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E-Book

Dr. Morell. Hitlers Leibarzt und sein Pharmaimperium

Biographie

AutorErnst Günther Schenck
VerlagLindenbaum Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl560 Seiten
ISBN9783938176696
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Professor Dr. Dr. Schenck gelang erstmals die vollständige Auswertung der in Washington aufbewahrten Morell-Papiere (Aufzeichnungen, Tagebücher, Vernehmungsprotokolle). Eine sensationelle Biographie, die nicht nur zeigt, auf welche Weise Morell Macht über Hitler und andere Größen des Dritten Reiches erlangen und nutzen konnte, sondern auch überraschende Einblicke hinter die Kulissen der nationalsozialistischen Herrschaft gewährt.

Prof. Dr. Dr. Ernst Günther Schenck war Reichsinspekteuer für das Ernährungswesen und die Truppenverpflegung der Deutschen Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges. Das Kriegsende erlebte er als Arzt in Hitlers Reichskanzlei und kam in russische Kriegsgefangenschaft. Erst 1955, mit dem letzten Kriegsgefangenentransport, kehrte er heim. Ernst Günther Schenck (* 3. August 1904 in Marburg; ? 21. Dezember 1998 in Aachen)

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Leseprobe

Hauptteil I


Die Person


1. Kurz-Biographie Prof. Dr. med. Theodor Morell


Theodor, Karl, Ludwig, Gilbert Morell entstammte väterlicherseits einer Hugenottenfamilie aus Diex bei Grenoble, deren Zweige sich über Deutschland, die Schweiz und Österreich-Ungarn verteilt hatten, und wurde am 22. Juli 1886 im oberhessischen Trais-Münzenberg vor einer Schwester als zweiter Sohn des dortigen Volksschullehrers Karl Morell und seiner aus einer gutsituierten hessischen Bauernfamilie gebürtigen Ehefrau geboren. Schon sein Großvater war am gleichen Orte Lehrer gewesen, und der ältere Bruder sollte es bis zum Tode im November 1944 ebenfalls in dieser Stadt bleiben.

Zeitlebens war Morell stolz auf seine französisch-oberhessische Herkunft.

Der Knabe, als Kind kränklich, kam im Alter von 14 Jahren auf die Präparandenanstalt in Lich und besuchte anschließend das Lehrerseminar in Friedberg zwischen Gießen und Marburg. 1905 erhielt er seine erste Stelle als Lehrer in Bretzenheim bei Mainz.

Der Beruf behagte ihm jedoch nicht, und er machte, um Medizin studieren zu können, das Abiturienten-Examen nach. 1907 ließ er sich an der Universität Gießen immatrikulieren und trat einer studentischen Verbindung bei, in welcher er den Kneipnamen „Mephisto“ erhielt. Schon nach einem Semester wechselte er nach Heidelberg, ging von dort an die „École de Medizine de Grenoble“, um den Herkunftsort seiner Familie, Diex, kennenzulernen, in dem die Hälfte der Einwohner seinen Namen trugen. Wieder in Heidelberg legte er im Juli 1909 die ärztliche Vorprüfung (Physicum) mit der Note „Sehr gut“ ab und übersiedelte zu Ende des Jahres nach Paris, wo er an der Clinique d’Accouchement Tornier geburtshilflich arbeitete und am Institut Pasteur bei dem berühmten, ihn für die Dauer seines Lebens maßgeblich beeinflussenden Professor Elias Metschnikoff (1845- 1916) einen Kurs belegte, woraus er später eine Assistentur und enge Zusammenarbeit machte.

Von Paris zog es ihn in der folgenden Studienzeit über Heidelberg nach München. Dort machte er im Mai 1912 das medizinische Staatsexamen und erhielt ein Jahr später (Ende Mai 1913), nachdem er in Bad Kreuznach das vorgeschriebene Jahr als Medizinalpraktikant abgleistet hatte, seitens der Bayerischen Regierung die Approbation als Arzt. Zu gleicher Zeit promovierte er mit einer Dissertation: „Dreizehn Fälle von verschleppter Querlage und ihre Behandlung in der Universitätsfrauenklinik München“ zum Dr. med.

Anschließend fuhr er etwa neun Monate lang als Schiffsarzt auf Dampfern der Woermann-, der Hamburg-Südamerika Linie und des Norddeutschen Lloyd nach Nord- und Südamerika sowie an die ostafrikanische Küste. Hieraus machte er später Expeditionen in das Innere des Erdteils zum Studium medizinischer Riten und Gebräuche. Schließlich übernahm er Mitte 1914 eine ärztliche Praxis in Dietzenbach bei Offenbach in Hessen.

Da er nicht gedient hatte, konnte er nach Kriegsbeginn 1914 seiner ärztlichen Praxis bis in das Jahr 1915 nachgehen; erst dann wurde er als Landsturmpflichtiger eingezogen und tat als Bataillonsarzt Dienst an der Westfront. Er erhielt auch das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Bald darauf erkrankte Morell an einem sich zur chronischen Krankheit entwickelnden Nierenleiden, dessentwegen er Monate in Lazaretten verbrachte. Jedoch tat er anschließend in Offiziers-Kriegsgefangenenlagern (Ohrdruff) Dienst, bis er Anfang 1918 vom Militär als dienstunfähig entlassen und versorgungsmäßig abgefunden, in das Zivilleben zurückkehrte - zunächst in seinem früheren Praxisort Dietzenbach.

Dort hielt es ihn jedoch nicht; er beschloß eine Praxisgründung in Berlin. Schon im Oktober 1918 nimmt er dort als Arzt für Erkrankungen der Harnwege und Elektrotherapie in der Bayreuther-Straße 7 die Tätigkeit auf und führt sie an gleicher Stelle bis zum Jahre 1935 durch, als er seine Praxis an den Kurfürstendamm 216 in eine bessere Gegend verlegt. (Unbelegt bleibt, ob er zwischenzeitlich auch in der Fasanenstraße praktizierte und ob er am Kurfürstendamm als „Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten“ firmierte.)

Wenn bezüglich der angeblichen Facharztbezeichnungen später bemängelt wurde, Morell habe sich als Facharzt für Harnwegserkrankungen, dem heutigen Urologen entsprechend, bezeichnet, ohne eine entsprechende Qualifikation nachzuweisen, so ist hierzu zu bemerken, daß es Facharztausbildungsvorschriften wie die heutigen im ersten Drittel dieses Jahrhunderts nicht gab. Morell wurde als Nierenkranker aus dem Militärdienst entlassen; sicherlich war er in dieser Zeit ärztlich tätig und erwarb sich entsprechende Kenntnisse. Die Elektrotherapie mit galvanischem und faradischem Strom war schnell zu erlernen, wenn man über die entsprechenden Geräte verfügte. Sie war auch zu damaliger Zeit als Mittel zur Behandlung zahlloser „Kriegszitterer“ lukrativ.

Als Hitlers Leibarzt nannte Morell sich später auch „Internist“; eine solche Bezeichnung, für die er nicht ausgebildet war, war zweifellos auch zu damaliger Zeit nicht rechtens. - Wiederholt wird nach dem Kriege von Morell-Gegnern behauptet, er sei in Geheimdienst-, Abtreibungs- und Suchtaffären verwickelt worden. Dies ist nicht aktenkundig zu machen und erscheint dem Verfasser aus Kenntnis der Charakterstruktur dieses Mannes unwahrscheinlich.

Im August 1919 heiratet Morell die 12 Jahre jüngere, anscheinend wohlhabende und geschäftlich versierte Johanna (Hanni) Moeller (1898-1983); die Ehe bleibt kinderlos, aber Frau Morell, später bis zu ihrem Tode wohnhaft in dem 1940 erworbenen Hamburger Hause Bellevue 42, wurde seine Vertraute in allen seinen geschäftlichen Dingen, Beraterin, auch Kritikerin und vor allem Aufpasserin in seinen Pharmabetrieben bis zum Kriegsende in beiderseitigem Interesse. Nachdem er sie 1943 zur Teilhaberin einiger seiner Firmen im Protektorat Böhmen-Mähren gemacht hatte, stattete er sie noch im Februar 1945 mit weitreichenden Vollmachten aus, obgleich die Beziehung während des Krieges nicht problemfrei blieb.

Doch zurück in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Morells nach den damaligen Möglichkeiten zeitgemäß, ausgestattete Praxis entwickelte sich zufriedenstellend, wenn auch nicht - seinen Einkommensnachweisen zufolge - dergestalt, daß er, wie Kritiker ihm nachsagen, zum reichen Modearzt wurde. Aus seiner Studienzeit in Frankreich und seiner Tätigkeit in Offiziers-Kriegsgefangenenlagern verfügte Morell anscheinend über ausreichende englische und französische Sprachkenntnisse und vielleicht auch über Beziehungen zur Interalliierten Kommission in Berlin, aber es ist nicht nachweisbar, ob ihm wegen seiner ärztlichen Fähigkeiten in den Jahren 1922 und 1925 wirklich das Angebot gemacht wurde, als Leibarzt des Schahs von Persien oder des Königs von Rumänien an deren Höfe zu kommen. Angaben hierüber stammen lediglich von Morell selbst. Man darf dabei nicht übersehen, daß er z.B. später über seine Schiffsreisen Phantastisches erzählte und wohl auch konfabulierte.

Im Jahre 1933 hielt Morell sich seines Aussehens wegen und auch weil er einen starken Einnahmeabfall bemerkte, für rassisch und politisch gefährdet. Deshalb wandte er sich Ende 1933 der NSDAP zu und wurde offenbar nach den erforderlichen Formalitäten ohne Schwierigkeiten Parteimitglied. Dies und auch die Praxisverlegung nach dem Kurfürstendamm 216 im Jahre 1935 bedeuteten einen Sprung nach oben; die Einnahmen stiegen, er konnte zwischen 1934 und 1937 zwei große Häuser in dem favorisierten Bad Heringsdorf an der Ostsee erwerben und als Pensionate betreiben. Seine Klientel bestand aus Angehörigen des hohen Adels, Künstlern, Schauspielern, Parteiangehörigen, Wirtschaftsführern. Auch privat scheint er in diesen Kreisen lebhaft verkehrt und zahlreiche Freunde gewonnen zu haben.

Sein Aufstieg zu einer Person von öffentlichem Interesse begann um die Jahreswende 1936/37, als ihn Prof. Heinrich Hoffmann, Hitlers Hoffotograf, von Morell mit Erfolg behandelt und zunächst auf ihn eingeschworen, dem Führer vorstellte. Dieser zog den Arzt ins Gespräch, klagte über Beschwerden und Leiden, ließ sich in einem Nebenraum des Hoffmann-Hauses in München untersuchen, beraten und mit bald sich einstellendem Erfolg behandeln. Die Besserung seines Zustandes machte Morell für Hitler nach und nach immer unentbehrlicher. Schon 1938 hatte er ihn - was Morell zur Einstellung eines Praxisvertreters, zunächst des späterhin berüchtigten Dr. med. Wohlgemuth, veranlaßte - auf seinen Deutschlandfahrten zu begleiten und ab Kriegs-, d.h. Feldzugsbeginn 1940 in Frankreich, ständig in seiner nächsten Umgebung zu verweilen.-

Dies war mit Schwierigkeiten verbunden; denn die militärisch, staatlich und politisch orientierte Umgebung des obersten Kriegs-, Staats- und Parteiherren wollte einem zivilen Außenseiter par exellence, wie Morell wohl einer war, den unmittelbaren Zutritt zum Lenker des Schicksals aller nach Kräften verwehren. Aber...

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