DSCHUNGEL-GEFÜHLE
GEFÄHRLICH, FEUCHT UND DUNKEL?
Eine Schlange macht noch keinen Dschungel.
Friedrich Löchner (eigentlich Erich Ellinger), dt. Pädagoge
(1915 - 2013)
GEDANKEN AN DEN DSCHUNGEL
Nun, was stellt sich die Durchschnitts-Bürgerin bzw. der Durchschnitts-Bürger vor, wenn sie/er an den Dschungel denkt?
Er denkt an Bäume, hohe Bäume. An viele Bäume, eben an Wald, an einen undurchdringlichen Wald. Er denkt an Bäume so hoch, dass die Sonne nicht zu sehen ist. Bäume so dicht, dass eine Machete (eine Art Säbel) gebraucht wird, um sich durch das Dickicht zu schlagen. Natürlich viele Lianen, kreuz und quer. Und dann die Luftfeuchtigkeit. Ui – sehr hoch – sehr feucht. Es ergeben sich peinlich deutliche Schwitzflecken unter den Achseln, auf dem Hemd bzw. der Bluse. Und tellergroße Schwitzflecken auf dem Rücken und auf der Brust. Schweißperlen stehen auf der Stirn, das Gesicht glänzt feucht. Der Körper ist klitschnass. Die Kleidung klebt am Körper. Die Schuhe scheinen sich tonnenschwer durch den modrigen und glitschigen Matsch zu quälen.
Und dann: es schwirrt überall. Fliegen, Mücken, Käfer, teilweise so klein, dass sie nur als dunkle Pünktchen auf der Kleidung zu erkennen sind.
Dauernd muss mit der Hand gewedelt werden, um hinderliche Insekten zu verscheuchen. Immer mal wieder muss ein scharfer Luftstoß durch die Lippen gepresst werden, um die lästigen Insekten, die sich auf der Lippe und der Oberlippe niedergelassen haben, zumindest für ein paar Sekunden, zu verscheuchen. Dauernd entsteht das Gefühl, dass sich ein lästiges und ärgerliches Insekt unter den Hemdkragen verirrt hat. Es juckt und beißt hier und dort, genaugenommen überall.
Und schließlich die Geräusche. Überall zischt, zirpt und züngelt es. Gellendes Gekreische unterbricht die sowieso schon mächtige Geräuschkulisse. Es quakt und knackt an allen Seiten, vorn, aber auch hinten, so dass sich keiner sicher sein kann, wer oder was sich hinterlistig um einen tummelt.
Und hat sich nicht eben dort vorne etwas bewegt? Hier knackt es ganz deutlich. Plötzlich das irre Kreischen wild aufflatternder Paradiesvögel und bunter Papageien.
Dabei ist es ziemlich beruhigend zu wissen, dass sich die meisten Gift- und Würgeschlangen nicht die Bohne um den Menschen kümmern. Aber wissen das die Schlangen auch wirklich? Die zarten, schlanken, aber blitzschnellen Giftschlangen, die harmlos an den Ästen herunterhängen? Und dann unerwartet auf das Opfer zustoßen. Ein kurzer, kräftiger, knackender Biss, kaum mehr als eine kleine Betäubungspritze beim Zahnarzt – und schon wird alles um einen herum wohlig und warm. Bizarre Farben und Formen bilden sich vor den Augen. Ein Gefühl der unendlichen Freiheit, der Unbesorgtheit, stellt sich ein. Das schwache Licht, das das dichte Blätterdach durchlässt, wird immer diffuser. Die vielfältigen Geräusche treten in den Hintergrund der Gefühlswahrnehmungen. Eine seltsame, beruhigende Schwere im Körper stellt sich ein. Ein Lächeln huscht auf das Gesicht. Ein letzter Atemhauch entwindet zwischen den blässlichen, bläulichen Lippen.
Tja, das war’s dann wohl mit der Expedition durch den Dschungel. Die Würgeschlangen müssen auf ein anderes Opfer warten. Die mit vielen Pflanzen überwucherten steinalten Monumental- und Ritualbauten müssen auf den nächsten mutigen Entdecker warten. Sie harren sowieso schon Jahrzehnte, teilweise Jahrhunderte aus. Da kommt es auf ein Menschenleben nicht an.
DSCHUNGEL ODER REGENWALD
So ist das bei vielen, wenn sie über den Dschungel nachdenken. Dabei wird allerdings häufig großzügig darüber hinweggesehen, dass der Dschungel nur in bestimmten, ganz genau umrissenen Gebieten als solcher genannt wird.
In der uralten Hindi-Sprache, die überwiegend im Norden und in der Mitte Indiens gesprochen wird, gibt es das Wort ‚jangal‘. Dieses Wort findet seinen Ursprung in dem altindischen Sanskrit-Wort ‚jangala‘. Und dieses Wort stand für ein Gebiet, das nicht wertvoll genug erschien, bearbeitet zu werden. Konkret stand es für die Wildnis, die Wüste, den Wald ganz allgemein, aber auch für Ödland, für alle Landstriche, die für den früheren Menschen unfruchtbar waren bzw. auf denen nichts anzubauen war.
Später besetzten die Briten die indischen Gebiete. Und wie das oft so ist, werden bestimmte Begriffe in die eigene Sprache übernommen. Die dort lebenden Briten kreierten aus ‚jangal‘ das englische Wort ‚jungle‘, mit dem sie den subtropischen Monsunwald bezeichneten. Daraus entstand das bei uns gebräuchliche Wort Dschungel.
DIE DSCHUNGEL-LÄNDER
Und wo befindet sich nun der ‚echte‘ Dschungel? Zunächst gibt es eine Eingrenzung nach Breitengraden. Der Dschungel befindet sich zwischen dem nördlichen und dem südlichen Wendekreis.
Das sind der 23ste nördliche und 23ste südliche Breitengrad. Dieser Bereich ist als Tropen bekannt. Und dort, also weder nördlicher, noch südlicher, treffen wir auf Dschungelgebiete.
Und dann eine Einschränkung nach Gebieten. Denn ausschließlich in Süd-Ostasien werden die auf der Skizze dargestellten geographischen Gebiete als Dschungel bezeichnet. Immerhin umfassen etwa 2.340.000 Quadratkilometer der Erde die Dschungel-Gebiete. Zum Vergleich: Die Bundesrepublik Deutschland weist eine Fläche von ca. 357.121 Quadratkilometern als ihr Staatsgebiet auf. Nehmen wir Deutschlands Fläche sechseinhalbmal nebeneinander, haben wir das Dschungelgebiet der Welt. Aufpassen, dass Sie sich darin nicht verlaufen ...
Die hier aufgelisteten Länder dürfen für sich in Anspruch nehmen, ein Dschungelgebiet zu haben (laut der Website faszinationregenwald.de, Stand Januar 2017, wobei die Zahlen in Klammern jeweils die Dschungelfläche im qkm angeben. Auflistung nach Größe der Dschungel-Fläche; die ersten vier Länder mit Größenangaben, die allerdings je nach Quelle variieren):
Indonesien
(950.000)
(360.000)
(320.000)
(290.000)
Die Zahlenangaben zu diesen Flächen sind nicht statisch. Angeblich wurden alleine in Indonesien 20.000 Quadratkilometer Wald gerodet. Und zwar pro Jahr! So kann der Dschungel ausschließlich in Süd-Ostasien erlebt werden. Ausschließlich dort.
Fälschlicherweise wird in Filmen und in der Literatur der Dschungel auch in andere Regionen dieser Welt gelegt. Diese künstlerische Freiheit ist natürlich in Ordnung. Tatsächlich ist die Benennung aber leider falsch. Hier muss korrekterweise über Urwald oder Regenwald gesprochen werden. So werden fälschlicherweise folgende Gebiete dem Dschungel zugerechnet:
Afrika mit seinem Kongo-Becken und in Südamerika, das etwa dreimal so große Amazonien. Beide zusammen haben eine Fläche von etwa 13.000.000 Quadratkilometern. Hier finden wir demnach den Regenwald.
MACCU PICCHU IN PERU
Wohlwissend, dass es in Peru keinen Dschungel gibt, passt hier trotzdem ein kleiner Ausflug nach Maccu Picchu, der verschwundenen und vom Regenwald überwucherten Stadt im äußersten Winkel des peruanischen Amazonasgebietes. Dort auch als ‚Augenbraue‘ des Amazonas benannt.
Hier ein kurzer Erfahrungsbericht zu dieser mysteriösen Ausgrabung (Erfahrungsbricht des Autors, 2013):
Und endlich ist es soweit. Die nicht ganz zweistündige Fahrt von Cuzco mit der Schmalspurbahn bringt uns an den Rand des Amazonas-Gebietes. Neben einem 4-tägigen Fußweg, dem sogenannten Inka-Trail oder einem Hubschrauberflug, sind sie einzige Möglichkeiten, ans Ziel zu gelangen. Unser Scout bezeichnet diese Gegend als ‚Augenbraue des Amazonas‘. Angelangt im Städtchen am Fuße des Maccu Picchu erwarten uns kleine Shuttlebusse, die ständig nach oben zur vergessenen Stadt fahren. Sein Entdecker als nannte sie ‚alte Bergspitze‘. Diese Stadt Vilcabamba (heute als Maccu Picchu bezeichnet) wurde von den Spaniern bei den wilden Eroberungsfeldzügen übersehen, wucherte zu und wurde erst 1911 entdeckt.
Und da liegt sie vor uns: eine der heute bekanntesten Ruinenstädte, intelligent auf einem Bergrücken erbaut, für wahrscheinlich 4.000 Menschen. Alles findet sich dort: ein Zeremonienplatz, Wohnhäuser, ein Sonnentempel, eine gigantische und clever angelegte Bewässerungsanlage sowie fast fertig behauene...