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Auf dünnem Eis

Ich wagte zu beten - und mein toter Sohn lebte

AutorGinger Kolbaba, Joyce Smith
VerlagSCM Hänssler im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl328 Seiten
ISBN9783775174121
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Joyce Smiths Sohn bricht in einen zugefrorenen See; 20 Minuten ist er unter Wasser verschollen. Als er schließlich geborgen wird, ist er tot. Doch Joyce nimmt all ihren Glauben zusammen und wendet sich mit einem letzten verzweifelten Schrei an Gott - und das Herz ihres Sohnes beginnt wieder zu schlagen. Es folgen bange Tage, in denen Johns Leben am seidenen Faden hängt. Doch entgegen aller Expertenmeinungen kann er sechzehn Tage später das Krankenhaus verlassen - völlig geheilt.

Joyce Smith wurde in Wichita, Kansas, geboren, wuchs in Ohio auf und lebte an verschiedenen Orten in den USA sowie in Kanada und Deutschland. Sie hat vier Söhne und fünf Enkelkinder.

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Leseprobe

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2.


AUF DÜNNEM EIS


Montag, 19. Januar 2015

Um 11:35 Uhr ertönte der Alarm bei der Feuerwehr Lake St. Louis und bei der des Nachbarbezirks Wentzville.

Als die ersten Helfer auf dem Weg zum See waren, gelang es Josh Sander gerade, ein Stück festes Eis zu ergreifen und sich aus eigener Kraft herauszuziehen. Halb kriechend, halb rutschend erreichte er schließlich den Bootssteg beim Klubhaus, der der Einbruchstelle am nächsten gelegen war. John und Josh Rieger strampelten immer noch wie wild im Wasser und gingen immer wieder unter. Schließlich schaffte es John, Josh über den Rand der Eisfläche zu schieben, während er verzweifelt versuchte, sich auch selbst herauszuziehen.

Die Polizeibeamten Rick Frauenfelder und Ryan Hall saßen gerade in der Polizeidienststelle Lake St. Louis, schrieben Berichte und arbeiteten die Aktenstapel auf ihren Schreibtischen ab, als der Notruf sie erreichte. Drei Teenager seien auf dem Lake Ste. Louise ins Eis eingebrochen. Augenblicklich ließen sie alles liegen und rannten zu ihren Streifenwagen. Mit Blaulicht und Sirenen rasten die beiden Polizisten zum nahe gelegenen See. Officer Hall fuhr um den See herum zur anderen Uferseite hinüber, Officer Frauenfelder zum Anlegesteg beim Klubhaus. Keiner von beiden wusste, wo die Jungen genau eingebrochen waren. Wenn sie sich aufteilten, würde einer von ihnen die Stelle hoffentlich schnell finden.

Als die Beamten am See eintrafen, befanden sich der Brandmeister des Feuerwehrbezirks Wentzville, Chief Mike Marlo, und seine Frau Kathy gerade mit ihrem Wagen auf dem Weg ins Zentrum von Wentzville zur Parade anlässlich des Martin-Luther-King-Gedenktags. Sie sollten dort die Rettungskräfte ihrer Gemeinde vertreten – eine gute Sache, die sie gern unterstützten. Sie waren fast am Ziel angelangt, als der Feueralarm einen Notruf ankündigte. Chief Marlo horchte genau auf die Ansage: »Eisrettungseinsatz, drei dreizehn bis fünfzehn Jahre alte Jungen, Lake Ste. Louise.« Als Bezirksbrandmeister übernahm Marlo zwar keine Bereitschaftsdienste, er fühlte sich aber irgendwie gedrängt, in diesem Fall selbst dabei zu sein. Ohne genau erklären zu können, warum, wusste er, dass er dort gefragt war.

Er sah seine Frau an und sagte: »Wir fahren zu diesem Einsatz.«

Zu diesem Zeitpunkt hatte gerade die 48-Stunden-Schicht von Tommy Shine, der bereits seit elf Jahren dem Feuerwehrbezirk Wentzville angehörte, und seiner Einheit begonnen. Dies war der ideale Moment für einen Abstecher zum Lebensmittelladen, um für ihre Zeit im Feuerwehrhaus einzukaufen. Die Männer hatten gerade den Supermarkt betreten und ihren Einkaufswagen durch die Obst- und Gemüseabteilung geschoben, als sie ein Notruf erreichte: Kinder seien ins Wasser gefallen, eines davon komplett untergegangen.

Die Feuerwehrmänner ließen ihren Einkauf stehen und rannten hinaus zu ihrem Löschfahrzeug.

Nur Minuten nach dem Notruf traf Officer Frauenfelder um 11:38 Uhr als Erster am Ort des Geschehens ein, dicht gefolgt von den Beamten Ryan Hall, Tyler Christeson, Cody Fry und Detective Sergeant Bret Carbray. Josh Sander rutschte zu diesem Zeitpunkt bäuchlings über das Eis und war schon fast am Bootssteg angekommen, durchnässt und durchgefroren, aber in Sicherheit. Die Beamten sahen, wie sich Josh Rieger verzweifelt an einer Eisplatte – dem größten und stabilsten Eisblock – festklammerte. Er konnte sich aber nur noch mit Mühe halten, denn seine Kräfte ließen nach. John tauchte immer wieder unter, schlug um sich, paddelte platschend mit den Armen und versuchte, irgendetwas Festes zu ergreifen. Aber bei jedem Griff nach dem Eis löste sich ein Brocken und er fand keinen Halt.

»Hilfe! Helft uns!«, schrien Josh und John, als sie die Männer erblickten.

Rick Frauenfelder und Ryan Hall rissen ihre Waffengürtel, Jacken und restliche Montur herunter und rannten zum Seeufer. Ohne Zeit zu verlieren, gingen die beiden Polizisten sofort hinaus aufs Eis. Sie wussten, dass Bret Carbray sie noch mit Rettungsausrüstung aus dem Kofferraum ihrer Streifenwagen versorgen würde. Sie waren ungefähr vier Meter weit gekommen, als Bret ihnen Schwimmwesten und Seile zuwarf. Schnell zogen sie die Westen über und krochen auf allen vieren weiter hinaus, aber Frauenfelder stellte fest, dass das Eis matschig und mürbe war – kein gutes Zeichen. Mit jeder Bewegung gab es etwas mehr nach. In seinen fünfzehn Dienstjahren als Polizeibeamter – acht davon bei der Dienststelle Lake Ste. Louise – war er schon zu unzähligen Einsätzen auf diesen See gerufen worden, aber keiner davon war so ernst gewesen. Diese Teenager waren in Lebensgefahr und er war sich nicht sicher, ob er ihnen helfen konnte. Aber versuchen würde er es.

»Dreht euch auf den Rücken und legt euch flach aufs Wasser! Bleibt ruhig! Und versucht nicht, allein herauszukommen«, rief er den Jungen zu, denn er befürchtete, dass sie sich in ihrer Panik selbst noch mehr schaden würden. Doch die Jungen waren schon so hysterisch, dass sie auf seine Anweisungen nicht mehr hören konnten. Frauenfelder versuchte, schneller vorwärtszukommen, aber das Wasser bildete bereits Pfützen und die Eisfläche wurde zur Mitte hin immer dünner.

Mittlerweile war John in dem eiskalten Wasser so außer Kräften und unterkühlt, dass er sich immer nur für kurze Zeit über Wasser halten konnte. Schließlich ging er ganz unter.

Der Feuerwehr-Rettungswagen Medic 9 und die Einheit 9224 der Feuerwehr Lake St. Charles trafen um 11:43 Uhr ein, als von einem der Jungen nur noch der Kopf aus dem Wasser ragte. Er konnte sich nur mühsam an einer dünnen Eisplatte festklammern, die von dem festeren Eis wegzubrechen drohte. Nach zehn Minuten im Wasser waren seine Muskeln geschwächt, seine Koordination hatte nachgelassen und er war mit seinen Kräften am Ende. Das Blut zog sich von den Extremitäten immer mehr zur Körpermitte zurück, um das Überleben zu sichern. Es war nur eine Frage von Sekunden, bis er untergehen würde.

Inzwischen kümmerten sich die Sanitäter um Josh Sander, der es bis zum Ufer geschafft hatte. Sie wärmten ihn mit einem sogenannten Bair Hugger – einer speziellen Wärmedecke – und behandelten seine Unterkühlung. Die in Eis-Schwimmanzüge gekleideten Feuerwehrmänner packten ein Rettungsbrett und machten sich auf in Richtung offenes Wasser.

Die beiden Polizeibeamten waren bereits durchnässt und durchgefroren, aber erst auf halbem Weg zu den beiden Jungen. Als Rick Frauenfelder sah, dass Ryan Halls Beine schon mit Wasser bedeckt waren, sagte er zu ihm: »Wir müssen zurück.« Langsam drehten sie um und kehrten ans Ufer zurück.

Nur wenig später sprang Chief Marlo aus seinem Wagen und kämpfte sich durch die wachsende Menge an Rettungskräften, Sanitätern und Schaulustigen, um das Kommando zu übernehmen. Der Anblick des Sees mit dem aufgebrochenen Eis und dem offenen Wasser überall erschütterte ihn zutiefst. Ein Junge wurde gerade behandelt. Das Leben des zweiten hing an einem seidenen Faden. Kein Anzeichen vom dritten. Hätte es nur ein einziges Loch im Eis gegeben, hätte er sich ausrechnen können, dass John sich in der Nähe befinden musste, aber das war nicht der Fall. Ein riesiger Bereich der Eisfläche war eingebrochen und es gab keinen Hinweis auf John. Er konnte überall sein, mitgerissen von Unterwasserwellen. Und er war nun schon mehrere Minuten unter Wasser …

Chief Marlo wollte unbedingt herausfinden, wo sich dieser dritte Junge befand. Er ließ Ron Wilson rufen, um im Einzelnen zu erfahren, was der Vereinsmanager beobachtet hatte. »Wo haben Sie diese Kids gesehen? Und vor allem, wo haben Sie sie zuletzt gesehen?«

»Dort draußen«, antwortete Ron und zeigte mit dem Finger über den See.

»Natürlich dort draußen, wo denn sonst?«, entgegnete Chief Marlo genervt. »Aber wie weit dort draußen? Neunzig Meter? Dreißig Meter?«

Officer Frauenfelder kam angelaufen und zeigte ihm die Richtung. Dann rief einer der Feuerwehrmänner: »Chief, wenn die Einheit vierzehn aus Wentzville kommt, lassen Sie sie dort suchen, ungefähr fünfundzwanzig Meter vom Bootssteg entfernt. In dem Bereich ist das Wasser schätzungsweise nur drei Meter tief.«

Drei Meter tiefes Wasser war definitiv besser als fünfzehn Meter tiefes, denn wenn ein Teenager zu ertrinken droht, wären fünfzehn Meter genauso schlimm wie einhundertfünfzig Meter.

Der Brandmeister war noch nicht bereit, die Suche als die Bergung eines Ertrunkenen zu betrachten. Aber zweifellos konnte es dazu kommen, daher war das Tauch- und Bergungsteam schon auf dem Weg. Doch wenn nur irgendeine Chance bestand, dass dieser Junge noch am Leben war, würden die Feuerwehrmänner alles Menschenmögliche tun, um ihn zu finden und zu retten.

Chief Marlo sandte seinen Leuten Anweisungen über Funk. »Holt die Dreimetereinreißhaken! Dort wo ihr suchen müsst, ist das Wasser ungefähr drei Meter tief. Und seht zu, dass ihr eure Eisanzüge anzieht!«

Tommy Shine, der bereits im Wentzviller Löschfahrzeug auf dem Weg war, packte seinen Eisschwimmanzug, als er Chief Marlo hörte. Einmal am Ziel wollte er keine Sekunde verlieren. Während das Fahrzeug mit heulender Sirene im Eiltempo zum Einsatzort raste, legte Shine seine Feuerwehruniform und -ausrüstung ab und zwängte sich in einen hellgelben wasser- und kältedichten Gummianzug, in dem er aussah wie ein Raumfahrer.

Der Feuerwehrmann war dankbar, dass seine Einheit erst in der Woche zuvor ein Eisrettungstraining auf dem Lake St. Louis absolviert hatte. Das Training zeigte seine Wirkung und er zwang sich, gleichmäßig zu atmen und ruhig zu bleiben. Er hatte eine Aufgabe....

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