Der empirische Teil gliedert sich grob in fünf Kapitel. In Kapitel 1 wird das untersuchte Modellprojekt beschrieben. Kapitel 2 liefert die begründete Wahl des Forschungsdesigns. Im dritten Kapitel werden die geführten Interviews ausgewertet und anschließend in Kapitel 4 die Ergebnisse präsentiert. Kapitel 5 dient abschließend der Reflexion des Forschungsprozesses.
Das Modellprojekt lernen. just in time – Unternehmenspartner im Netz war ein
Modellprojekt zur nachhaltigen Förderung der Qualifizierung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Es wurde als Folgeprojekt[60] von Juni 2004 bis Dezember 2004 durchgeführt und durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) sowie die Berliner
Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen mit einer Summe von 164.800 € gefördert. Projektträger war die structura, Gores-Pieper, Voß GbR, ein „Beratungsunternehmen, das die Entwicklung von Menschen und Organisationen fördert und unternehmerisches Handeln unterstützt“ (www.structura.de, Zugriff am 20.02.2006). Ziel des Projektes war die Entwicklung von onlinebasierten E-Learning-Angeboten für mithelfende Familienangehörige und Mitarbeiter/innen in kleinen und mittleren Handwerksbetrieben. Es wurden 15 Teilnehmer/innen[61] aus Unternehmen in dem so genannten Zielgebiet 2, d.h. bestimmte Gebiete des ehemaligen Westberlins, akquiriert für die die Teilnahme kostenlos war. Gebühren fielen nur für Internetzugang und -nutzung zu Hause und/oder am Arbeitsplatz an. Ein Zertifikat gab es nicht.
Zwei Charakteristika des Projektes sind bereits in der Namensgebung angesprochen. Zum einen die Bereitstellung und Abrufung der Lernmodule just in time, d.h., dass Weiterbildung termingerecht direkt an den Arbeitsplatz geliefert und dort passgenau zum konkreten Problem abgerufen und gelernt werden kann. Zum anderen die Schaffung eines Netzwerkes mit den beteiligten Unternehmen, zum gegenseitigen Austausch und zur Kooperation untereinander. Weitere zentrale Merkmale sind: Lernberatung, individuelles Lernen, kooperativer Austausch und Methodenmix.
Am Anfang steht die individuelle Lernberatung (Einführungsgespräch) vor Ort. Ein Mitarbeiter des Modellprojektes ermittelt die aktuellen Handlungsprobleme im
Arbeitsalltag der Teilnehmer/innen[62] und leitet daraus den (Lern-)Bedarf ab. Er leistet ebenso technische Hilfe, begleitet beispielsweise die Teilnehmer/innen beim erstmaligen Aufrufen der Lernplattform und -module. Die ermittelten Qualifizierungsbedarfe werden in praxisnahe, voneinander unabhängige Lernmodule mit einer maximalen Bearbeitungsdauer von einer Stunde umgesetzt und können individuell direkt am Computer oder aber ausgedruckt auf Papier bearbeitet werden. Muss/Soll das Lernen unterbrochen werden, kann der Bearbeitungstand online im Lernmodul durch ein Lesezeichen (Bookmark) markiert werden. Insgesamt wurden somit 19 Lernmodule aus den Themenbereichen Finanzen, Organisation, EDV und Kunden (Dienstleistung) entwickelt, die über den persönlichen Schreibtisch[63] im Lernzentrum durch die Teilnehmer/innen aufzurufen sind (siehe Abbildung 5 unten).
Abbildung 5: Persönlicher Schreibtisch im Lernzentrum
Des Weiteren bietet die Lernplattform neben individuellem Lernen die Möglichkeit des kooperativen Austausches der Teilnehmer/innen untereinander und der Teilnehmer/innen zu Tutoren und Dozent/innen. Zum einen kann online auf der Lernplattform unter den Rubriken Netzwerk und Gruppenräume (vgl. Markierung in Abbildung 6 unten), nach Teilnehmer/innen gesucht werden[64], die gerade online sind (ausführl. siehe Community Awareness-Funktion Seite 28) oder das gleiche Thema bearbeiten. Es kann gechattet werden oder es können Beiträge ins Diskussionsforum eingestellt werden.
Abbildung 6: Homepage des Modellprojektes
Zum anderen werden regelmäßige Präsenz-Lerngruppentreffen arrangiert, in denen einzelne Themen mit einem Experten und in kollegialer Beratung im Sinne des Erfahrungsaustausches untereinander besprochen und gegebenenfalls auch erprobt[65] werden.
Abschließendes zentrales Charakteristikum des Modellprojektes ist die Wahl eines Methodenmixes bestehend aus Präsenz- und Online-Anteilen, wie weiter oben bereits erkennbar wurde. Es gab eine Präsenz-Auftaktveranstaltung, in der sich die Teilnehmer/innen kennen lernen konnten. Erleichtert wurde das Kennen lernen über ein Unternehmenstheater[66], das typische Abläufe im Familienunternehmen auf
amüsante Weise darstellte. Eine technische Einführung fand an diesem Termin nicht statt, sondern erfolgte vor Ort bei den Teilnehmer/innen während des Einführungsgespräches. Weiterhin gab es mehrere Lerngruppentreffen zu spezifischen Themen die ebenfalls Face-to-Face stattfanden. Auch online konnten Interaktionen stattfinden, beispielsweise über Chats, Foreneinträge und E-Mails, wobei daran zu erinnern ist, dass Chats synchrone wohingegen Forum und E-Mails asynchrone Kommunikationswege darstellen (siehe Abschnitt 1.4.1ff).
Daraus kann geschlussfolgert werden, dass das Modellprojekt lernen. just in time – Unternehmenspartner im Netz keinesfalls ein reines E-Learning-Projekt im strengeren Sinne ist, sondern es sich vielmehr um ein Blended Learning Szenario (siehe Abschnitt 1.6) handelt, aus dessen Angebot die Teilnehmer/innen auswählen konnten und keineswegs verpflichtet waren, an allen Formen teilzunehmen.
Das beschriebene Konzept soll nochmals durch die folgende Abbildung 7 prozessual illustriert werden.
Abbildung 7: Gesamtkonzept des Modellprojekts (Kötzle 2004: 3)
Obwohl noch viele weitere Charakteristika des Modellprojektes aufzuzählen wären, soll es bei dieser kurzen Vorstellung bleiben, denn innerhalb der Auswertung wird auf weitere Merkmale und deren Nutzung und Akzeptanz durch die Teilnehmerinnen eingegangen. Dort dienen sie illustratorisch der präziseren Darstellung. Doch vor der Auswertung wird im Folgenden die Basis dessen, nämlich das Forschungsdesign vorgestellt.
Das Forschungsdesign setzt sich zusammen aus begründeter Methodenwahl und deren Kurzbeschreibung (Abschnitt 2.1), der Durchführung der Erhebung (Abschnitt 2.2) und der gewählten Auswertungsmethodik (Abschnitt 2.3). Um den Interpretationsprozess für die Leser nachvollziehbar zu machen, fordert Lamnek das methodische „Prinzip der Explikation“ (Lamnek 1989: 26f), welches besagt, dass die Einzelschritte der Untersuchung offen gelegt werden sollen, wodurch die Akzeptanz dieser erhöht wird.
Die vorliegende Arbeit untersucht die Akzeptanz und das Nutzerverhalten von Teilnehmerinnen eines E-Learning Modellprojekt in Berlin. Wie bereits dargestellt, liegen eine Vielzahl von Statistiken über die Nutzung und Verbreitung von E-Learning vor, doch mangelt es immer noch an qualitativen Studien (vgl. Grotlüschen 2003).
Aufgrund der Begleitung des Modellprojektes als Praktikantin und der ausführlichen Projektdokumentation bietet es sich an, eine Methodenkombination aus qualitativem Interview und quantitativer Messung zu wählen.
Inhaltlich begründet sich diese Wahl folgendermaßen: Der Akzeptanz von E-Learning liegen subjektive Begründungsmuster zu Grunde, die allein durch ermittelnde Interviews, „bei denen der Befragte, der Träger abrufbarer Informationen [ist]“ (Lamnek 1989: 38) erhoben werden können. Das Nutzerverhalten kann einerseits über den Fragebogen und das Usertracking, der digitalen Protokollierung der Navigationswege der Nutzerinnen (vgl. Schulmeister 1997: 285), ermittelt werden. Es stehen hierbei quantitative Rohdaten zur Verfügung, die im Lernzentrum gespeichert sind. Doch ebenso wie bei dem zu untersuchenden Teilaspekt der Akzeptanz von E-Learning, genügen quantitativ erhobene Daten nicht, subjektive Begründungslagen des Nutzerverhaltens zu erhalten, sondern bieten allenfalls über alle Teilnehmerinnen hinweg kumuliert ein Gesamtbild des typischen Gebrauchs des Lernzentrums in diesem Modellprojekt. Somit ist es andererseits notwendig, die Teilnehmerinnen in analytischer Form über ihr Nutzerverhalten zu befragen, um beispielsweise soziale Sachverhalte der mithelfenden Familienangehörigen ebenso zu erfassen und in die Analyse mit einfließen zu lassen (vgl. Lamnek 1989: 39).
Weiterhin spielen neben den inhaltlichen Aspekten der Wahl der Erhebungsmethode auch technische Aspekte eine Rolle: Das qualitative Interview bietet, anders als die teilnehmende Beobachtung, die Möglichkeit, dass „Informationen in statu nascendi aufgezeichnet werden können, unverzerrt authentisch sind,...