von Thron und Altar zu diesem Thema blind sein mussten.
Verständlicherweise ist es für eine große und mächtige Organisation wie die römische Kirche nicht angenehm, literarisch mit einem ihrer größten Schauprozesse und Justizirrtümer konfrontiert zu werden. Den Irrtum einzubekennen wie es bei Galileo Galilei und Jeanne d’Arc, wenn auch Jahrhunderte später, geschah, kommt noch immer für den Orden „Der armen Ritterschaft Christi vom salomonischen Tempel“ nicht in Frage. Verständlich, waren es doch dort hunderte Tote, die ihr Leben auf den Scheiterhaufen lassen mussten. Trotzdem, es ist vollkommen unverständlich, dass ein Wissenschaftler wie Hans Prutz im Jahr 1907 sich noch immer auf angebliche Beweise aus den Prozessprotokollen bezieht und das Ausmaß der zugrunde liegenden Folterungen unter den Tisch fallen lässt.
Sollen also die Aspekte überprüft werden, die auch heute noch das Interesse unserer Zeitgenossen finden, dann müssen es Journalisten, Hobbyhistoriker und wahrscheinlich auch Juristen auf sich nehmen, sich der Schelte oder was schlimmer wiegt, dem Stillschweigen der Fachleute auszusetzen. Wissenschaftstheoretisch gesehen bewegt man sich dabei in sehr guter Gesellschaft. Schon John Stuart Mill, ein berühmter britischer Philosoph und Volkswirt, hat dringend angeraten, neue und auch ungeprüfte Konzeptionen durchaus in Betracht zu ziehen, weil das zur Verbesserung der Zivilisation führt. Außerdem kann die offizielle historische Wissenschaft den Gebrauch von Alternativen bis zum Auftauchen widersprechender Tatsachen nicht „verbieten“, solange Tatsachen vorgelegt werden, welche die Theorie, dass es selbstverständlich auch im heutigen Österreich und seinem Umfeld Tempelritter und deren Niederlassungen gegeben hat, dokumentieren. Aufgabe der etablierten Wissenschaft kann es dann nur sein, diese Alternativen nicht nur zu kritisieren, sondern vom Dogmatismus abzugehen und widersprechende Tatsachen und eigene Erkenntnisse vorzulegen, sofern diese vorhanden sind!
Die Masse der Literatur über die Tempelherren zeigt uns, dass von einem interessierten Publikum einfache und klare Fragen gestellt werden, die von der etablierten Fachwelt nicht ignoriert oder als Pseudofragen beiseite getan werden dürfen. Sie verlangen nach einer Antwort. Anderenfalls würde sich das historische Establishment wie jene schlechten Ärzte verhalten, die ihnen unbekannte Symptome als Einbildung abtun.
Unser großer Landsmann Konrad Lorenz2 hat diesbezüglich geschrieben:
„Der Irrglaube, dass nur das rational Erfassbare oder gar nur das wissenschaftlich Nachweisbare zum festen Wissensbesitz der Menschheit gehöre, wirkt sich verderblich aus. Er führt die „wissenschaftlich aufgeklärte“ Jugend dazu, den ungeheuren Schatz von Wissen und Weisheit über Bord zu werfen, der in den Traditionen jeder alten Kultur wie in den Lehren der großen Weltreligionen enthalten ist. Wer da meint, all dies sei null und nichtig, gibt sich folgerichtig auch einem anderen,...