Vom richtigen Zeitpunkt
Eine repräsentative Umfrage des Allensbach-Instituts hat gezeigt, dass mehr als 80 Prozent der deutschen Bevölkerung die Fruchtbarkeit von Frauen völlig falsch einschätzen: Viele Menschen denken, dass Frauen lange fruchtbar sind. Auch das scheint ein Grund zu sein, weshalb viele Paare Kinderwunschhilfen brauchen: Sie fangen mit der praktischen Umsetzung ihrer Familienplanung oft zu spät an. Viele Paare wissen auch nicht so richtig, wann im Bauch die beste Zeit dafür ist, ein Kind zu zeugen – und noch weniger, wie man diesen Zeitpunkt herausfindet.
Liebe nach Plan, geplanter Sex
Wer weiß, wann der Eisprung kurz bevorsteht, kann in der Kinderwunschzeit durchaus selbst dazu beitragen, dass sich Nachwuchs einstellt. Mit einer Maßnahme, die in Kinderwunschforen flapsig gerne als »Zielpoppen« beschrieben wird: Damit ist nichts anderes gemeint als Geschlechtsverkehr zum richtigen Zykluszeitpunkt.
Liebesspiele, die der Eisprungkalender diktiert, sind für viele Paare mit der Zeit alles andere als spaßig. Solcher Kinderwunschsex nach Plan ist oft mit Müssen, Funktionieren, Bangen und Hoffen verbunden. Mit der Frage nach der richtigen Stellung und allen möglichen Gefühlen, die nicht immer positiv sind.
Ein Mann hat dazu mal angemerkt: |
Sex auf Kommando sei so, dass man denkt: Bringen wir’s schnell hinter uns. Und danach haben wir noch mal richtig guten Sex. Ein anderer meinte, man wüsste dann nie, ob die Liebste wirklich Lust hat oder nur mit den Wimpern klimpert, weil der Eisprung naht. |
Sex nach der Uhr setzt viele Paare ganz schön unter Druck: Manche Frauen reagieren mit trockener Scheide, was Schmerzen beim Sex verursachen kann. Gleitmittel wiederum können einen negativen Effekt auf die Spermien haben, weil sie den pH-Wert in der Scheide mitunter ungünstig verändern. Was tun, wenn Sie sich so ausgetrocknet fühlen wie die Wüste Gobi? Gynäkologen und Apotheker können bei der Suche nach dem richtigen Liebesglibber weiterhelfen. Fragen Sie nach – es ist ja für einen guten Zweck …
Stante penis: Wenn ER schwächelt
Auch Männern kann der Zeugungsdruck so zusetzen, dass sie Erektionsprobleme (erektile Dysfunktion (ED) oder Impotenz) bekommen – und ohne Erektion bekanntlich keine Ejakulation … Liebevolle Geduld der Partnerin ist zwar fein. Mitunter ist es jedoch sinnvoller, den Urologen um Rat zu fragen. So kann die kurzzeitige Einnahme von Medikamenten (»PDE-5-Hemmer« wie Levitra®,Viagra®, Cialis®) helfen, wenigstens in puncto »Standhaftigkeit« zu entlasten.
Erektionsprobleme sind übrigens weitaus verbreiteter, als viele Menschen glauben: Eine deutsche Studie mit 10.000 Männern fand heraus, dass vier Prozent aller 30- bis 39-Jährigen, knapp zehn Prozent aller Männer zwischen 40 und 49 und fast zwanzig Prozent aller 50- bis 59-Jährigen mehr oder weniger ausgeprägte Erektionsprobleme haben. Zu den Ursachen einer ED zählen übrigens auch Diabetes oder Gefäßerkrankungen wie arteriosklerotische Veränderungen – und davon sind auch jüngere Männer betroffen.
Was Mann mit Kinderwunsch und Erektionsproblemen nicht tun sollte:
- PDE-5-Hemmer sind hochwirksame Arzneimittel, die Nebenwirkungen haben können. Bei unsachgemäßer Einnahme kann das wirklich gefährlich werden. Also auch nicht frei nach dem Motto »Viel hilft viel« eine Tablette mehr einnehmen. Heraus käme eventuell eine schmerzhafte Dauererektion, die einer Ejakulation und damit der erwarteten Spermagewinnung sprichwörtlich im Wege steht. Dumm gelaufen, wenn gerade Eizellen reif wären …
- Im Internet werden Viagra® und Co. an jeder virtuellen Ecke angeboten. Hände weg – das sind häufig Fälschungen!
Temperatur und Co.: Zyklusmonitoring
Eine einfache Methode für das richtige Timing ist »Zyklusmonitoring«: den eigenen Zyklus zu beobachten, um den optimalen Zeitpunkt für eine Befruchtung herauszufinden. Hierfür gibt es Zykluscomputer, Ovulationstests und »Natürliche Familienplanung umgekehrt«.
Natürliche Familienplanung (NFP) ist eigentlich eine Form der Verhütung, wie das Wort Familienplanung diskret andeutet. Kurz zusammengefasst: Man kombiniert bei dieser Methode die Beobachtung des Zervikalschleims (siehe oben) mit der Körpertemperatur (Basaltemperatur) und trägt beides in ein spezielles Kurven- oder Zyklusblatt ein. Die Temperatur wird jeden Morgen direkt nach dem Aufwachen gemessen – am einfachsten im Po und mit einem digitalen Thermometer. Die Aufzeichnungen eines normalen Zyklus zeigen im Verlauf meist zwei Phasen: In Phase eins vor dem Eisprung ist die Temperatur ein wenig niedriger als nach dem Eisprung. Phase zwei bleibt dann meist bis kurz vor der Periodenblutung erhöht und fällt dann ab. Um den Eisprung herum verändert sich auch der Zervikalschleim und gibt Hinweise darauf, dass die Ovulation bevorsteht. Dabei verändert sich auch der Muttermund: Er wird weicher und öffnet sich, der Gebärmutterhals verkürzt sich ein wenig nach oben. Mit etwas Übung lassen sich diese Unterschiede sehr einfach mit ein, zwei Fingern ertasten und dann im Zyklusblatt notieren. Aber – so aufgeklärt wir alle in Zeiten medialer Übersexualisierung sein mögen: Ich bin mir nicht sicher, wie viele Frauen diese Selbstuntersuchung ohne Vorbehalte durchführen würden – auch wenn sie kaum aufwendig und mit ähnlich großem »Körperkontakt« wie Tamponeinführen verbunden ist. Was es bei der natürlichen Familienplanung und dem Zyklusmonitoring zu beachten gibt, was man außerdem notieren sollte und wie sich das alles interpretieren lässt, kann man in Kursen oder aus einem Buch lernen.
Nach einigen Zyklen und entsprechender Übung messen viele Frauen nur noch an wenigen Tagen, und zwar so lange, bis der Eisprung stattgefunden hat. Kleiner Nebeneffekt:
- Man lernt, Zervikalschleim von behandlungsbedürftigem Ausfluss (z. B. Pilze und Co.!) zu unterscheiden.
- Frauen, die an jedem Zyklustag ihre Basaltemperatur messen, wissen mit dem Temperaturabfall gegen Ende des Zyklus, dass die Periodenblutung bevorsteht.
- Eine solche »Zyklusbuchhaltung« gibt dem Arzt erste Hinweise auf mögliche Zyklusstörungen oder Besonderheiten.
Informationen zur NFP bietet die Universität Düsseldorf unter diesem Link an: http://www.uni-duesseldorf.de/NFP/nfpkurs.pdf.
Meine allerersten Erfahrungen mit der natürlichen Familienplanung habe ich in der Sexta, so wurde die erste Klasse im Gymnasium damals genannt, gemacht. Unsere Biolehrerin hat uns den Zyklus und seine Beobachterei so genau ins Hirn gebimst, dass wir noch vor der ersten Menstruation perfekt verhüten konnten. Theoretisch zumindest. Ich habe mich Jahre danach gefragt, ob das wohl die kleine Rache dieser weltoffenen und eleganten Lehrerin an unserer oberspießigen katholischen Mädchenschule war oder gar an der Leibfeindlichkeit der Kirche? Hat sie sich wohl ins Fäustchen gelacht, als sie uns das diskrete Rüstzeug für folgenlosen Sex mit auf den (Schul-)Weg gab? Wie auch immer – dank dieser Trockenübung waren für mich Feuchtgebiete, auch die neueren literarischen, nichts Ungewöhnliches. |
Als während meines Medizinstudiums natürliche Familienplanung als Kurs angeboten wurde, habe ich NFP bei einem der Pioniere dieser Methode, Professor Günter Freundl, gelernt. (Eine Buchempfehlung hierzu finden Sie in der Literaturliste.) Mir hat diese Selbstbeobachtung viel Spaß gemacht. So erfolgreich ich diese Methode jahrelang zum Verhüten angewandt habe, so dämlich habe ich sie umgekehrt in Sachen Kinderwunsch gehandelt: Das Thermometer hatte ich beiseite gelegt. Ich wusste ja, an welchem Zyklustag mein Eisprung bislang war. Und habe darauf vertraut, dass ich obendrein spüre, wann’s soweit ist. Dass es mit den Jahren Verschiebungen im Zyklus und damit bei der Ovulation geben kann, habe ich leider erst dann gemerkt, als mein Zyklus in der Kinderwunschstunde unter die Lupe genommen wurde: Unser Sex nach Kinderwunschstundenplan war also zeitlich mitunter glatt daneben … |
Temperaturkurve, Maschinchen und Web 2.0
Zyklusmonitoring funktioniert auch mit speziellen Zykluscomputern: Das sind kleine, handliche Geräte, die die Temperatur oder zusätzlich noch den LH-Wert im Urin messen, speichern und auswerten. Solche Computer kosten zwischen150 € und 800 €, eventuell zuzüglich der erforderlichen Teststreifen für den Urintest. Nachteil: Manche Geräte benötigen zunächst über mehrere Monate Daten ihrer Besitzerin, bis sie zuverlässige Angaben zur fruchtbaren Zeit machen können.
Eine Software für Computer, Handy oder Palm ergänzen die Kinderwunschausstattung. Mit der Datenverarbeitung könnte übrigens auch der Papa in spe beschäftigt werden. Naht die Ovulation, sieht er’s selbst im digitalen Eisprungplan und kann zum häuslichen Don Juan mutieren. Inzwischen gibt es sogar eine App für das iPhone, mit der man...