Die Zivilprozessordnung in ihrer Stammfassung vom 1. August 1895 regelte in nur 16 Paragraphen[25], nämlich den §§ 514 bis 528 ZPO, das Rekursverfahren. Danach war der Rekurs, der ein möglichst einfach konstruiertes Rechtsmittel sein sollte[26], insbesondere[27] gegen Beschlüsse (Bescheide), „sofern das gegenwärtige Gesetz die Anfechtung derselben nicht ausschließt“[28] zulässig[29]. Bei Beschlüssen, durch welche der Ersatz der Kosten dem Gericht auferlegt wurde, konnten „die hiernach zum Kostenersatz verpflichteten richterlichen Beamten Recurs ergreifen“[30].
Die Entscheidung über den durch Einreichung eines Schriftsatzes[31] eingelegten Rekurs erfolgte ohne vorhergehende mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung durch Beschluss[32].
Ursprünglich sah das Rekursverfahren grundsätzlich nur die Einseitigkeit vor[33], was von Lehre[34] und Rechtsprechung[35] als unbedenklich angesehen wurde. Morscher[36] wies darauf hin, dass diese Einseitigkeit für die Partei zu einer nicht wettzumachenden Benachteiligung führe, da diese keine Möglichkeit habe, auf die Rekursausführungen einzugehen, um gegen diese substantiiert Stellung zu nehmen. Er sah daher in der Beseitigung der Einseitigkeit nicht nur ein rechtspolitisches Anliegen, sondern vielmehr ein Gebot des Verfassungsrechts. Auch wenn diese Kritik[37] anfänglich weder beim Gesetzgeber noch in der Rechtsprechung Gehör fand[38] kam es schließlich doch mit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 im begrenzten Umfang zur Einführung des zweiseitiges Rekursverfahren. Diese Durchbrechung des Grundsatzes der Einseitigkeit betraf die Fälle, in denen die Einseitigkeit als besonders unerträglich empfunden wurde[39]. Seinen gesetzgeberischen Niederschlag hat dies im § 521a ZPO gefunden.
Das Rekursverfahren war grundsätzlich ein einseitig gestaltetes Verfahren, in dem ohne mündliche Rekursverhandlung in nicht öffentlicher Sitzung nach Aktenlage[40] entschieden wurde. Der Rekurs wurde durch einen Schriftsatz eingeleitet. Außer im Besitzstörungsverfahren[41] bedurfte es keiner Anmeldung.
Die Konsequenz dieser Verfahrensweise ist, dass im Rekursverfahren grundsätzlich das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweismittel nicht möglich ist[42]. Diese als „Neuerungsverbot“ bezeichnete Verfahrensweise, für die eine ausdrückliche Anordnung im Rekurs fehlt, gilt von einigen Ausnahmen abgesehen in allen Verfahrenstypen[43]. Begründet wird dies mit dem Zweck des Rekurses als rein kontrollierendem Rechtsmittel und der fehlenden mündlichen Verhandlung sowie der fehlenden Möglichkeit der Beweisaufnahme unter Zuziehung der Parteien[44]. Es wird hier also der Grundsatz verwirklicht, dass das österreichische Rechtsmittelverfahren nicht mehr neuerlich der geltend gemachte Anspruch, sondern nur noch die Richtigkeit der Entscheidung und des ihr vorangegangenen Verfahrens überprüft wird[45].
Ein zweiseitiges Rekursverfahren wird dann angenommen, wenn die Möglichkeit einer schriftlichen Rekursbeantwortung besteht[46]. Zweck dieses zweiseitigen Verfahrens ist es, dem Rechtsmittelgegner in betroffenen Angelegenheiten nach einem bereits in erster Instanz kontradiktorischen Verfahren auch im Rechtsmittelverfahren Gehör zu verschaffen[47].
Auch wenn das Rekursverfahren grundsätzlich als einseitiges Verfahren ausgestaltet war, gab es von diesem Grundsatz Ausnahmen, die nachfolgend näher betrachtet werden sollen.
Eine gesetzliche Durchbrechung des streng einseitiges Rekursverfahrens fand erst-malig im Außerstreitverfahren statt[48].
In der Folge hatte der Gesetzgeber dann in den vier im § 521a ZPO aF[49] geregelten Fällen sowie bei den einstweiligen Verfügungen gemäß § 402 EO den Grundsatz der Einseitigkeit des Rekurses im Zivilprozess durchbrochen und ein zweiseitiges Verfahren geschaffen. Es handelt sich hier um bestimmte grundlegende, im Gesetz erschöpfend aufgezählte prozessbeendende und verfahrensgestaltende Beschlüsse[50]. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 eingeführte Zweiseitigkeit jedoch nicht alle Bereiche erfasst wurden. Probleme bestanden weiterhin im Außerstreit-, Insolvenz- und Vollstreckungsverfahren, da hier nach wie vor nur ein einseitiges Rekursverfahren zur Verfügung stand[51].
Nachdem die Rechtsprechung die durch die Einführung der Zivilverfahrens-Novelle 1983 eingeführten Bestimmungen des § 521a ZPO über die Zweiseitigkeit des Rekurses in den ersten Jahren nach deren In-Kraft-Treten „als auf wenige Beschlüsse des Streitverfahrens“[52] beschränkt angesehen hatte[53] und diese Ansicht auch fortgeschrieben wurde[54] ging die neuere Rechtsprechung über die gesetzlichen Vorgaben hinaus und sah alle Rekursverfahren als zweiseitig an, die sich gegen Beschlüsse über Rechtsschutzanträge richteten[55]. Teilweise hat der OGH auch versucht, diese Gehörsdefizite dadurch zu umgehen, dass er „praeter legem eine Rekursbeantwor-tung oder eine Rekursverhandlung in jenen Fällen zuließ, in denen im Rekurs zulässige Neuerungen enthalten waren“[56].
Die Rechtsprechung hat – betrachtet man die ergangenen Entscheidungen – den Anwendungsbereich des § 521a Abs 1 Z 3 ZPO in sehr kasuistischer Weise im Wege der Gesetzesanalogie[57] erweitert[58]. Die Literatur[59] kritisierte diesen Weg, der sich auf die Rechtsähnlichkeit des jeweils zu beurteilenden Falles mit einem bestimmten gesetzlichen Tatbestandmerkmal stützte als nicht mehr zeitgemäß und hielt eine weiter reichende Grenzziehung für die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens auf einer höheren Abstraktionsebene für geboten.
In der Literatur[60] wurde die Ansicht vertreten, dass die Zweiseitigkeit des Rekurses die Ausnahme sei und eine Erweiterung auf andere, nicht in § 521a ZPO genannte Fälle nur dann möglich sei, wenn die Rekurse sich gegen Beschlüsse wenden, die in der Hauptsache entscheiden oder die Zulässigkeit des Verfahrens[61] absprechen. Aus diesem Grunde seien Rekurse gegen den Kostenausspruch eines Beschlusses, der an sich mit zweiseitigem Rekurs anfechtbar wäre, immer nur einseitig[62]. Ebenfalls nur einseitig seien auch Rekurse im Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden gegen Erkenntnisse eines Börsenschiedsgerichts[63]. Das bedeutet, dass der zweiseitige Rekurs nur auf die „im Gesetz erschöpfend aufgezählte Beschlüsse“[64] beschränkt sein sollte[65].
Zechner[66], der wie oben bereits dargelegt „die kasuistische Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 521a ZPO kraft Gesetzesanalogie“ als nicht mehr zeitgemäß ablehnte, wollte zumindest nach meinem Verständnis die Zweiseitigkeit des Rekurs-verfahrens in konventionskonformer Anwendung verfahrensrechtlicher Bestimmungen bei allen Entscheidungen über materielle und prozessuale Rechtsschutzansprüche gewähren. Die vom OGH[67] vertretene Auffassung, der Art 6 MRK betreffe nicht die Ein- oder Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens ist überholt und kann nicht fortgeschrieben werden[68].
Die Literatur[69] zieht meines Erachtens aus der bereits erwähnten Urteil Beer gegen Österreich[70] die richtigen Schlussfolgerungen, wenn sie die Ansicht vertritt, dass jeder Partei Gelegenheit geboten werden müsse, „von abgegebenen Stellungnahmen der anderen Partei“ und von Beweisen, die Letztere beigebracht hat, Kenntnis zu erlangen und sich zu äußern.