MORITZ VON SACHSEN
1521–1553
Sein Leben war kurz, sein Handeln umstritten, sein Aufstieg zum Kurfürsten beeindruckend.
Er begründet Dresden als kurfürstliche Residenz – und stirbt mit 32 Jahren auf dem Schlachtfeld.
Der Innenhof mit der reich dekorierten Loggia ist das Glanzstück des fast wieder aufgebauten Residenzschlosses und zeigt doch nur einen bescheidenen Teil des Sgraffitos 22 ( ? D 4), das ursprünglich die gesamte Fassade schmückte. Ein zweifarbiger Reigen aus Figuren, Spruchbändern und Ornamenten diente der Glorifizierung Moritz von Sachsens, der als Sohn eines Zweitgeborenen einer Wettiner Nebenlinie einen beachtlichen Aufstieg genommen und 1548 die sächsische Kurfürstenwürde erlangt hatte. Der Ausbau der burgähnlichen Wohnstatt seiner Ahnen in ein prächtiges Schloss zeigte seinen neuen Rang unter den Herrschern und mit den ausdrucksvollen Bildern auf der Fassade auch, dass ein moderner Geist in Sachsen eingezogen war, der Geist der Renaissance und Reformation.
Als Moritz heranwuchs, zog sich der Konflikt zwischen dem alten und dem neuen Glauben mitten durch seine Familie. Der regierende Herzog Georg der Bärtige, der den Neffen zu seinem direkten Nachfolger machen wollte, war katholisch, Moritz’ Eltern, Heinrich der Fromme und seine Frau Katharina, hingegen protestantisch. Moritz war mal in dem einen, mal in dem anderen Glauben erzogen worden und drohte zum Spielball der Interessen seiner Familie zu werden. Heiratspläne wurden geschmiedet.
Im Januar 1541 vermählt er sich eigenmächtig mit der 15-jährigen Agnes von Hessen, der Tochter des hessischen Landgrafen Philipp. Es ist eine überstürzte Hochzeit ohne fürstlichen Prunk, in Abwesenheit und gegen den Willen der Eltern des Bräutigams. Eine »unordentliche, ungöttliche« Ehe, wie die Mutter in Dresden zetert, ihr Vollzug würde den kranken Vater unter die Erde bringen und den Sohn der ewigen Strafe Gottes unterwerfen, da er gegen die Ordnung und gegen das vierte Gebot verstoße.
Zunächst hatte das sächsische Herzogspaar die Verlobung sogar gefördert, denn der Brautvater war Protestant wie sie und einer der Führer der Fürsten neuen Glaubens. Dann wurde bekannt, dass Philipp von Hessen in Bigamie lebte und damit nicht nur gegen weltliches und göttliches Gesetz verstieß, sondern im Falle einer Eheschließung auch die Reputation des sächsischen Herrscherhauses gefährdete.
Doch Moritz hatte Agnes ein Eheversprechen gegeben, an dem auch sein Ruf als zukünftiger Regent hing, und er war seinem christlichen Gewissen gefolgt. Er habe lieber freien als brennen wollen, erklärt er den Eltern, allein dadurch hätte er ein »unzüchtiges Wesen« vermeiden können.
Wenige Monate nach der Eheschließung wird Moritz Regent. Er schickt seine Mutter in ihre bescheidene Freiberger Residenz, entlässt die Räte, die gegen seine Ehe mit Agnes gewesen waren, und ersetzt sie durch humanistisch gebildete Männer seines Alters von der Juristischen Fakultät in Leipzig. Bald nach seinem Regierungsantritt ordnet er die Gründung von drei Lehranstalten an, die auch geeignete bürgerliche Kinder besuchen konnten, unter anderem die »fürstliche Landesschule St. Afra in Meißen«, an der heute noch Hochbegabte unterrichtet werden.
Moritz will ein moderner Herrscher sein, ein unabhängiger Landesfürst mit vermittelnder und entscheidender Stimme unter den Großen seiner Zeit, dem katholischen Kaiser Karl V. und den protestantischen deutschen Fürsten des Schmalkaldischen Bundes, an dessen Spitze neben dem Schwiegervater auch sein Vetter zweiten Grades steht, der sächsische Kurfürst Johann Friedrich I.
EIN ENTSCHLOSSENER JUNGER MANN
Als Moritz Regent wird, sind die Wettiner Lande, einst die größten nach den Habsburgern, in albertinische und ernestinische Gebiete geteilt. Moritz’ Großvater Albrecht der Beherzte und dessen älterer Bruder Ernst hatten 1485 durch die »Leipziger Teilung« zwei Territorien geschaffen, die sie gemeinsam regierten und in denen die Ernestiner, 1541 in Person Johann Friedrichs, die sächsische Kurwürde trugen.
Moritz’ ernestinischer Vetter schickt sogleich Bewaffnete in ein umstrittenes Gebiet, in der Überzeugung, sein junger albertinischer Verwandter werde keine Gegenwehr leisten. Aber er täuscht sich. Moritz mobilisiert seine Truppen, bittet den Schwiegervater um militärische Hilfe und Martin Luther um Vermittlung. Der »Wurzener Fladenkrieg« von 1542 endet unblutig. Man isst gemeinsam Osterfladen, der junge Herzog hatte allen gezeigt, dass er zwar unerfahren, aber nicht unentschlossen ist.
Moritz ist klug genug, nicht dem zerstrittenen Schmalkaldischen Bund beizutreten, aber einem Dienstvertrag mit dem Kaiser kann er sich nicht versagen. Zunächst zieht er für Karl V. in den Krieg gegen die Türken. Beinahe wäre er nicht zurückgekehrt, weil er aus Übermut mitten in das feindliche Heer geriet. Moritz überlebt und hat eine wichtige Lektion über »fraidigkeit«, unbedachte Waghalsigkeit, gelernt: »Es soll uns aber diese fraidigkeit … furaan ein exempel geben uns nit als gah auf die fart zemachen.«
Als er die vom Kaiser befohlene Kriegsreise in die Niederlande unternimmt, gilt sein Interesse dem Festungsbau. Moritz hatte seinen Baumeister Caspar Voigt von Wierandt mitgenommen, der nach ihrer Rückkehr eine neue Befestigungsanlage für Dresden entwirft, eine hochmoderne Bastionärbefestigung, wie sie keine andere deutsche Stadt seinerzeit hatte. Es ist ein gewaltiges Bauvorhaben, dessen Fertigstellung Moritz nicht mehr erleben wird.
Das Moritzmonument in der Festungsmauer markiert die Stelle, bis wohin der Bau in seinem Todesjahr vorangeschritten war. Die Sandsteinarbeit, das älteste erhaltene Denkmal Sachsens, stand ursprünglich an der Hasenbergbastion (anstelle der heutigen Landeszentralbank) und wird in den Kasematten unter der Brühlschen Terrasse 4 ( ? E 4) aufbewahrt. Eine leicht zu übersehende Pforte am Georg-Treu-Platz ist der Zugang zum düster-wehrhaften Dresden unter der lichten Eleganz der barocken Oberwelt. Als Kopie ist das Moritzmonument auch an der Außenmauer der Jungfernbastei 19 ( ? F 4) an der Nordostseite der Befestigung zu sehen.
Als Moritz 1546 mit dem Festungsbau 11 ( ? F 4) beginnt, ist er um einige Illusionen ärmer hinsichtlich politischer Zusagen und der eigenen Macht. Die anderen Reichsfürsten nehmen den jungen Herzog nicht ernst, sein Schwiegervater missbraucht sein Vertrauen als Vermittler, und selbst der Kaiser hält ihn mit leeren Versprechungen hin.
Moritz soll wieder für ihn in den Krieg ziehen. Diesmal gegen seinen Vetter Kurfürst Johann Friedrich, über den Karl V. die Reichsacht verhängt hat. Moritz soll die Strafe vollstrecken. Der Kaiser verspricht ihm dafür die sächsische Kurwürde und die Ländereien der Ernestiner.
Moritz zögert. Mit Johann Friedrich greift er den ganzen Schmalkaldischen Bund an, dem auch sein Schwiegervater angehört und dessen protestantische und reichspolitische Ziele er teilt. Andererseits steht das Heer des kaiserlichen Bruders, des böhmischen Königs Ferdinand, angriffsbereit an der sächsischen Grenze. Der Regent muss sich entscheiden und besetzt die ernestinischen Gebiete.
In der Schlacht bei Mühlberg 1547 unterliegen Johann Friedrich und der hessische Landgraf. Moritz handelt mit kaiserlichen Vertretern aus, dass der Schwiegervater freies Geleit bekommt, wenn er sich »auf Gnade und Ungnade« dem Kaiser stellt. Moritz selbst begebe sich als Geisel zu den Söhnen des Landgrafen, falls die Zusage nicht eingehalten würde. Später wird die kaiserliche Seite behaupten, der Landgraf hätte gelacht, als er vor dem Kaiser kniete, ein gewaltiger Affront, der den Zorn des Kaisers erregt und die Zusage hinfällig gemacht hätte. Der Landgraf kommt in Gefangenschaft, Moritz wird als »Judas von Meißen« beschimpft, weil er die protestantische Sache verraten habe.
NEUE POLITISCHE TAKTIK
Der Kaiser zeigt sich zudem weniger dankbar als versprochen. Moritz bekommt nicht das ganze Land der Ernestiner, er muss die Schulden und den Unterhalt seines Vetters übernehmen. Aber noch im Feldlager wird er zum sächsischen Kurfürsten erhoben.
Die offizielle Zeremonie erfolgt im Februar 1548 auf dem Reichstag in Augsburg. Auf dem Weinmarkt wird Moritz unter Trompetengeschmetter und Trommelwirbel, begleitet von Reitern in rotem Samt, mit der Kurwürde belehnt. Nach der Übergabe des Kurschwerts durch Karl V. gelobt Moritz Kaiser und Reich Gehorsam. Mit der kurfürstlichen Belehnung machte der Kaiser den 27-Jährigen zu einem der wichtigsten Landesherren des Heiligen Römischen Reiches, durch seine gebrochenen Versprechen aber auch zu einem seiner bedeutendsten Widersacher. Seit der Gefangennahme des Vetters und des Schwiegervaters steht Moritz an der Spitze der protestantischen Fürsten. Mit ihnen und dem französischen König schmiedet er eine Allianz gegen Karl V.
Offiziell kämpft er als Geisel der hessischen Prinzen, während sein Bruder...