In den folgenden Abschnitten werden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der digitalen Kinderbuchwelt dargelegt. Zu Beginn wird auf die betriebswirtschaftlichen Besonderheiten auf Anbieterseite fokussiert, um abschließend im zweiten Abschnitt die betriebswirtschaftlichen Besonderheiten der Nutzerseite zu extrahieren.
In den nächsten drei Abschnitten wird zuerst die Preisstruktur von Kinderbuch-Apps reflektiert, um darauffolgend die Kostenstruktur und letztendlich die Erlösstruktur von Kinderbuch-App-Projekten herauszukristallisieren.
In den Köpfen der Konsumenten hat sich ein sehr niedriger Preis für Apps verankert. Viele User sind nicht bereit, eine höhere Summe für Apps zu zahlen. Der Markt erwartet von Apps, umsonst oder im untersten Preissegment zu sein. Kinderbuch-AppAutorin RoxieMunro unterstreicht in einem E-Mail-Interview das unlogische Preismodellvon Apps im Vergleichzu ursprünglichen E-Books. E-Books seien kostengünstiger zu produzieren, seien jedoch in der Gesellschaft bei einem Preis um die $15akzeptiert. Die Entwicklungskosten von Apps seien verhältnismäßig hoch, verfügenaber übereine Preisakzeptanz-Obergrenze vonmaximal $4,99 bei den Verbrauchern (E-Mail: 15.02.2013).
Abbildung9: Durchschnittspreis von Apps für Kinder im Vergleich zu Apps für Erwachsene
Quelle: In Anlehnung an Schuler (2012, 16)
Der Durchschnittspreis von Apps lag 2011 bei $2.14, wohingegen er 2009 noch bei lediglich $1.13 rangierte (vgl. Abbildung 9). Apps für Kinder sind im Durchschnitt einen Dollar günstiger als jene Apps, welche Inhalte für Erwachsene anbieten.
Nach Analysen von Digital-Storytime, einer Onlineseite, welche Kinderbuch-Apps für Verbraucher kategorisiert und bewertet, sind von über 600 bewerteten Kinderbuch-Apps, über 10% kostenlos (vgl. Abbildung 10). Auch Big Player in diesem Markt passen sich an das niedrige Preissegment dieses Marktes an. 95% aller Kinderbuch-Apps werden für $4,99 oder weniger angeboten (Kluver, 2012, 1). Demnach befindet sich der Preis von Kinderbuch-Apps lediglich 5% über $4,99 (vgl. Kluver, 2012, 1).
Abbildung10: Preisübersicht von Kinderbuch-Apps
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Guinn Robertson (2012a, 61)
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich ein sehr geringes Preissegment bei Kinderbuch-Apps etabliert hat und dies eine enorme Herausforderung für Entwickler erzeugt. Diese besteht darin, qualitativ hochwertige Kinderbuch-Apps zu produzieren, die sich letztendlich rentabel verkaufen lassen durch eine hohe Anzahl an Downloads, um die Kosten zu decken (Friedlander, 2012, 1). Der nächste Abschnitt widmet sich der Kostenstruktur von der Produktion und Verbreitung von Kinderbuch-Apps.
Wenn man die Kostensituation anvisiert, können Kinderbuch-Apps zum Preis von wenigen hundert Dollar bis zu mehreren tausend Dollar produziert werden. Dabei kommt es darauf an, wie aufwendig die App gestaltet ist. Es kommt auf unterschiedliche Faktoren an, wie z.B. die Anzahl der Seiten der App, die Interaktivität und Funktionalität sowie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Vermittlern und Dritten (vgl. Guinn Robertson, 2012a, 71).
“The more ’bells and whistles’ and customization an app has, usually the more expensive it is to make – $10,000, $20,000 or $50,000 – and it can be difficult to earn that back out (with) the royalties from $0.99 downloads. However, a book app […] with more basic features can be much less expensive to produce, and therefore more easily recoup production costs.”Lynette Mattke, Geschäftsführerin von Picpocket books (vgl. Brannon, 2012, 1).
Die körperliche Transformation bzw. die notwendige Verteilung von Büchern über größere Entfernungen vom Hersteller zum Abnehmer entfällt bei digitalen Kinderbüchern. Demnach existieren keine Druck-, Lagerhaltungs-, Logistik-, Vervielfältigungs- oder Nachdruckkosten durch die nicht-physischen Bestandteile von App-Produkten. Die Distributionskosten bei digitalen Kinderbuchprojekten konzentrieren sich hauptsächlich auf die Gebühren für die App-Stores von Google Play oder Apple, welche mit einem “Revenue Share”-System arbeiten. Dabei erhält Apple beispielsweise 30% des erzielten App-Preises, und 70% kassiert der Contentanbieter, wie bereits in 3.2.3.2 aufgeführt. Wenn eine App beispielsweise für $2.99 verkauft werden würde, läge der Erlös pro Download für den Anbieter bei $2.09. Die restlichen 0.90 erhält Apple pro heruntergeladene App.
Beispielhafte Kostendarstellung und Break Even Point-Analyse: Der Break Even Point (BEP) ist der Punkt, an dem Erlös und Kosten der App-Produktion gleich hoch sind und somit weder Verlust noch Gewinn erwirtschaftet werden.Im Folgenden werden einige Beispiele, im Hinblick aufdie Kostenfaktoren bei der Produktion und Verbreitung von Kinderbuch-Apps aus der Praxis dargelegt, um eine höhere Kostentransparenz zu schaffen. Dabei wird antizipiert, dass die Contentanbieter lediglich durch die Verwertung der Inhalte direkte Erlöse (Pay-per-Download) generieren und keine andere Erlösquelle in Anspruch nehmen, wie z.B. Werbung.
Praxisbeispiel 1: Ein unabhängiger Autor arbeitet mit einem externen Programmierer zur Kreation von interaktiven Kinderbüchern zusammen. Der Autor will hierbei jedoch anonym bleiben. Folgendes Schaubild plakatiert eine grobe Kostentabelle, in der die Kosten für die Entwicklung und Verbreitung einer Kinderbuch-App subsumiert wurden.
Tabelle7: Kosten- und Erlöstabelle
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Guinn Robertson (2012a, 14)
Nach Addition der gesamten Kostenfaktoren haben Produktion und Distribution der Buch-Apps den Autoren $23.000 gekostet. Die App wurde für $3.99 im Apple App-Store angeboten. Nach Apples “Cut” erhält der Autor noch $2.79 für jede heruntergeladene App. Die Buch-App müsste demnach 8.235 Downloads erhalten, um die Produktions-, Marketing- und Distributionskosten zu decken. Ab diesem Punkt wird lediglich Gewinn gemacht. Es können höchstens Updatekosten und weitere Marketingkosten nachträglich entstehen.
Praxisbeispiel 2:Cary Snowden ist Autorin des Buch-Apps “The Day I Became a Pirate”. Snowden arbeitete mithilfe einer Plattform zur Kreation digitaler Kinderbücher. Anhand der eigenen Programmierung konnte sie das Buch-App-Projekt mit $500 realisieren. Sie bot die Buch-App für $1.99 im App-Store an. Nach ApplesAnteil erhält Snowden noch $1.39 für jede heruntergeladene App. Demnach ist der Break Even Point bereits nach 359 Downloads erreicht (vgl. Snowden, 2012, 1).
Praxisbeispiel 3: Ein anderes Beispiel ist Heidi Berthiaume, Autorin des Buch-Apps “Bud the Bunny”, welches sie auch mit einem „Do-It-Yourself”-Tool erstellt hat. Sie investierte rund $2.500 in die Produktion des Apps. Die App wird für $1.99 im App-Store angeboten. Nach Apples Erlösanteil bleibt der Autorin $1.39 pro heruntergeladene App. Demnach benötigt Berthiaume ungefähr 1.798 Downloads, um erstmalig Erlöse zu erzielen (vgl. Berthiaume, 2012, 1).
Beate Semmler, Plattform-Managerin von Tigerbook, bezeichnete es als die größte Herausforderung bei der Kreation von Kinderbuch-Apps, kreative Ideen ins richtige Verhältnis zur wirtschaftlichen und technischen Machbarkeit zu setzen (Telefonat 07.02.2013). Die Kostenkomponenten müssen im Vergleich zum realistischen Umsatz der fertigen Buch-App betrachtet werden. Es muss festgestellt werden, wie realistisch die Erreichbarkeit der oben dargelegten erstrebten Downloadzahlen ist, um die Produktions-, Distributions-, Marketing- und Updatekosten letztendlich decken zu können.
Für das Erlösmodell, welches sich bei dem Anbieten von Produkten in verschiedene Erlösquellen, direkte und indirekte Erlöse, untergliedert, konstituiert sich bei dem Vertrieb von Kinderbuch-Apps ein gemischtes Bild. Unterschiedliche Akteure betreiben verschiedene Geschäftsmodelle und generieren demnach divergierende Erlöse beim Vertrieb der digitalen Kinderbücher. In den folgenden Abschnitten werden einige Erlösmodelle von unterschiedlichen Akteuren des Kinderbuchmarktes analysiert.
4.1.3.1 Erlösmodelle für Autoren und App-Produzenten
Die überwiegende Anzahl an Geschäftsmodellen von...