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Die Voraussetzungen und der Bau der Berliner Stadtbahn

Ihre Bedeutung für ausgewählte Aspekte der Entwicklung Berlins im 19. Jahrhundert

AutorFalko Krause
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl117 Seiten
ISBN9783638823609
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Geschichte - Sonstiges, Note: 1,3, Humboldt-Universität zu Berlin (Institut für Geschichtswissenschaften), 171 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Es wird zu zeigen sein, dass nicht militärische Gründe oder staatliches Gönnertum eine entscheidende Rolle gespielt haben, ein solches monumentales Verkehrsbauwerk im Herzen Berlins zu planen und zu errichten, auch wenn das für die damalige Zeit eine wahrscheinlich akzeptable und allgemein anerkannte Vorstellung war. Was aber waren nun die eigentlichen Voraussetzungen und Ursachen für den Bau dieser Bahn, was waren die Hoffnungen und Erwartungen, die man in dieses Verkehrsmittel setzte und welche Bedeutung hatte die fertiggestellte Stadtbahn auf Berlin und sein Umland? Diesen Fragen nachzugehen ist das Ziel dieser Arbeit. Es wird zunächst in Kapitel 2 die dramatische Entwicklung und Veränderung Berlins ab der Mitte des 19. Jahrhundert zu einer Millionenmetropole dargestellt. Anhand der Phänomene der explosionsartigen Bevölkerungsentwicklung und der damit eng verbundenen katastrophalen Wohnungssituation aufgrund mangelnder staatlicher und kommunaler Stadtplanung infolge von Kompetenzwirrwarr und Reformstau, des Industriewachstums und der industriellen Randwanderung zusammen mit der Citybildung, werden die prekäre Situation Berlins zu dieser Zeit dargestellt und die Voraussetzungen herausgearbeitet, die den Ruf nach einem Massenverkehrsmittel, welches jetzt siedlungstechnische Aufgaben erfüllen sollte, überhaupt erst aufkommen ließen. Danach werden in Kapitel 3 die verschiedenen Nahverkehrsmittel Berlins bis zum Bau der Stadtbahn in ihrer Entstehung und ihrer Entwicklung beschrieben und kritisch auf ihre Leistungsfähigkeit und ihren Nutzen beim Lösen der innerstädtischen und siedlungstechnischen Probleme hin überprüft. Anschließend erfolgt in Kapitel 4 eine ausführliche Beschreibung der drei Stadtbahnprojekte. In Kapitel 5 wird dann der gesamte Bau der Stadtbahn von den Planungen bis zu ihrer Fertigstellung detailliert beschrieben, wobei auch die Betriebsgestaltung und das Tarifsystem erläutert werden müssen, da beide für die Bedeutung der Stadtbahn und die Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin von größter Bedeutung waren. In Kapitel 6 wird die Bedeutung und die Auswirkungen der nun fertig gestellten Stadtbahn auf drei ausgesuchte Aspekte bzw. Bereiche der Entwicklung Berlins erläutert und dargestellt.

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Leseprobe

1. Einleitung


 

1.1 Allgemeiner Teil


 

Benutzt man als Besucher oder Einwohner Berlins heutzutage die öffentlichen Nahverkehrsmittel der Stadt, so hat man die Auswahl aus einem riesigen, nahezu unüberschaubaren Angebot aus U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahn, Bus oder Regionalbahn. Wie selbstverständlich bringen diese Verkehrsmittel den Kunden zu unzähligen Orten in der Stadt und darüber hinaus ins Brandenburger Umland.

 

Entstanden ist der öffentliche Nahverkehr Berlins aus sehr unterschiedlichen einzelnen Verkehrsträgern. So fuhren Pferdeomnibusse bzw. Pferdestraßenbahnen erstmals 1846 bzw. 1865 durch die Stadt, ab 1881 nach und nach durch die elektrische Straßenbahn abgelöst. Seit 1895 verkehrten im Nachtverkehr die ersten mit Verbrennungsmotor betriebenen Autobusse, 1902 erhielt Berlin als fünfte europäische Metropole eine Untergrundbahn, und ab 1924 wurden die Vorortstrecken der S-Bahn[1] nach und nach elektrifiziert. Wichtigste Neuerung im Berliner Verkehrswesen im 19. Jahrhundert war jedoch ein Verkehrsmittel, welches im Jahr 2002 sein 120-jähriges Jubiläum feierte: die Berliner Stadtbahn. Am 6. Februar 1882 durch Kaiser Wilhelm I. persönlich eingeweiht, ist sie in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswertes Bau- und ein ingenieurstechnisches Meisterwerk, welches das Stadtbild Berlins bis in unsere Zeit entscheidend prägt.

 

Angesichts der Eröffnung der Stadtbahn wurden zahlreiche Abhandlungen und Berichte über das Bauwerk veröffentlicht, worin zumeist die Voraussetzungen und die Bedeutung der Stadtbahn behandelt wurden. So schrieb bereits kurz nach ihrer Einweihung ein dänischer Gesandter:

 

„In diesen Tagen nun wurde in Berlin eine großartige architektonische Anlage und ein gewaltiges Verkehrsmittel eingeweiht, was Berlins ganzen Charakter verändert und ihm endgültig das Gepräge einer Weltstadt verleiht. Paris besitzt so etwas nicht, und so außergewöhnlich Londons Underground-railway auch wirkt, wenn man zu ihr hinabgestiegen: was die auffallenden Besonderheiten städtischer Physiognomie angeht, kann sie sich – unsichtbar – mit diesem kolossalen Werk nicht messen. (…) Mit der Stadtbahn werden zwei Absichten verfolgt: Zum einen soll zwischen den in östlicher und westlicher Richtung verlaufenden großen Bahnlinien eine direkte Verbindung geschaffen werden, zum anderen soll sie dem lokalen Verkehr dienen. Aber das ist überdeutlich und symptomatisch für die preußische Militärmonarchie: Würde die Regierung durch diese Gleisanlagen im Falle einer Truppenmobilisierung nicht volle zehn Stunden einsparen, könnten die guten Berliner noch so manches Jahrzehnt auf ihre Stadtbahn warten. Wegen ihrer schönen Augen haben sie sie jedenfalls nicht bekommen, um ihrer Bequemlichkeit frönen oder Droschkengeld sparen zu können ebenso wenig. Der Nutzen für den Bürger kam – echt preußisch – erst an zweiter Stelle, Hauptsache war der militärische Vorteil.“[2]

 

Die „Illustrierte Zeitung“ schrieb beispielsweise: „Die viergleisige Stadtbahn hat eine eminente strategische Bedeutung; sie erleichtert die beschleunigte Überführung großer Truppenmassen, sie ermöglicht die Dislocierung der jetzt vorhandenen Truppentheile aus Berlin, welche im disciplinaren Interesse für nothwendig erachtet wird, sie ist ferner ein Hauptverkehrsmittel in der Stadt und den Vororten. Für letzteres Moment sei die sprechende Thatsache erwähnt, daß die Bahn am ersten Sonntag nach der Eröffnung 67 000 Fahrgäste beförderte.“[3]

 

Eine etwas andere Sichtweise vertrat im Jahr 1883 ein am Bau beteiligter anonymer Techniker: „Mit dem für Berlin neuen Verkehr auf der Stadtbahn hat sich das Publikum in kurzer Zeit vertraut gemacht und würde es bitter empfinden und tief beklagen, wenn dieselbe eines Tages nicht funktionieren würde. Alle Fremden, welche die Einrichtung kennen gelernt, sind begeistert; andere Hauptstädte, wie Wien, beeilen sich, dem Beispiel Berlins zu folgen. Daß die Stadtbahnanlage nicht rentieren würde, dürfte wohl dem größten Stadtbahnenthusiasten längst klar geworden sein. Man darf aber an dergleichen großartige Verkehrseinrichtungen den kleinlichen Krämermaßstab nicht anlegen. Da man Millionenstädte weder verschwinden lassen kann noch will, muß man großartige, unrentable Anlagen, wie Stadtbahnen, Kanalisationen etc., mit in den Kauf nehmen. Auch in den Provinzen Preußens sind, Dank dem freien Hohenzollernblick, segensvolle Schöpfungen ins Leben gerufen, welche nicht rentieren, deren öffentlicher Nutzen aber unbestritten anerkannt wird.“[4] 

 

Bemerkenswert an den ersten beiden Aussagen ist die zeitgenössische Wertung der Bahn die, ganz im Stile der Zeit, das militärische Moment, wie selbstverständlich hervorhebt und die verkehrstechnischen Einflüsse entweder negiert oder nur in einem Nebensatz beiläufig erwähnt. Im dritten Beispiel ist es dann nicht das Militär, sondern der freiwillige gnädige „Hohenzollernblick“, also der preußische Staat, der seinen Bürgern von sich aus etwas „Gutes“ tut.

 

An diesem Punkt setzt die hier vorliegende Magisterarbeit an. Es wird zu zeigen sein, dass nicht militärische Gründe oder staatliches Gönnertum eine entscheidende Rolle gespielt haben, ein solches monumentales Verkehrsbauwerk im Herzen Berlins zu planen und zu errichten, auch wenn das für die damalige Zeit eine wahrscheinlich akzeptable und allgemein anerkannte Vorstellung war. Was aber waren nun die eigentlichen Voraussetzungen und Ursachen für den Bau dieser Bahn, was waren die Hoffnungen und Erwartungen, die man in dieses Verkehrsmittel setzte und welche Bedeutung hatte die fertiggestellte Stadtbahn auf Berlin und sein Umland? Diesen Fragen nachzugehen ist das Ziel dieser Arbeit.

 

Es wird zunächst in Kapitel 2 die dramatische Entwicklung und Veränderung Berlins ab der Mitte des 19. Jahrhundert zu einer Millionenmetropole dargestellt. Anhand der Phänomene der explosionsartigen Bevölkerungsentwicklung und der damit eng verbundenen katastrophalen Wohnungssituation aufgrund mangelnder staatlicher und kommunaler Stadtplanung infolge von Kompetenzwirrwarr und Reformstau, des Industriewachstums und der industriellen Randwanderung zusammen mit der Citybildung, werden die prekäre Situation Berlins zu dieser Zeit dargestellt und die Voraussetzungen herausgearbeitet, die den Ruf nach einem Massenverkehrsmittel, welches jetzt siedlungstechnische Aufgaben erfüllen sollte, überhaupt erst aufkommen ließen: die drückenden sozialen Probleme der Stadt mit einem unbeschreiblichen Wohnungselend und der Lösungssuche im Bereich der Bauspekulation, eine fehlende Mobilität der Bevölkerung infolge der Distanzierung von Wohn- und Arbeitsort und die darin begründeten zeitgenössischen Hoffnungen und Erwartungen, dass eine lokale Eisenbahn siedlungspolitische Akzente setzen und diese Missstände lösen könne.

 

Danach werden in Kapitel 3 die verschiedenen Nahverkehrsmittel Berlins bis zum Bau der Stadtbahn in ihrer Entstehung und ihrer Entwicklung beschrieben und kritisch auf ihre Leistungsfähigkeit und ihren Nutzen beim Lösen der innerstädtischen und siedlungstechnischen Probleme hin überprüft.

 

Anschließend erfolgt in Kapitel 4 eine ausführliche Beschreibung der drei Stadtbahnprojekte. Dabei wird auch auf die unterschiedlichen Beweggründe der Planer einzugehen sein, wobei gezeigt werden soll, dass in allen Planungen, zwar in unterschiedlichen Abstufungen, die Lösung des Wohnungsproblems mittels einer Lokalbahn vorgesehen war, wofür diese siedlungspolitisch eingesetzt werden sollte, um dadurch vor allem den eigenen durch den Bau zu erwartenden Spekulationsgewinn zu optimieren, und dass nicht etwa ein militärischer Aspekt Grundlage dieser Projekte war.

 

In Kapitel 5 wird dann der gesamte Bau der Stadtbahn von den Planungen bis zu ihrer Fertigstellung detailliert beschrieben, wobei auch die Betriebsgestaltung und das Tarifsystem erläutert werden müssen, da beide für die Bedeutung der Stadtbahn und die Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin von größter Bedeutung waren.

 

In Kapitel 6 wird die Bedeutung und die Auswirkungen der nun fertig gestellten Stadtbahn auf drei ausgesuchte Aspekte bzw. Bereiche der Entwicklung Berlins erläutert und dargestellt. Besonders auf den Beginn des modernen Massenverkehrs, die Entwicklung Charlottenburgs und die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln im Zuge des Baus der Zentralmarkthalle am Alexanderplatz hat die Stadtbahn Einfluss genommen, wobei anhand dieser drei Beispiele besonders der Frage nachgegangen werden soll, inwieweit die Stadtbahn die in sie gestellten Erwartungen und Hoffnungen erfüllen konnte.

 

1.2 Forschungsstand und Quellenlage


 

Im Bereich der Berliner Verkehrsgeschichte ist ein Fehlen an einschlägiger, allgemeiner wissenschaftlicher Eisenbahnliteratur auszumachen. Zwar gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Aufsätze zu speziellen Themengebieten, die den Berliner Verkehr punktuell untersuchen,[5] jedoch fehlen bis auf einige Monographien, die teilweise über 40 Jahre alt sind, und besonders die Nahverkehrspolitik oder das Tarifsystem thematisieren,  moderne allgemeine...

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