Vorwort
Dieses Buch ist der Ertrag einer langjährigen Reise durch die Welt der Wissenschaft, der Geschichte, Philosophie, Spiritualität, Theologie und Religion, aber nicht minder einer ganz konkreten Reise durch viele Länder der physischen Welt wie Großbritannien, Irland, das kontinentale Europa, Nordamerika, Malaysia und Indien. Sowohl die Wissenschaft als auch spirituelle Gebräuche gehören zu meinem Leben, seit ich ein Kind war, und über ihre Beziehungen untereinander habe ich mir seither in vielerlei Hinsicht Gedanken gemacht.
Geboren und aufgewachsen bin ich in Newark-on-Trent in der Grafschaft Nottinghamshire, einem Marktflecken in den englischen Midlands. Ich genoss eine ganz normale christliche Erziehung. Meine Eltern waren Methodisten, und ich besuchte ein anglikanisches Jungeninternat.
Schon in sehr jungen Jahren interessierte ich mich für Pflanzen und Tiere, und ich hielt viele verschiedene Haustiere. Mein Vater war Apotheker, der sich mit Heilkräutern und dem Mikroskopieren auskannte, und so unterstützte er meine Interessen. Da ich Biologe werden wollte, wählte ich in der Schule den wissenschaftlichen Zweig, und später studierte ich an der Universität von Cambridge Biologie und Biochemie.
Während dieser Schul- und Studienjahre stellte ich fest, dass die meisten meiner Lehrer und Dozenten der wissenschaftlichen Disziplinen Atheisten waren und den Atheismus als etwas Selbstverständliches betrachteten. Im England jener Zeit gingen Wissenschaft und Atheismus Hand in Hand. Diese Einstellung schien Teil des wissenschaftlichen Weltbildes zu sein, und ich akzeptierte das.
Mit siebzehn, in der Zeit zwischen dem Schulabschluss und der Aufnahme meines Studiums, arbeitete ich als Laborant im Forschungslaboratorium eines Pharmazieunternehmens. Als ich den Job annahm, wusste ich allerdings nicht, dass es dabei um Tierexperimente ging. Ich wollte Biologe werden, weil ich Tiere mochte. Aber nun arbeitete ich in einer Art Todeslager. Keine der Kreaturen, mit denen man Experimente anstellte – Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten, Mäuse und ein Tag alte Küken –, verließ jemals das Labor lebendig. Es war eine Zerreißprobe zwischen meinem Mitleid mit den Tieren und dem wissenschaftlichen Ideal der Objektivität, das keinen Raum für persönliche Gefühle ließ.
Als ich Kollegen gegenüber meine Zweifel zum Ausdruck brachte, erinnerten sie mich daran, dass all dies zu unserem Wohl geschehe: Die Tiere würden geopfert, um Menschenleben zu retten. Und damit hatten sie zweifellos recht. Wir profitieren von der modernen Medizin, und unsere Medikamente sind fast ausnahmslos zuvor an Tieren erprobt worden. Es wäre unverantwortlich und ungesetzlich, potenziell giftige Substanzen ohne solche Tests bei Menschen anzuwenden. Menschen haben Rechte, so die Argumentation, Labortiere so gut wie keine. Indem wir die moderne Medizin in Anspruch nehmen, befürworten die meisten von uns stillschweigend dieses System des Tieropfers.
Während dieser Zeit las ich Freud und Marx, die mir mein atheistisches Weltbild bestätigten; und als ich mein Studium in Cambridge aufnahm, trat ich der dortigen Humanistischen Gesellschaft bei. Nachdem ich den Versammlungen einige Male beigewohnt hatte, fand ich sie bald öde, und meine Neugier zog mich in eine andere Richtung. Was sich meinem Geist aber am meisten eingeprägt hat, war der Auftritt des Biologen Sir Julian Huxley, eines der führenden Köpfe der säkularen humanistischen Bewegung. Er vertrat den Standpunkt, dass die Menschheit ihre eigene Evolution in die Hand nehmen und das Erbgut der menschlichen Rasse mithilfe der Eugenik und insbesondere der selektiven Züchtung verbessern solle.
Was ihm vorschwebte, war eine neue, genetisch vervollkommnete Generation, Kinder, die durch künstliche Befruchtung mit geeignetem Spendersamen gezeugt sind. Er zählte auch die Eigenschaften auf, die die Samenspender aufzuweisen hätten, um diesen Qualitätssprung der Menschheit zu gewährleisten: Es sollten Männer sein, die auf eine lange wissenschaftliche Familientradition zurückblicken können, die selbst große Leistungen in der Wissenschaft vorzuweisen und es zu großer öffentlicher Anerkennung gebracht haben. Als der ideale Samenspender erwies sich Sir Julian selbst. Später stellte ich dann fest, dass er auch in die Tat umsetzte, was er predigte.
Von einem Atheisten und angehenden mechanistisch denkenden Biologen wie mir wurde erwartet, an ein Universum zu glauben, das seinem Wesen nach mechanisch ist. In ihm gab es weder ein letztes Ziel noch einen Gott, und der menschliche Geist bestand aus nichts anderem als Gehirnfunktionen. Aber ich empfand all das als Zumutung, besonders dann, wenn ich verliebt war. Ich hatte eine sehr hübsche Freundin, und in einer Phase des Hochgefühls ging ich in eine Physiologie-Vorlesung über Hormone. Ich erfuhr etwas über Testosteron, Progesteron und Östrogen und wie sich diese Hormone auf die verschiedenen Zonen des männlichen und weiblichen Körpers auswirken. Aber es gab eine gewaltige Kluft zwischen der Verliebtheit, die ich verspürte, und dem Erlernen dieser chemischen Formeln.
Auch die große Kluft zwischen meiner ursprünglichen Intention – meinem Interesse an lebendigen Pflanzen und Tieren – und der Art von Biologie, die man mir da beibrachte, wurde mir immer bewusster. Zwischen meinem unmittelbaren Erleben der Tier- und Pflanzenwelt und der Art und Weise, wie mir darüber Wissen vermittelt wurde, gab es fast keine Verbindung. In unseren Laborseminaren töteten wir die Organismen, die wir untersuchten, sezierten sie und zerlegten die Einzelteile in immer kleinere Stücke, bis wir hinunter zur molekularen Ebene gelangten.
Für mein Gefühl war daran etwas grundlegend falsch, aber ich konnte das Problem nicht klar benennen. Ein befreundeter Literaturstudent lieh mir dann ein Buch über deutsche Philosophie, das einen Aufsatz über Goethe als Dichter und Botaniker enthielt.[1] Ich stellte fest, dass Goethe zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Vision von einer anderen Art Wissenschaft hatte – einer ganzheitlichen Wissenschaft, die das unmittelbare Erleben und Verstehen einschloss. In ihr handelte es sich nicht darum, alles in Stücke zu zerlegen und das Zeugnis der Sinne zu verwerfen.
Die Vorstellung, dass Wissenschaft auch anders aussehen könnte, erfüllte mich mit Hoffnung. Ich wollte Wissenschaftler sein. Aber ich wollte mich nicht sofort in eine Forscherkarriere stürzen, wie meine Dozenten es von mir annahmen. Ich wollte mir Zeit lassen, um eine weitere Perspektive zu gewinnen. Ich hatte dann das Glück, ein Frank-Knox-Stipendium für Harvard zu bekommen, und nach meinem Abschluss in Cambridge studierte ich dort ein Jahr (1963/64) Philosophie und Wissenschaftsgeschichte.
Thomas Kuhns Buch Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen war gerade erschienen, und es öffnete mir die Augen dafür, dass die mechanistische Naturtheorie etwas war, was Kuhn ein »Paradigma« nannte – ein kollektiv getragenes Wirklichkeitsmodell, ein Glaubenssystem. Kuhn zeigte auf, dass in Perioden revolutionären wissenschaftlichen Wandels alte Modelle der Wirklichkeit durch neue ersetzt wurden. Wenn sich die Wissenschaft in der Vergangenheit radikal gewandelt hatte, dann würde sie sich vielleicht auch in Zukunft erneut wandeln können – eine aufregende Möglichkeit.
Ich ging zurück nach Cambridge, um an Pflanzen zu forschen. In die Tierforschung, mein ursprüngliches Ziel, wollte ich nicht, weil ich mein Leben nicht damit zubringen wollte, Tiere zu töten. Ich schrieb meine Doktorarbeit über die Bildung des Pflanzenhormons Auxin, das das Wachstum von Stielen und Stämmen sowie die Holz- und Wurzelbildung anregt. Das Hormonpulver, das Gärtner verwenden, um die Wurzelbildung bei Stecklingen zu fördern, enthält Auxin in synthetischer Form. Anschließend forschte ich als Fellow am Clare College in Cambridge weiter auf dem Gebiet der Pflanzenentwicklung und erhielt außerdem ein Forschungsstipendium der Royal Society, das mir enorme Freiheit verschaffte, wofür ich sehr dankbar bin.
In dieser Zeit wurde ich Mitglied einer Vereinigung, die sich »Epiphany Philosophers« nannte und ihren Sitz und in Cambridge hatte.[2] Es war ein bunt zusammengewürfelter Kreis, dem Quantenphysiker, Mystiker, Buddhisten, Quäker, Anglikaner und Philosophen angehörten. Zu seinen Mitgliedern zählten Richard Braithwaite, Philosophieprofessor in Cambridge und führender Wissenschaftsphilosoph,[3] seine Frau Margaret Masterman, Leiterin der Cambridge Language Research Unit und eine Pionierin auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, sowie Dorothy Emmet, Philosophieprofessorin an der Universität von Manchester und eine frühere Studentin des Philosophen Alfred North Whitehead. Viermal im Jahr kamen wir für eine Woche zusammen, in der wir eine Wohngemeinschaft in einer Windmühle in dem Hafenörtchen Burnham Overy Staithe an der Küste von Norfolk bildeten. Wir diskutierten über Physik, Biologie, alternative Medizin, Akupunktur, Parapsychologie, Quantentheorie, über Sprach- und Wissenschaftsphilosophie. Nichts wurde ausgeklammert.
Während dieser siebenjährigen Epoche hatte ich die Freiheit, mir nicht nur mein Forschungsgebiet selbst auszusuchen, sondern auch den Ort, an dem ich meine Studien betreiben wollte. Von der Royal Society mit Geldmitteln ausgestattet, ging ich 1968 für ein Jahr nach Malaysia, weil ich die Pflanzenwelt des Regenwaldes erforschen wollte. Das Botanische Institut der Universität Malaya bei Kuala Lumpur wurde meine neue Heimat. Auf dem Weg dorthin bereiste ich für mehrere Monate Indien und Sri Lanka, was meinen Horizont enorm erweiterte. Ich begegnete dort einer völlig anderen...