Der Lebenslauf von Emil Heyn.
Friedrich Emil Heyn – der Mitbegründer der wissenschaftlichen Metallkunde und systematischen Metallographie, wurde am 5. Juli 1867 als Sohn des Bergmannsschneiders und Bürgers Wilhelm Emil Heyn und seiner Ehefrau Johanna in der 1496 gegründeten sächsischen Bergstadt Annaberg geboren.
Die Familie Heyn wohnte in der damaligen Silberstraße 957, der späteren Badergasse 2. Sie gehört, wie aus den Archivunterlagen der Ev.-luth. Kirche Annaberg hervorgeht, mit zu den Nachkommen des um 1492 in Staffelstein (Franken) geborenen und ab 1523 in der Bergstadt Annaberg wirkenden deutschen Rechenmeisters und Bergbeamten Adam Ries.
Ab dem 20. April 1872 war die Familie Heyn in Freiberg (Sachsen) wohnhaft. Zusammen mit seinen Eltern wohnte Friedrich Emil Heyn u. a. in der Freiberger Kesselgasse, Burgstraße, Rinnengasse, Akademiestraße und Korngasse. Sein Vater, der am 06. Dezember ein Gewerbe als Herrenkleidermacher / Wäscherei von Herrenkleidern bei der Stadt anmeldete, erhielt am 13. Januar 1881 das Bürgerrecht der Stadt.
Nach dem Besuch der Knabenbürgerschule von 1874 bis 1881 und dem Städtischen Realgymnasium von 1881 bis 1886 in der Bergstadt Freiberg in Sachsen, die er zum Teil mit Überspringungen einzelner Klassen durchlief, arbeitete er praktisch in einigen Hüttenwerken im Freiberger Bezirk. Sein Interesse für die Gewinnung, Be- und Verarbeitung sowie der Prüfung der Metalle wurde da bereits nachhaltig geweckt.
Aufgrund seines überdurchschnittlichen Wissens und seiner sehr guten praktischen Erfahrungen konnte er bereits 1886 als 3440 Student an der Bergakademie inskribiert werden und begann sein Studium am 4. Mai 1886.
An der 1765 gegründeten, und schon zu Heyns Studienzeit auf einer großen technischen Lehr- und Forschungstradition aufbauenden, ältesten bergbautechnischen Hochschule der Welt, der Königlich-Sächsischen Bergakademie zu Freiberg, erhielt er von 1886 bis 1890 seine Ausbildung als Eisenhüttenkundler beim Altmeister der Eisenhüttenkunde Adolf Ledebur (1837 bis 1906).
Von Letzterem ist bekannt geworden, dass dieser damals noch vermutlich Vorbehalte gegen die später von Friedrich Emil Heyn akribisch aus der Empirie in den Status einer Technikwissenschaft entwickelte Metallographie hatte.
Der Geh. Bergrat Professor Adolf Ledebur, der erste Ordinarius für Eisenhüttenkunde, erkannte frühzeitig die hohe wissenschaftliche Begabung des Studenten Emil Heyn, der mit großem Ernst und rastlosem Fleiß studierte, und widmete ihm somit sein besonderes Interesse.
Nachdem Heyn die Prüfung in den Fächern Mathematik, anorganische Chemie, Mineralogie, Experimentalphysik, Lötrohrprobierkunde, Aufbereitungslehre, analytische
Chemie, Eisenhüttenkunde, Eisenprobierkunde, metallurgische Technologie und Maschinenlehre mit der allgemeinen Zensur „Ausgezeichnet" bestanden sowie seine fachmännische Examenarbeit eingereicht hatte und von Ledebur mit der ersten Note diplomiert wurde, erhielt er am 19. Dezember 1890 das Zeugnis der akademischen Reife für das Fach eines Eisenhütteningenieurs.
Zuvor nahm Emil Heyn von August bis Dezember 1890 als junger Diplomand an einer Expedition nach Schweden (Klefva Bruk) teil, um die dortigen aufgeschlossenen Goldgruben auf Abbauwürdigkeit zu prüfen. Und bei der Teilnahme am Preis-Stenographieren auf der Generalversammlung des Königlichen Stenographischen Instituts im Frühjahr 1890 in Zschopau erzielte Emil Heyn den I. Preis im Diktat in der Schnelligkeit von 80 bis 100 Wörtern in der Minute und einer Gesamtzeit von fünf Minuten.
Aufgrund seiner strengen Zeiteinteilung fand er auch ausreichend Freiraum, im A. V. Glückauf mit Professoren, Studiosi und anderen Freunden das frohe studentische Leben aus vollem Herzen zu genießen.
Nach dem glänzend bestandenem Examen ging Emil Heyn in die Praxis. Deshalb verzog er am 01. November 1891 in das Ruhrgebiet. Zuerst arbeitete er da rund zwei Jahre (1. Januar 1991 bis 30. November 1992) als Ingenieur und Laborant in den Chemischen Laboratorien im Gussstahlwerk bei der Friedrich Krupp Aktiengesellschaft in Essen, wo umfangreiche metallkundliche und metallographische Untersuchungen übertragen bekam.
Darauf folgend war er im Eisenwerk des damaligen Hörder Bergwerks- und Hüttenverein in Hörde in Westfalen im dortigen Laboratorium von November 1892 bis Oktober 1893 als Chemiker und anschließend da bis Ende Oktober 1894 als Ingenieur und Konstrukteur für den Neubau zweier Hochöfen mit sämtlichen Nebeneinrichtungen tätig.
Danach folgte Emil Heyn dem Ruf an die Königliche Ober-Realschule Gleiwitz (Gliwice) in O./S., wo er seine besondere pädagogische Begabung audiodidaktisch prägte und wo er von Anfang November 1894 bis Ende März 1896 als Lehrer an der dort eingegliederten Fachschule die Fächer Hüttenkunde, Chemie, Physik, Kristallographie und Laborkunde unterrichtete.
Nachdem die Königliche Oberschlesische Maschinenbau- und Hüttenschule Gleiwitz gebildet war, lehrte Emil Heyn an dieser Einrichtung als etatmäßiger Lehrer von April 1896 bis März 1898 dieselben Unterrichtsfächer.
Bedingt durch die hohe Lehrbelastung blieb ihm kein Freiraum für die Forschung. Da Heyn in der nur Lehrtätigkeit keine innere Befriedigung fand, nahm er 1898 eine ihm von seinem Lehrer Prof. Adolf Ledebur vermittelte und vom damaligen Leiter der Mechanisch-Technischen Versuchsanstalt der Kgl. Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg, Adolf Martens (1850 bis 1914), angebotene Stelle als Mitarbeiter und Assistent an.
Sein Schritt erfolgte genau zu der Zeit des Übergangs von der vorwiegend empirischen zur wissenschaftlichen Werkstoffprüfung. Sein Wechsel zu Adolf Martens, dem Vater der systematischen Metallographie und Nestor der wissenschaftlichen mechanischen Materialprüfung, war für seine Zukunft und für die Entwicklung der von ihm später vertretenen Technikwissenschaft Metallkunde von ausschlaggebender Bedeutung.
In den Berliner Versuchsanstalten, dem späteren Königlichen Materialprüfungsamt Berlin, erkannte zuerst Adolf Martens den praktischen Wert der damals noch in den Anfängen steckenden metallographischen Untersuchungsmethoden. Wenn diese Anfang des 19. Jahrhunderts umgehend zum wichtigen Rüstzeug der Metalle verarbeitenden Industriezweige geworden sind, so ist das vor allem ein Verdienst von Professor Adolf Martens, aber noch mehr seines Leiters der Abteilung Metallographie und Unterdirektor der drei chemisch-physikalischen Abteilungen Professor Emil Heyn.
Emil Heyn lernte ab 1898 in den mechanisch-technischen Versuchsanstalten der Technischen Hochschule Berlin bei Adolf Martens schnell alle damaligen in der Anwendung befindlichen metallographischen Untersuchungsmethoden kennen. Damit ging sein Streben in Erfüllung, werkstoffkundliche Grundlagenforschung betreiben zu können und unverstandene Zusammenhänge bei Materialien, insbesondere bei den Metallen, aus ihrem Aufbau zu erklären.
Seine erste ihm übertragene Aufgabe war, die von Professor Adolf Martens begründeten neuen Untersuchungsverfahren der Metalle und Legierungen auf mikroskopischem Wege weiter auszubauen. Sehr hilfreich für ihn war bei seinen Untersuchungen von Eisen und Stahl die von Martens für Vergleichs- und Lehrzwecke geschaffene Sammlung von 120 Schliffen.
Auf Grund seines scharfen Verstandes stellte sich Emil Heyn erfolgreich auf alle Gedanken seines großen Meisters und Vorbildes ein. So entstand die Martens-Heynsche mikroskopische Einrichtung, die Grundlage für alle später entworfenen Apparate für metallkundliche Untersuchungen war.
In bezeichneter Gemeinsamkeit schafften Emil Hein und Adolf Martens in nur drei Jahren, dass die Königlichen Mechanisch-Technischen Versuchsanstalten Berlin um 1900 die führende Stelle in Deutschland innehatte. Des weiteren wurde von beiden auch erreicht, dass Berlin sich sowohl zum nationalen wie auch internationalen Zentrum der Metallographie avancierte.
Der Erfolg der Arbeiten von Emil Heyn basierten maßgeblich auf der Martensschen Schule zur Materialuntersuchung, nämlich, dass „Im Kleingefüge eines Metalls oder einer Legierung ist eine Art Urkunde niedergelegt in welcher die Entwicklungsgeschichte des Materials bis zu einem gewissen Grad aufgezeichnet ist".
Und diese von Martens aufgestellte und Heyn und Wetzel voll anerkannte sowie verbreitete These hat noch heute wie einst ihren Bestand. Nur durch die Identifizierung mit diesem Lehrsatz, war es möglich, dass durch diese drei Autoritäten drei Bände, des „Handbuches der Materialienkunde für den Maschinenbau" (Martens – 1898, Heyn – 1912, Wetzel – 1924) erschienen.
Indem sich Heyn bei allen seinen Untersuchungen stets das Ziel der Metallographie im Auge hatte, die Sprache in welcher diese Urkunde verfasst ist, zu ergründen, gelang es ihm, aus dem Kleingefüge heraus auf die Behandlung, die das Material unterworfen worden war, gewisse Rückschlüsse zu ziehen. Somit gelang es ihm auch, Gedanken zu gebären, die aus dem Nichts heraus einen neuen bedeutsamen Zweig der technischen Wissenschaften, die wissenschaftliche Metallkunde, entstehen ließen.
...