Als Zielland der Globalisierung und größter Empfänger von Direktinvestitionen stand China in den vergangen Jahren an erster Stelle der Berichterstattung. Drei Gründe machen diese Entwicklung verständlich:[98]
1. Chinas Bruttosozialprodukt wächst schneller als das jedes anderen Landes dieser Größe,
2. ist hinsichtlich Anzahl der potenziellen Kunden der größte Markt der Welt,
3. und nur wenige Länder haben noch niedrigere Faktorkosten.
Diese Punkte ließen die ausländischen Investitionen in China in den letzten Jahren rasant ansteigen (Abbildung 6: Entwicklung der Auslandsinvestitionen in Mrd. USD). Ausländische Unternehmen investierten 2004 rund 62 Mrd. USD in der VR. China war in diesem Jahr das weltweit attraktivste Zielland für ausländische Direktinvestitionen.[99]
Abbildung 6: Entwicklung der Auslandsinvestitionen in Mrd. USD
Quelle: Eigene Darstellung nach Information von Ministry of Commerce of the People’s Republik of China
Anhand der im Rahmen dieser Arbeit geführten Gespräche lässt sich ein Projekt „Produktionserrichtung in der VR China“, in folgende Hauptpunkte gliedern:
1. Strategische Entscheidung / Businessplan
2. Feasibility Studie
3. Standortwahl
4. Operative Standorterrichtung / Behörden
5. Produktionsanlauf / Serienproduktion
4.1 Internationalisierung als Strategie
Internationalisierungsmotive eines Industrieunternehmens können sachlich, wertorientiert oder sozial sein und dienen zur Erfüllung der Interessen der Kapitalgeber, des Managements, von Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern und des Staates.[100]
Eine erfolgreiche Internationalisierung erlaubt Unternehmen eine langfristige Sicherung einer stabilen Wettbewerbsposition. In der Literatur gibt es noch zahlreiche weitere Gründe für eine Expansion bzw. Standorterweiterung im Ausland. So können aus gesamtunternehmerischer Sicht die Motive
marktorientiert,
ertragsorientiert,
leistungs- und innovationsorientiert (z.B.: Lerneffekte im Ausland) sein, oder
zur Risikodiversifikation durch konjunkturell divergierende Entwicklungen in den bearbeiteten Märkten dienen.[101]
Die Internationalisierung wird, vor allem durch mangelnde Wachstumsmöglichkeiten auf dem Heimatmarkt, also unter dem Motiv der Erschließung neuer Märkte, und durch Differenzen bei den Faktorkosten vorangetrieben. Das neue Potential und die günstigeren Faktorkosten wirken sich auf die Ertragserwartungen der Unternehmen aus. Beschleunigt wird diese Internationalisierungsentwicklung durch neue Fertigungsverfahren, verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten und Informationsaustausch, dem Rückgang von Transport- und Kommunikationskosten und dem Abbau von Handelshemmnissen.[102]
Für global agierende Unternehmen ist die Phase des gegenwärtigen Internationalisierungsprozesses im Rahmen verknüpfter Weltwirtschaftsstrukturen oftmals mit neuen strategischen Ausrichtungen verbunden, wollen diese vor dem Hintergrund eines zunehmenden internationalen Wettbewerbsdrucks weiterhin erfolgreich operieren. Konkret bedeutet dies, nachhaltige Erfolgsstrategien zu entwickeln und umzusetzen, um hinsichtlich der internationalen Kapitalmobilität und des internationalen Standortwettbewerbs wirtschaftliche Erfolge in verschiedenen Ländern langfristig zu sichern.[103] Hierzu sind wesentliche Entscheidungen zum Produktportfolio, zur Marktbearbeitung und zum Vertriebsweg zu treffen (Abbildung 7: Markteintrittsmöglichkeiten nach Ressourceneinsatz und Markteinfluss). Es muss also strategisch festgelegt werden, welche Produkte in welchen Märkten vertrieben werden sollen und wie der Markteintritt erfolgen soll.
Abbildung 7: Markteintrittsmöglichkeiten nach Ressourceneinsatz und Markteinfluss
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Abele / Kluge / Näher 2006, S.116
Bei der Entscheidung über die Gestaltung des Produktprogramms stehen die Optionen einer Globalisierungs- oder einer Fragmentierungs-(Regionalisierungs-) strategie zur Wahl. Die Unternehmen müssen entscheiden, ob sie auf den verschiedenen Inlands- und Auslandsmärkten mit einer einheitlichen Strategie operieren oder ob sie die jeweiligen nationalen Märkte separat behandeln. Bei einer Globalisierungsstrategie werden dieselben Produkte wie in Europa am neuen Markt vertrieben. Wird die Option der Fragmentierungsstrategie gewählt, dann werden entweder eigens für den Markt entwickelte, ähnliche – den Marktbedürfnissen angepasste, oder Produkte mit veralteter Technologie, die in anderen Märkten nicht mehr verkauft werden können, erzeugt und am lokalen Markt verkauft. [104] Zwei Drittel der befragten Unternehmen haben sich für den chinesischen Markt eine Globalisierungsstrategie gewählt (Abbildung 8: Produktstrategie der befragten Unternehmen) und produzieren somit die gleichen Produkte wie an anderen Standorten. Jene Unternehmen, die eine Fragmentierungsstrategie gewählt haben, verzichteten auf Produktneuentwicklungen, sondern modifizierten bestehende Produkte, um den Marktanforderungen gerecht zu werden.
Abbildung 8: Produktstrategie der befragten Unternehmen
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Expertengespräche
Bei der strategischen Entscheidung zur Marktbearbeitung von einem neuen (Produktions-)Standort stehen ebenfalls mehrere Möglichkeiten zur Verfügung: [105]
Internationale (ethnozentrische) Strategie
Fokus liegt hier auf der Bearbeitung des lokalen Marktes. Lediglich einige wenige auserwählte Zusatzmärkte werden beliefert.
Multinationale (polyzentrische) Strategie
Neben dem lokalen Markt werden weitere Auslandsmärkte abgedeckt. Es wird dabei explizit auf die Besonderheiten der Auslandsmärkte eingegangen. So findet dazu zum Teil intensive Marktforschung statt oder es werden landesspezifische Strategien und Marktkonzepte entwickelt
Globale (geozentrische) Strategie
Die Produktion ist auf den Weltmarkt ausgerichtet und basiert vorwiegend auf standardisierten Leistungen, Produkten und Konzepten, ohne dass in der Regel eine Berücksichtigung von nationalen Bedürfnissen erfolgt.
Blockiert-globale (transnationale) Strategie
Diese Strategieoption soll Vorteile weltweiter Integration auf Basis einer globalen und standardisierten Geschäftstätigkeit realisieren. Unternehmenspolitik und Prozesse sind in Stamm- und Tochterunternehmen standardisiert, während in Marktfragen dem Auslandsunternehmen eine verstärkte Autonomie zukommt
Diese grundsätzlichen Strategien im Vorfeld genau festzulegen, sehen die Befragten als den wesentlichsten Punkt bei der erfolgreichen Durchführung einer Direktinvestition. Abgezeichnet hat sich, dass das hauptsächliche Motiv die Bearbeitung des lokalen Marktes war. Auch der Export in andere asiatische Länder, nach Europa und die USA spielen eine Rolle. (Siehe Abbildung 9: Zielmärkte für Produkte ).
Abbildung 9: Zielmärkte für Produkte aus China
Quelle: Eigne Darstellung auf Basis der Expertengespräche
Die Standortentscheidung für die VR China aus Sicht der befragten Unternehmen hatte unterschiedlichste Gründe. Größtenteils waren diese marktorientiert. So wollen die Unternehmen von der starken wirtschaftlichen Entwicklung profitieren und neues Potential erschließen. Die befragten Unternehmen sehen in dem in Aufbau begriffenen Markt der VR China ein sehr starkes Wachstumspotential für das eigene Unternehmen.
Nicht nur der „lokale Markt“ ist als Motiv für das China-Engagement interessant, sondern die Firmen wollen diese Investition als Türöffner für den gesamt asiatischen Markt nutzen.
Getrieben wurden die Investitionsentscheidungen der Unternehmen von Kunden, Mitbewerbern aus anderen Industriestaaten und den lokalen Entwicklungen der Industrie, die einer Vielzahl von neuen potentiellen Wettbewerbern die Möglichkeit bietet, eine solide...