Wie ich das Segnen entdeckte
Die Liebe ist
wie ein See:
klar und tief, rein und weit,
erstreckt sie sich in viele Buchten
und verwunschene Winkel,
die nur darauf warten,
von dir für alle Menschen entdeckt zu werden.
In diesem Kapitel erfährst du, was das Segnen im Sinne dieses Buches eigentlich ist. Mit ein wenig Praxis könnte es für dich so natürlich und einfach werden wie das Atmen. Darum enthält jedes Kapitel Übungen, mit denen du die Wunschkraft des Segnens für dich entdecken kannst. Segnen ist immer mit der Liebe im Herzen verbunden. Je mehr wir segnen, desto mehr wird uns die Liebe, die auf uns im Herzen wartet, bewusst. Mögen alle Menschen ins Herz und in die Liebe finden!
Seit mehr als fünfzehn Jahren verbringe ich mindestens eine Woche des Jahres mit einem Retreat in den Schweizer Bergen. Ich brauche diesen Rückzug, um mich dort oben in der klaren Bergluft voll und ganz auf mich selbst besinnen zu können. Begleitet werde ich dabei von einigen Dutzend Kühen, die auf dieser Hochalm im Sommer weiden, Murmeltieren, die man manchmal pfeifen hört, und hin und wieder von einem Greifvogel am Himmel, der zu mir herunterblickt.
Ach ja, und natürlich sind da noch die zehn bis zwanzig anderen Menschen, die ebenso wie ich diese Einsamkeit zur inneren Einkehr nutzen. Wir verbringen die Zeit damit, gemeinsam zu singen, zu meditieren und zu beten. Wir kochen und essen miteinander und an den Nachmittagen gehen wir bei schönem Wetter allein oder in Gruppen in die Natur, um die wunderschöne Bergwelt der Alpen zu erkunden. Oft bekommen wir dabei eine Aufgabe mit auf den Weg.
Bei meinem ersten Retreat wurde mir eine solche gegeben, die mein ganzes Leben verändern sollte. Ich sollte beim Gehen das folgende Mantra rezitieren: »Ich segne meine Liebe weit und breit. Ich segne meine Liebe weit und breit.« Und so weiter.
Bei jedem Schritt sprach ich also diesen Segensspruch zu mir selbst.
Es wäre sicher vermessen, würde ich behaupten, bei dieser Prozedur ein großartiges Erlebnis gehabt zu haben. Der Sinn und Zweck entzog sich mir damals noch zur Gänze. Doch sprach ich diese inneren Worte, weil es eben meine Aufgabe an diesem Tag geworden war, ebenso wie ich bei anderer Gelegenheit schon Mantren des Buddhismus oder der vedischen Tradition rezitiert hatte. Im Christentum kennen wir solche Anrufungen ja auch in Form der Rosenkränze, die wir zu bestimmten Anlässen beten.
Ich ging durch die Natur und setzte Schritt auf Schritt, langsam und bedächtig, und bei jedem Mal sagte ich innerlich: »Ich segne meine Liebe. Ich segne sie weit und breit, über die ganze Erde. Ich segne meine Liebe zu allen Menschen, allen Tieren, Pflanzen und der ganzen Welt.« So oder so ähnlich begann ich, meinen Segen erstmals über die Erde fließen zu lassen. Und obwohl es mir nicht bewusst war, geschah etwas mit mir. Denn später nahm ich diesen Segen auf und praktizierte ihn viele Jahre bei meinen Spaziergängen zu Hause. Irgendwie tat mir das gut und gab mir ein Gefühl der Verbundenheit mit der Natur.
Später begann ich mit den verschiedensten Segnungen zu experimentieren und spürte immer deutlicher, welche Kraft sich in ihnen verbirgt. Das Segnen hat dabei sehr viele unterschiedliche Facetten für mich bekommen, von denen in diesem Buch noch ausführlich die Rede sein wird.
Doch beginnen wir am besten mit der Übung, die ich damals in den Schweizer Bergen erhalten habe. Heute praktiziere ich sie etwas anders, weil mir bewusst wurde, was dabei in meinem Herzen geschieht.
ÜBUNG: Aus dem Herzen segnen
Setz dich dazu zunächst einmal ungestört hin und wähle eine Tageszeit, an der du ungestört bist. Am besten eignet sich der frühe Morgen oder der spätere Abend. Aus dem Herzen gelingt es am besten, Segen zu spenden. Darum bauen wir zuerst einen guten Kontakt zu ihm auf. Sage dir innerlich: »Ich atme ein – ich atme aus. Ich atme in mein Herz ein – und ich atme aus meinem Herzen aus.« Wiederhole diese Anweisung einige Minuten, bis du sicher bist, dass du eine Verbindung zu deinem Herzen und zu deinem Zentrum aufgebaut hast.
Wähle dann ein Lebewesen aus, dem du deinen Segen schenken möchtest. Das kann ein Mitbewohner deines Hauses sein, der vielleicht noch schläft, oder dein Haustier oder das der Nachbarn. Oder eine Freundin oder ein Freund, die vielleicht einige Kilometer entfernt wohnen – das spielt beim Segnen zum Glück keine Rolle.
Atme weiter in dein Herz und lass aus deinem Herzen mithilfe deines Atems Liebe zu diesem Lebewesen fließen. Sag zum Beispiel: »Ich segne diesen Menschen mit meiner Liebe. Ich lasse mit meinem Atem Liebe zu ihm fließen.« Und dann atmest du einfach Liebe dorthin. Tue dies etwa zehn Minuten, solange es sich gut anfühlt. Beende dann die Übung und wiederhole sie einige Tage lang. Beachte, ob sich das Verhalten deines Haustieres oder des Menschen, den du segnest, dir gegenüber verändert. Beachte auch, ob du selbst dich veränderst.
Mithilfe dieser Übung habe ich einmal einen Wacholderbusch in unserem Vorgarten gerettet. Er hatte im Winter zu viel Frost abbekommen und drohte im Frühling einzugehen. Also segnete ich diesen Busch und ließ in der beschriebenen Weise Liebe aus meinem Herzen hin zu dieser Pflanze fließen. Tatsächlich erholte er sich und gedeiht auch heute noch prächtig. Daraus können wir ein weiteres Experiment ableiten.
ÜBUNG: Sprösslinge segnen
Nimm dir ein paar Blumentöpfe und säe Samen hinein. Bohnensamen eignen sich am besten, da sie am schnellsten wachsen. Markiere einen, dem du deinen Segen schenken möchtest. Stell die Töpfe auf die Fensterbank des Zimmers, in dem du sie regelmäßig siehst, und lenke deinen Segen zu dem einen besonderen Samen hin.
Vergleiche nach einer Woche, in der du diese Übung täglich ausgeführt hast, welche Sprösslinge am schnellsten gewachsen sind. Es wäre schön, wenn du dieses Experiment begleitend zum Lesen dieses Buches machen würdest, um dein Vertrauen zu stärken, dass dein Segnen eine sichtbare Veränderung bewirkt.
Wenn du mit dem Segnen beginnst, torpediert dich wahrscheinlich (so wie mich auch damals) dein neunmalkluger und besserwisserischer Verstand mit seinen Rohrkrepierern. Du kannst dich wahrscheinlich nur schwer gegen deine inneren Zweifel wehren und fängst vielleicht erst gar nicht mit dem Segnen an. Mit den beiden praktischen Übungen hast du darum Gelegenheit, dich selbst als »Versuchskaninchen« zu betätigen, um dich beim sich hoffentlich einstellenden Erfolg selbst von der Kraft des Segnens zu überzeugen. Mögen alle Menschen mit dem Segnen beginnen und seine Wirkkraft für sich entdecken.
Ganz nebenbei sind solche Übungen auch sehr nützlich, den Verstand zu beschäftigen. Während du ganz vertieft die Experimente durchführst, hat dein Kopf einfach keine Zeit, sich mit Zweifeln und Meckern zu beschäftigen.
Es braucht also auch ein gewisses Durchhaltevermögen, damit du nach einer Weile erahnen und spüren kannst, was wirklich in seiner Tiefe hinter dem Segnen steckt. Durch die praktischen Übungen treten wir, etwas vereinfacht gesagt, in Kontakt zum Universum und geben ihm die Gelegenheit, auf unsere Segnungen direkt zu reagieren und sozusagen Feedback zu geben. Dies geschieht jedoch nicht immer umgehend. Manchmal dauert es einfach eine gewisse Zeit, bis wir das Resultat des Segnens erfahren können. Oft geschieht dies über Zufälle, spontane Begegnungen oder auch kleine Wunder, die in unserem Alltag eintreten – und die vielleicht schon bald zur Normalität gehören.
Beim Segnen ist es wirklich so: Segne und halte Ausschau nach dem Wunder, das dann geschieht.
Unsere Welt steckt voller Wunder und wir selbst sind Teil dieses Geheimnisses.
Ein bisschen wundert es mich selbst, warum ich dieses Buch nicht schon früher geschrieben habe. Vielleicht habe ich mit dem Segnen diesen besonderen und für mich einmaligen Ort in den Bergen verbunden, den ich seit so vielen Jahren in meinem Herzen trage. Nur dort oben, wo der Himmel nicht nur wegen der geografischen Höhe so nah ist, kam es mir zunächst wirklich richtig und stimmig vor, zu beten und zu segnen. Deshalb war auch tatsächlich eine gewisse Scheu damit verbunden, diese heilige Technik vom Berg in die Täler hinab zu bringen. Nun, um genau zu sein: Es dauerte fünfzehn Jahre, bis ich innerlich bereit dafür war.
Wie ich bereits beschrieben habe, war mir selbst die Kraft des Segnens nur unzureichend bewusst. Ich tat es zwar häufig, manchmal mehr, den ganzen Tag lang, und manchmal weniger. Doch die Resultate ließen meist eine ganze Weile auf sich warten. Zumeist sogar so lange, dass mir gar nicht mehr bewusst war, dass ich ja genau diese Sache schon vor einiger Zeit gesegnet hatte. Ich stellte also gar keinen Zusammenhang zwischen einem eintreffenden Geschehnis und meinen vorherigen Segnungen her.
Wenn ich jetzt also dieses Buch schreibe, dann vor allem, weil ich heute wirklich von der Wichtigkeit und dem hohen Stellenwert des Segnens überzeugt bin. In den Jahren, in denen ich damit experimentierte, hat mir das Segnen so wundervolle Geschenke gemacht, dass ich es mit anderen teilen möchte. Es ist an der Zeit.
Segnen verändert unser Leben. Segnen verändert uns selbst und unterstützt uns in unserer Entwicklung. Ich habe immer besser gelernt, mich selbst anzunehmen, mir selbst zu verzeihen und mein Herz mehr und mehr zu öffnen. Ich lernte mich selbst besser kennen, so gut sogar, dass...